Frühes Leipzig-Aus für Marsch - Opfer der Klub-Entwicklung?
Von Yannik Möller
Mit RB Leipzig hat bereits der dritte Bundesliga-Klub seinen Trainer freigestellt. Jesse Marsch hatte sein Aus wohl schon vor Wochen vor Augen. Ist er ein unglückliches Opfer der Klub-Entwicklung?
RB Leipzig ist längst in der Bundesliga angekommen. Damit ist nicht nur der sportliche Erfolg gemeint, den der Klub schon seit dem Aufstiegsjahr vorzuweisen und natürlich mit einer beachtlichen Menge an Geld und in Deutschland ungewöhnlichen Klub-Strukturen auch nach-finanziert hat.
Mit der Freistellung von Jesse Marsch nach 14 Spieltagen kann der Verein auch den Punkt einer ungeplanten und grundsätzlich ärgerlichen Trainer-Entlassung abhaken. Das war bisher kein Thema: Ralf Rangnick führte die Sachsen ins Fußball-Oberhaus, ehe zwischenzeitlich Ralph Hasenhüttl übernahm und dann Julian Nagelsmann folgte. Alles stets durchgeplant und sportlich erfolgreich.
Marsch ist der erste Trainer, bei dem der angedachte Plan gescheitert ist. Und das, obwohl er der feinfühlig ausgesuchte Nachfolger war. Als Salzburg-Coach der quasi vorbereitete Kandidat, der dann - wenig überraschend - auch das Amt antrat. Dennoch ist das gemeinsame Projekt gescheitert. Doch das liegt sicherlich nicht alleine am Trainer selbst.
Kein "Perfect fit" zwischen Marsch und dem Leipzig-Team
"Jesse kam schon nach dem siebten und dem zehnten Spiel auf uns zu und sagte: 'Ich weiß nicht, ob ich der richtige Trainer für die Mannschaft bin. Ich weiß nicht, ob meine Philosophie zur Mannschaft passt'", verriet Vorstandschef Oliver Mintzlaff am Sonntagvormittag beim Sport1-Doppelpass. Auch das zeigt: Es hat wohl einfach nicht sein sollen.
Ein Aspekt, der keineswegs unter den Tisch fallen darf, ist der des Vorgängers. Nagelsmann hat enorm große Fußstapfen hinterlassen. Mit seiner Art, mit seiner tagtäglichen Arbeit, mit seinem Umgang mit den Spielern und allen voran mit seiner eigenen Qualität. Eine riesige Herausforderung, nach so einem Trainer zu übernehmen.
Zumal unter dem heutigen Bayern-Coach die Erwartungen nochmals gewachsen sind. Vor Saisonbeginn wurde erwartet, dass RB mehr oder weniger zusammen mit dem BVB den Bayern-Jäger geben würde. Als amtierender Vizemeister sowie Pokalfinalist ist dies eine realistische Erwartung. Jedoch war dies eine Entwicklung, die für Marsch alles andere als hilfreich war.
Dass mit Spielern wie Dayot Upamecano, Ibrahima Konate oder Marcel Sabitzer wichtige Akteure gegangen sind, gehört ebenfalls zum Gesamtbild. In der Mischung wurde es eine schlichtweg zu große Aufgabe für den US-Amerikaner.
Für den anvisierten Erfolg hätte zwischen ihm und dem Team so gut wie alles passen müssen. Denn das war unter Nagelsmann der Fall, das war ein Grund, weshalb der Klub auch zuletzt so erfolgreich war. Mintzlaff mit seinem Fazit: "Die Mannschaft war nicht zu 100 Prozent bereit, dieser Überzeugung und den Matchplänen zu folgen. [...] Es war nicht der 'Perfect fit' zwischen Mannschaft und Trainer."
Das war schlussendlich der ausschlaggebende Punkt. Nicht die theoretisch fehlende Qualität Marschs war der Knackpunkt, diese hatte er. Viel mehr war es eine Verkettung von einzelnen Faktoren, die dazu geführt haben, dass man zusammen einfach nicht die PS auf die Straße bekam.
Dazu gehört ebenfalls der nach wie vor vakante Sportdirektor-Posten. Ein weiterer Verantwortlicher, der nah an Mannschaft und Trainerteam ist. Einer, der in beiden Bereichen hilft, ein wichtiger Ansprechpartner und Stratege ist. Diesen Posten hat Leipzig nicht vernünftig besetzt - ein Fehler mit Folgen.
Leipzig mit ungewohnter Aufgabe - Neuer Trainer muss die nahezu perfekte Rückrunde ermöglichen
So ist es schlussendlich eine insgesamt unglückliche Zusammenarbeit geworden. Marsch war zum falschen Zeitpunkt am richtigen Ort. Für den derzeit Tabellenelften (oder -zwölften, je nach Sonntags-Resultat) ergibt sich nun eine ungewisse Situation: mittendrin in der Saison muss ein neuer Trainer für eine bestehende Mannschaft gefunden werden.
Was schon im Sommer und mit viel Vorbereitungszeit nicht richtig funktionierte, muss nun innerhalb der Winterpause funktionieren. Wenngleich das potenziell entfallende Erfolgs-Geld nicht die größten Probleme verursachen würde, wäre es ein Schaden an der Visitenkarte, wenn man die Champions League in diesem Jahr verpassen würde.
Für die Rückrunde braucht es also den von Mintzlaff erwähnten "Perfect fit" - sonst droht ein zum Teil selbstverschuldetes, verpasstes Jahr.