Re-Start beim FC Bayern: Das System Flick muss seine Feuertaufe bestehen

FC Bayern Muenchen - Training Session
FC Bayern Muenchen - Training Session / DeFodi Images/Getty Images
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Die Bundesliga steht in ihren Re-Startlöchern. Der FC Bayern geht vor dem Neustart am 26. Spieltag als Tabellenführer und klarer Meisterschaftsfavorit ins Rennen. Während sich der Rest der Spielzeit für Verfolger-Coach Julian Nagelsmann "wie eine EM anfühlt", die er gewinnen will, kann FCB-Cheftrainer Hansi Flick tiefenentspannt auf die restlichen neun Ligaspiele blicken. Oder etwa nicht?

Fakt ist, Flick hat das Bayern-Gen zurück an die Säbener Straße gebracht. Mia san mia ist wieder Trumpf beim Rekordmeister. Unter dem 55-Jährigen herrscht eine Symbiose zwischen Erfolg und Attraktivität.

Kreativität im Ballbesitz, hohes Pressing und kontrolliertes Risiko - mit diesen Schlagwörtern könnte man die Flick-Bayern beschreiben. Schlagwörter, mit denen man sich vor der Unterbrechung nicht nur an die nationale Spitze gesetzt hat, sondern auch in der Champions League plötzlich wieder zu den Topfavoriten zählte.

Die beeindruckenden Leistungen bis zum 25. Spieltag und vier Punkte Vorsprung auf den ersten Verfolger aus Dortmund sind demnach Grund genug, als Bayern-Fan nicht an der achten Meisterschale in Serie zu zweifeln. Doch unter den besonderen Voraussetzungen des Re-Starts lauert eine echte Nagelprobe für das System Flick:

Trümpfe und Gefahren im System Flick beim Re-Start

1. Trumpf: Ballbesitz

Geben den Takt vor: Thiago & Kimmich
Geben den Takt vor: Thiago & Kimmich / TF-Images/Getty Images

Viel Ballbesitz hatte der FC Bayern auch unter Flick-Vorgänger Niko Kovac. Doch die Vorzeichen haben sich unter Flick geändert: Der FCB-Coach hat mit dem Duo Thiago/Kimmich eine eingespielte und ballsichere Zentrale, die Außenverteidiger stehen um einiges höher und Thomas Müller kann wieder den "Freigeist" geben. Insgesamt kommen die Bayern dadurch deutlich variabler in ihrem Offensivspiel daher. Die Angriffe werden nicht mehr stur über die Außenstürmer initiiert - durch die aufrückenden Pavard und Davies kann etwa Serge Gnabry häufiger in die Halbräume ausweichen und die torgefährlichen Räume besetzen. Gerade Thiago und Müller sorgen für erhöhte Gefahr auch durch das Zentrum.

Auch nach dem Re-Start kann der FCB die neugewonnene Sicherheit und Variabilität ausspielen. Vielleicht sogar umso mehr, da die defensiven Abläufe beim Gegner noch nicht so gut abgestimmt sind, wie vor der Pause.

Ein Trumpf, der bleibt!

2. Gefahr: hohes Pressing

Thomas Müller (r.) ist Flicks "Pressing-Monster"
Thomas Müller (r.) ist Flicks "Pressing-Monster" / DeFodi Images/Getty Images

Das Offensivspiel unter Flick wird im hohen Maße vom aggressiven Verhalten gegen den Ball geprägt. Hohes Pressing, wie es in weiten Teilen auch unter Guardiola der Fall war, wird wieder konsequent umgesetzt. Nach Ballverlusten versuchen die Bayern, den Ball so schnell wie möglich und so weit wie möglich in der gegnerischen Hälfte zu erobern. Flick hat es geschafft, den Spielern die nötige Aggressivität und Bereitschaft einzuimpfen. Bei Thomas Müller wurde das am deutlichsten sichtbar.

Diese Stärke wird auch beim Neustart sicherlich bleiben. Fragezeichen bei Form, Fitness und Eingespieltheit beim Gegner könnten die Stärke sogar noch potenzieren. Zudem ist zu erwarten, dass die meisten Gegner noch abwartender und tiefer spielen werden. Jürgen Klopp hat einst nicht zu unrecht gesagt: "Gegenpressing ist der beste Zehner."

Eingespieltheit und Fitness sind aber auch beim FCB Fragezeichen. Die hohe Intensität im (Gegen-)Pressing kostet viel Kraft. Das Team wird sich angesichts der Pause die Kräfte einteilen müssen.

Ein Trumpf, in dem viele Gefahren lauern. Flick muss beweisen, wie er sein geliebtes Pressing geschickt einsetzt!

3. Trumpf: gutes Positionsspiel

Harmonieren prächtig: Gnabry (l.) & Pavard
Harmonieren prächtig: Gnabry (l.) & Pavard / CHRISTOF STACHE/Getty Images

Ein Trumpf, der auch als Unterpunkt beim Ballbesitzspiel und im Pressing herhalten könnte. Das Positionsspiel beim FC Bayern hat sich deutlich verschoben: Die höhere Position der Außenverteidiger ist nicht nur im eigenen Ballbesitz wichtig, sie macht es auch leichter, bei Ballverlust schnell Zugriff auf den Gegner zu bekommen und Überzahl zu schaffen.

Ein ebenfalls bereits angeschnittener Punkt: Die Außenstürmer (Serge Gnabry, Kingsley Coman) können häufiger in die Halbräume ausweichen und sind so deutlich schwerer zu verteidigen.

An diesem Trumpf im Flick-System ändert sich auch nach dem Re-Start nichts!

4. Gefahr: Räume hinter der Abwehrkette

Boateng (l.) und Alaba müssen häufig große Räume verteidigen
Boateng (l.) und Alaba müssen häufig große Räume verteidigen / TF-Images/Getty Images

Der FC Bayern presst hoch und schiebt mit der Abwehr weit vor. Logisch, dass da hinter der Kette große Räume entstehen. Neben "Manu, dem Libero" sind bei dieser risikoreichen Variante vor allem Schnelligkeit und Antizipation der Innenverteidiger gefragt. David Alaba beherrscht das beinahe schon in Perfektion. Dennoch bleiben vor dem Re-Start Fragezeichen, ob Alaba/Boatang oder auch Lucas Hernandez das schon wieder so gut umsetzen konnten. Schon vor der Pause war das wohl eine der größten Schwachstellen im Flick-System.

Die hochstehende Viererkette könnte zu einer noch größeren Gefahr werden!

5. Trumpf: 5 Auswechslungen

Goretzka (2. v. l.) und Perisic (2. v. r.) dürften Flicks Top-Joker sein
Goretzka (2. v. l.) und Perisic (2. v. r.) dürften Flicks Top-Joker sein / TF-Images/Getty Images

Beim Re-Start werden fünf Auswechslungen erlaubt sein. Für Flick und sein Team eine gute Nachricht: Zwei weitere frische Spieler können im Verlauf der Partie von der Bank kommen. Gerade im offensiven Mittelfeld und auf den Flügeln bietet das dem FCB-Coach die Chance, auf den Kräfteverschleiß zu reagieren. Hinter Müller, Gnabry und Coman stünden mit Perisic, Goretzka und Cuisance Alternativen bereit.

Gerade Perisic und Goretzka können als Joker zu echten Titel-Trümpfen werden!

6. Gefahr: Dünn besetzte Bank

Für den Neustart (noch) keine Alternative: Philippe Coutinho
Für den Neustart (noch) keine Alternative: Philippe Coutinho / CHRISTOF STACHE/Getty Images

Mit den Ausfällen von Coutinho und Tolisso hat Flick aber nicht mehr allzu viele Alternativen im Kader. Gerade da bei Coman die Gefahr von Verletzungen besonders groß ist und Perisic lange fehlte, sind diese Positionen eher dünn besetzt.

Prominente Ausfällen in der Offensive sind mit dem aktuellen Kader schwer zu kompensieren!

Fazit

Mit dem Re-Start der Bundesliga nach fast zwei Monaten Pause, ist das System Flick einer besonderen Feuerprobe unterzogen. Gerade die hohe Intensität im Pressing, die Räume im Konterspiel für die Gegner und der dünne Kader sind mögliche Schwachstellen beim FC Bayern.

Ein Fragezeichen bleibt auch die Form der Spieler. Das gilt aber für die Münchener im gleichen Maße wie für den Rest der Liga.

Den Schwachstellen und Fragezeichen gegenüber stehen gewichtige Trümpfe, die den FC Bayern weiter zum absoluten Topfavoriten auf die Schale machen! Trifft Flick die nötigen Anpassungen - die wahrscheinlich gar nicht so tiefgreifend ausfallen müssen, wird der FCB nur ganz schwer aufzuhalten sein.