Qual der Wahl beim FC Bayern: Bekommt Nagelsmann ein Problem auf der rechten Seite?
Von Simon Zimmermann
Julian Nagelsmann ist mit dem FC Bayern zum Erfolgssystem seiner Münchner Anfangszeit zurückgekehrt. Anders als vor gut 1,5 Jahren hat der FCB-Coach auf der rechten Abwehrseite aber zahlreiche Optionen. Eine Qual der Wahl, die am Ende für Unruhe sorgen könnte und einen überraschenden Gewinner aufweist?
Die rechte Abwehrseite gilt nicht nur beim DFB als Problemposition. Auch beim FC Bayern war sie lange Zeit recht stiefmütterlich besetzt. Benjamin Pavard schien der einzige adäquate Kandidat zu sein - und das, obwohl sich der Franzose selbst lieber innen sieht.
Mittlerweile hat sich die Situation in München gewandelt. Julian Nagelsmann hat hinten rechts die Qual der Wahl und dürfte sich damit im restlichen Verlauf der Saison noch schwerer tun. Neben Pavard steht beim FCB mittlerweile auch Joao Cancelo im Kader. Dazu konnte Josip Stanisic gegen Stuttgart und PSG mächtig Eigenwerbung betreiben. Und jetzt kommt auch noch Noussair Mazraoui zurück.
Mazraoui vor Comeback
Der Marokkaner wird nach seiner Herzbeutelentzündung am Samstag gegen Augsburg (15.30 Uhr) erstmals wieder im Kader stehen. "Er ist im Training gut dabei, macht einen sehr guten Eindruck. Ich bin guter Dinge, dass er schon wieder Richtung hundert Prozent unterwegs ist. Er hat immer gute Lösungen und nichts verlernt", freute sich Nagelsmann auf der Pressekonferenz vor dem Spiel.
Nagelsmann über Cancelo: "Wenn er spielt ist alles gut..."
Auch zu Cancelo hatte der Bayern-Coach einige Worte übrig. Der Portugiese musste zuletzt regelmäßig auf der Bank Platz nehmen. Eigentlich hatte die City-Leihgabe Manchester verlassen, um in München wieder uneingeschränkter Stammspieler zu sein. Das Frustpotenzial beim Außenverteidiger ist groß - in italienischen Medien war jüngst gar schon die Rede davon, dass die Bayern sich bereits entschieden hätten, ihn nicht fest zu verpflichten.
"Ich hatte einen ähnlichen Fall in Leipzig mit Angelino. Bei Joao ist es ähnlich, wenn er spielt, ist alles gut, wenn nicht, dann nicht. Das eine Training war nicht ganz so gut, dann hatten wir ein sehr gutes Gespräche. Dann habe ich ihm meine persönliche Vergangenheit erklärt und gesagt, wie man damit umgehen kann. Man kann daraus auch Chancen entwickeln, es war ein sehr offenes Gespräch, nicht nur über Fußball. Seitdem hat er sehr gut trainiert und auch Freude und Leichtigkeit demonstriert. Ich werde ihn morgen belohnen, für die letzten Eindrücke im Training", erklärte Nagelsmann und sprach Cancelo quasi eine Startelf-Garantie gegen den FCA aus.
Aus Vier werden mit dem Ball drei: Nagelsmann kehrt zum Erfolgssystem zurück
Ob das auch für die Spiele danach gilt, bleibt eher fraglich. Die Bayern haben vor einigen Wochen das Spielsystem umgestellt und agieren in Ballbesitz mit einer Dreierkette. So hatte der Rekordmeister schon häufig in der Anfangszeit unter Nagelsmann agiert - mittlerweile ist man zu diesem Erfolgsrezept zurückgekehrt.
Defensiv bleibt es dabei bei einer Viererkette, im eigenen Ballbesitz schiebt dagegen ein Außenverteidiger hoch und übernimmt die Rolle des "Jokers" - wie Nagelsmann es nennt. Der Außenverteidiger auf der anderen Seite rückt dagegen etwas ein, die Bayern bauen mit drei Verteidigern das Spiel auf.
Die Rolle des hochschiebenden Außenverteidigers kommt dabei Alphonso Davies auf links zu. Sie ist auf den Kanadier perfekt zugeschnitten - er agiert als verkappter Außenstürmer im eigenen Ballbesitz. Auf der rechten Seite spielt die "Joker"-Rolle Kingsley Coman, der sich darin sichtlich wohl fühlt und in den letzten Wochen dort überragende Leistungen gezeigt hat.
Das FCB-System wird zum Problem für Cancelo und Mazraoui
Für den nominellen Rechtsverteidiger im aktuellen System bedeutet das eine defensive Rolle bei eigenem Ballbesitz. Zugeschnitten ist diese vor allem auf Benjamin Pavard und auch Josip Stanisic, die offensiv zwar nicht so gefährlich sind wie Cancelo oder Mazraoui, defensiv aber deutlich stabiler.
Für Cancelo ist das ein großes Problem. Im aktuellen System gibt es damit keine Position, die gut zu ihm passt, beziehungsweise, die er gewohnt ist. Am ehesten wäre da noch die Davies-Rolle auf der linken Seite zu nennen. Der Kanadier ist aber aufgrund seiner Dynamik unantastbar und hat sich aus seinem Formloch herausgekämpft.
Die derzeitige Rolle des nominellen Rechtsverteidigers könnte aber auch für Mazraoui zum Problem werden. Auch der Marokkaner ist ein eher offensiv orientierter Außenverteidiger. In den kommenden Wochen geht es für ihn aber eher darum, wieder 100 Prozent seiner Leistungsfähigkeit zu erlangen. Im Anschluss wäre auch er im aktuellen System eher ein Kandidat in der "Joker"-Rolle.
Wird Stanisic zum großen Gewinner?
Der große Nutznießer wiederum könnte Josip Stanisic werden. Der Kroate hat bewiesen, dass er auch auf höchstem Nievau standhalten kann, ist sicher im Passspiel, hat ein gewisses Tempo und steht defensiv mindestens Solide. Zugute kommt ihm auch, dass er genauso auf der linken Seite eingesetzt werden kann. Sollte Nagelsmann die "Joker"-Rollen mal andersrum verteilen wollen und den Rechtsverteidiger bei Ballbesitz hochschieben, hätte Stanisic gute Chancen auch als linker "Halbverteidiger" (wieder eine Nagelsmann-Bezeichnung) aufzulaufen.
So oder so: Die Optionen für Nagelsmann im aktuellen Bayern-Kader sind riesig. Nicht nur in der Offensive, sondern mittlerweile auch auf der rechten Abwehrseite. Hansi Flick kann davon beim DFB nur träumen...