Real-Boss Pérez fordert nachdrücklich die Schaffung einer europäischen Superliga!
Von Guido Müller
Schon seit längerem befassen sich die großen Klubs, freilich noch hinter verschlossenen Türen, mit der Schaffung einer europäischen Superliga. Nachdem der vor wenigen Wochen als Präsident des FC Barcelona zurückgetretene Josep Maria Bartomeu, quasi mit seiner letzten Amtshandlung, die Aufnahme der Azulgrana in den geplanten Wettbewerb beantragt hat, kommt nun auch Real-Boss Florentino Pérez aus der Deckung hervor.
In seiner telematischen Rede, mit der Pérez die heutige Mitgliederversammlung des Klubs eröffnete, sagte er: "Nichts wird so sein wie vorher. Die Pandemie hat alles verändert. Sie hat uns alle und auch den Fußball verletzlicher gemacht. Der Fußball braucht jetzt Formeln, mit denen er widerstandsfähiger und emotionaler wird." (Quelle: as.com)
Danach hob der Bauunternehmer die historische Rolle seines Klubs bei den einschneidenden Veränderungen des Fußballs im vergangenen Jahrhundert hervor: "Der Klub hat an jeder Neuerung partizipiert und diese dann auch beschützt. Er war der einzige Klub, neben sieben Gründerstaaten, der an der Schaffung der FIFA 1904 beteiligt war. Und im Jahr 1955 waren es die L´Équipe und Real Madrid, die die Schaffung des Europapokals der Landesmeister vorantrieben. Ein revolutionärer Moment, der die Geschichte des Fußballs neu geschrieben hat. "
"Der Fußball muss sich den neuen Zeiten stellen!"
Nach diesem kleinen historischen Exkurs fuhr Pérez mit der Skizzierung der angedachten Superliga (freilich ohne sie ein einziges Mal als solche zu nennen!) fort. "Ohne diese ganzen Veränderungen wäre der Fußball heute nicht das, was er ist. Aber jetzt brauchen wir neue Veränderungen. Der Fußball muss sich den neuen Zeiten stellen. Und Real Madrid wird dabei, wie Infantino (Giovanni Infantino, Präsident der FIFA, der Autor) sagte, die Interessen der Fans verteidigen."
Diese, so Pérez, seien im Moment "saturiert vom Fußball-Kalender", wüssten bisweilen schon gar nicht mehr, welchem Wettbewerb sie da gerade folgen. Und auch die Verletzungen der Spieler würden aufgrund dieser Sättigung zunehmen.
Weshalb der Chef der Königlichen auch nochmals nachdrücklich forderte: "Die Reform des Fußballs kann nicht länger warten, und man muss sich ihr stellen. Wir haben die Verantwortung, für diese Reform zu kämpfen. Die neuen Generationen konsumieren mehr Inhalte. Die Wettbewerbsfähigkeit und die Qualität müssen deshalb erhöht werden."
Superliga - wirklich der Heilsbringer oder doch eher Totengräber des Fußballs?
Doch ob ausgerechnet eine elitäre europäische Superliga die von Pérez angesprochene Müdigkeit oder Saturierung der Fans zu stoppen vermag, ist dann doch eher zweifelhaft. Das angedachte Modell sieht die Schaffung einer Art europäischer Elite-Liga, ähnlich der Euroliga im Basketball, vor, an der 16 bis 18 Mannschaften teilnehmen und im Hin-und Rückspielmodus eine komplette Liga-Serie spielen, ehe dann im Play-Off-Verfahren, an einem zentralen Ort, der Meister ermittelt wird.
Bei dem angedachten Teilnehmerfeld handelt es sich tatsächlich um ein who is who des europäischen Fußballadels, mit den üblichen Verdächtigen (Real Madrid, FC Barcelona, Atlético Madrid, PSG, Manchester City, Manchester United, FC Liverpool, Juventus Turin, Inter Mailand, AC Mailand, Bayern München, Borussia Dortmund und andere), die neben der Superliga weiterhin auch in ihren nationalen Ligen aktiv sein werden.
So zumindest der Plan. Doch gab es in der Vergangenheit auch schon kritische Stimmen, die eine Verwässerung der heimischen Ligen, bis hin zu ihrer völligen Bedeutungslosigkeit, befürchten. Zumal das Abschneiden in der jeweiligen eigenen Liga gar kein Kriterium mehr sein soll, ob man sich für die Superliga qualifiziert oder nicht. Diese soll nämlich als eine Art geschlossener Gesellschaft, ohne Auf-und Abstieg, organisiert werden.
Würde im Extremfall bedeuten: selbst wenn Borussia Dortmund oder der FC Bayern jemals Gefahr laufen sollten, aus der Bundesliga abzusteigen, hätte das keinen Einfluss auf ihre Teilnahme an der europäischen Superliga. Eine derart zementierte Liga dürfte die von Pérez ausgemachte Sättigung der Fans erst recht auf die Spitze treiben.
Zusätzlich wären mit der Schaffung der Superliga die aktuellen europäischen Pokalwettbewerbe wohl endgültig passé. Was aus meiner Sicht nicht nur eine Katastrophe für Millionen von Fußball-Fans in ganz Europa wäre, sondern wohl auch den Todesstoß für diesen Sport insgesamt bedeuten könnte. Zumindest auf internationaler Ebene.
Die Hoffnung der Gegner der geplanten Superliga ruht auf den nationalen Verbänden
Man kann deshalb eigentlich nur noch hoffen, dass die nationalen Verbände diesem Treiben ein Ende setzen. Eine Möglichkeit wäre es, den an der Superliga beteiligten Klubs die Teilnahme an der nationalen Meisterschaft zu verwehren. Zumal ja auf Sicht sowie klar sein dürfte, dass die Priorität der großen Vereine der internationale Vergleich sein wird, sie somit in der heimischen Liga eventuell nur noch mit ihren Zweitmannschaften auflaufen. Nur: wer will das in Deutschland sehen?
Denn als "Ausgleich" dafür allwöchentlich dieselben Duelle zwischen Barcelona und Liverpool oder Bayern München und Real Madrid oder Juventus und BVB vorgesetzt zu bekommen, wäre nicht wirklich eine Kompensation.
Der Fußball hat seit jeher auch davon gelebt, dass sich die Fans mit ihm auf lokaler, regionaler oder zumindest nationaler Ebene identifizieren konnten. Fällt diese Identifikation irgendwann komplett weg, weil die großen Klubs nur noch mit Jugend-oder Zweitvertretungen auflaufen (die ersten Mannschaften werden ja in der europäischen Kaviar-Klasse gebraucht) braucht man kein Prophet zu sein, um den mittelfristigen Tod des Fußballs vorherzusagen.