Raphael Varane - der Kronprinz in Sergio Ramos' Königreich!
Von Guido Müller
Es gibt Spieler, die - aus den verschiedensten Gründen heraus - stärker in der Kritik stehen, als es man es aufgrund ihrer persönlichen fußballerischen Vita annehmen würde. Der in Diensten von Real Madrid stehende französische Innenverteidiger Raphael Varane ist so ein Beispiel.
Immerhin kann der 27-jährige Abwehrspieler von sich behaupten, Weltmeister zu sein. Gut, wird man mir jetzt entgegenhalten, das war Günter Herrmann von Werder Bremen auch. Nur hat der bei der WM 1990 in Italien keine einzige Sekunde gespielt. Den Lohn durfte er damals natürlich trotzdem wie alle anderen Bestandteile des deutschen Kaders einstreichen.
Stammspieler beim amtierenden Weltmeister Frankreich
Doch der Vergleich hinkt: während ein Günter Hermann wenig bis gar nichts zum dritten deutschen WM-Titel beisteuern konnte (außer als Sparringspartner bei den jeweiligen Trainingseinheiten zu fungieren und gute Laune in der Kabine zu verbreiten), war Raphael Varane 2018 eine der Säulen der späteren Weltmeister-Elf. Schließlich bestritt er bei dem Turnier in Russland alle sieben Spiele der les bleus über die volle Distanz, war also unbestrittener Stammspieler.
Ein Status, den er sich nicht zuletzt durch seine langjährige Anstellung beim spanischen Rekordmeister Real Madrid verdiente. Wer anno 2018 bereits seit sieben Jahren für die Königlichen unterwegs war, sollte wohl auch gut genug sein, die Farben Frankreichs zu verteidigen.
Zahlreiche Titel mit Real Madrid
Zumal Varanes Zeit in Madrid gesät ist mit Erfolgen. Spanischer Meister 2012 (in Varanes erstem Jahr bei den blancos), 2017 und 2020. Pokalsieger 2014. Und natürlich die vier (!) Champions-League-Titel 2014, 2016, 2017 und 2018.
Und auch hier war er nicht nur dabei, sondern mittendrin. In drei der vier Königsklassen-Endspiele stand Varane über die neunzig Minuten (oder 120) Minuten auf dem Feld. Lediglich beim Mailänder Finale 2016 gegen den Stadtrivalen Atlético fehlte der Franzose verletzungsbedingt.
Fast immer an Varanes Seite: Sergio Ramos
Doch genauso wahr ist auch, dass bei allen diesen Erfolgen meist ein Nebenmann neben ihm auflief, der seit gut einem Jahrzehnt zu den besten Verteidigern der Welt gezählt wird: Sergio Ramos.
Und so sehr die aficionados im Estadio Santiago Bernabéu die geschmeidige Eleganz des im nordfranzösischen Lille geborenen Varane schätzen, so sehr vermissen sie manchmal bei ihm etwas von der "mala leche" (Galligkeit) eines Sergio Ramos. Der auch mal ohne Rücksicht auf Verluste dazwischenhauen kann - Kollateralschäden, wie sie Mo Salah beispielsweise im Champions-League-Finale von 2018 erleiden musste, sind dabei einkalkuliert.
Varanes alptraumhafter Auftritt gegen Manchester City
Und genau deshalb gibt es auch nicht wenige in Madrid, die Varane immer noch, auch nach bald zehn Jahren, unter Verdacht haben. Nämlich dass er nur an der Seite von Sergio Ramos glänzen könne. Und diese Kritiker sind nach dem 7. August dieses Jahres nicht stiller geworden.
Beim Champions-League-Achtelfinale im coronabedingten K.o.-Turnier von Lissabon erlebte Varane seine wohl bisher schwärzeste Stunde im weißen Trikot der Madrilenen. Zwei slapstickartige Fehler von ihm brachten Manchester City auf die Siegerstraße - und sorgten am Ende für den vorzeitigen Knockout seines Klubs aus dessen Lieblingswettbewerb.
Derartige Niederlagen zu verdauen kostet die Real-Anhänger. Und wenn dann in der Folge auch kaum Besserung in Sicht ist, wie es nach dem ersten Viertel dieser Spielzeit momentan der Fall ist, können sie auch mal ungehalten werden. Was sich zur Zeit in bisweilen sehr harschen Kritiken an dem Franzosen in den sozialen Netzwerken niederschlägt.
Spiel gegen Inter zeigt: Real kann auch ohne Ramos gewinnen
Fakt ist: Sergio Ramos fehlt Real Madrid. Und wohl auch seinem französischen Kollegen in der Innenverteidigung. Von den vier Spielen, die die Spanier nach Ramos' jüngster Verletzung (Muskelfaserriss) ohne ihren Mannschaftsführer bestreiten mussten, gewannen sie nur eines. Das allerdings beim prestigeträchtigen 2:0-Erfolg bei Inter Mailand.
Die Innenverteidigung gegen Lukaku, Martínez und Co. bildeten damals Nacho Fernández und - Raphael Varane. Dass dieser es auch ohne Ramos kann, hat er also auch schon gezeigt.