Re-Start "ohne Rücksicht auf Verluste"? - Die Spieler müssen ihren Tribut leisten
Von Florian Bajus
Nach zwei Monaten darf der Ball in Deutschland wieder rollen - zumindest in der 1. und 2. Bundesliga. Die Corona-Pandemie hat sich allerdings nicht nur auf die Wettbewerbe an sich, sondern auch auf das Trainingsprogramm ausgewirkt. Damian Roßbach und Marc Lorenz vom Karlsruher SC fürchten deshalb eine Verletzungsorgie. Es ist der Tribut, den die Profis leisten müssen.
Am Wochenende wird wieder gespielt: Nach dem Startschuss aus der Politik in der vergangenen Woche hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) beschlossen, die Saison 2019/20 bereits am kommenden Wochenende fortzusetzen. Mit dem frühen Starttermin will die DFL auf etwaige Nachholspiele vorgreifen, und tatsächlich stehen bereits die ersten Ausfälle fest: Die gesamte Mannschaft von Dynamo Dresden muss für zwei Wochen in Quarantäne, die Spiele gegen Hannover 96 und Greuther Fürth fallen somit ins Wasser.
Viele Spieler freuen sich auf den Re-Start, doch es gibt auch Bedenken. Etwa, weil ein Infektionsrisiko auf dem Platz nicht ausgeschlossen werden kann. Oder weil die Spieler nach vielen Wochen, in denen sie nur im Home Office oder in Kleingruppen trainieren durften, ins kalte Wasser geworfen werden. Das siebentägige Trainingslager unter Quarantäne-Bedingungen beinhaltet erstmals wieder Training mit Spielformen, enger Körperkontakt ist wieder erlaubt. Es ist eine kurze Eingewöhnungszeit, bevor der Spielbetrieb wieder beginnt.
Robach und Lorenz fürchten Verletzungsorgie
Klar ist jedoch, dass die Mannschaften viele Wochen brauchen werden, um den Trainingsrückstand aufzuholen. "Es ist nicht wie im Sommer", sagte KSC-Verteidiger Damian Roßbach gegenüber den Badischen Neuen Nachrichten. "Da hast du fünf, sechs Wochen geregelte Vorbereitungszeit und fünf, sechs Testspiele. Jetzt hat man acht bis zehn Wochen kaum fußballspezifische Sachen gemacht, kaum Zweikämpfe – und Fußball ist eben ein Kontaktsport."
""Es gibt verletzungsanfällige Spieler, die werden wegbrechen""
- Marc Lorenz
Wenn die Vorbereitung fehle, sei die Verletzungsgefahr größer. Mittelfeldspieler Marc Lorenz rechnet sogar damit, dass vielen Spielern die nötige Kondition fehlen wird, um 90 Minuten durchzustehen: "Die Spieler werden nach 60 Minuten platt sein. Da helfen auch die nun beschlossenen fünf Auswechslungen nichts." Aufgrund der Müdigkeit würden Spieler "auch mal in einen Zweikampf reinrutschen, ohne dass er kontrolliert reingeht". Lorenz fürchtet: "Es gibt verletzungsanfällige Spieler, die werden wegbrechen."
Den frühen Re-Start betrachtet der 31-Jährige als "ein Durchdrücken ohne Rücksicht auf Verluste". Zahlreiche Spieler kämpfen im Saisonfinale um ihre Zukunft, laut DFL-Boss Christian Seifert laufen allein in der 2. Bundesliga ein Drittel aller Spielerverträge zum 30. Juni aus. "Wenn sich einer von ihnen das Kreuzband reißt", so Lorenz, "verpflichtet den keiner mehr."
Die Verantwortlichen stehen ihren Spielern bei. "Das Verletzungsrisiko ist wahnsinnig hoch", so Sportdirektor Oliver Kreuzer. Doch solange 13 gesunde Feldspieler und zwei gesunde Torhüter zur Verfügung stehen, sind die Vereine verpflichtet, anzutreten. Kreuzer: "Ob das Wettbewerbsverzerrung ist oder ob Teams dann überhaupt noch konkurrenzfähig sind, das interessiert nicht. Wir brauchen das TV-Geld, deshalb muss gespielt werden."
Die Spieler müssen für ihre Arbeitgeber herhalten
Es ist der Tribut, den die Spieler jetzt leisten müssen. Schließlich geht es um die Vereine, die letztlich die Arbeitgeber sind - und die Spieler eben die Arbeitnehmer. Außerdem sitzen alle im selben Boot. Egal ob der FC Bayern oder der Karlsruher SC - alle trainieren und spielen unter den identischen Bedingungen.
"Keiner kann sich ideal nach zwei Monaten Unterbrechung vorbereiten oder in ein ausgeprägtes, diffiziles Trainingslager gehen", erklärte Seifert auf der Pressekonferenz am Donnerstag. Er erwarte "den bestmöglichen Sport", der im Angesicht der Corona-Pandemie möglich ist. Hochklassiger Fußball ist keineswegs zu erwarten, vielmehr dürfte es vom Leistungsniveau her an ein Testspiel in der Sommervorbereitung erinnern.
Zudem ist davon auszugehen, dass die Spieler selbst wissen, wie verletzungsanfällig sie in dieser Phase sind. Aufgrund dessen - und aufgrund der stets existierenden Infektionsgefahr - dürfte keiner auf dem Platz naiv in einen Zweikampf gehen und sinnfrei zu einer Grätsche ansetzen. Auch dürften Tempo und Intensität längst nicht so hoch sein wie üblich, weil auch den Trainern bewusst ist, dass 90 Minuten Vollgas nicht möglich ist.
"Die Pumpe muss sich erst wieder einstellen auf Großfeld und auf längere Spielzeiten. Wenn ich vier Wochen zu viert trainiert habe und davor drei Wochen nur im Wald gelaufen bin, dann ist nicht zu erwarten, dass die Mannschaft am Samstag eine Laufleistung von 140 Kilometern erreichen wird", erklärte KSC-Trainer Christian Eichner.
Die Spieler tragen eine große Verantwortung
Allen ist bewusst, dass die übrigen Spiele unter einem ganz anderen Stern stehen. Punkte und Titel sind wertlos, es geht nur noch darum, die Liga zu retten. Die Spieler stehen deshalb in der Verantwortung, sich an alle Hygienevorschriften zu halten und noch neunmal 90 Minuten zu überstehen.
Das ist eine große Verantwortung. Aber wenn auch die Profis eine sichere Zukunft haben wollen, müssen sie diese Arbeit verrichten. Das mag unfair erscheinen, aber es gibt genügend Wirtschaftszweige, die froh darüber wären, wenn der Betrieb wieder laufen dürfte. Die Bundesliga ist in dieser Hinsicht privilegiert - das betrifft auch die Spieler.