"Pro Fans" rufen zu WM-Verzicht auf: Doch was nutzt das überhaupt?
Von Dominik Hager
Nur noch knapp zwei Jahre, dann rollt der Ball auch bei der bereits Vorfeld am heftigsten kritisierte WM aller Zeiten. Tatsächlich gefällt die Vorstellung einer Fußball-WM in Katar weder Spielern noch Fans. Alles in allem sind es wohl nur diejenigen mit einem finanziellen Nutzen, die mit einem Lächeln auf das bevorstehende Großereignis blicken. Die Rufe nach einem Boykott werden jedoch immer lauter. So rief neulich die Fan-Organisation "Pro Fans" das DFB-Team öffentlich zum Boykott auf.
Fast schon regelmäßig wird Katar derzeit zur Spielwiese von sportlichen Großereignissen. Man denke dabei nur an die Handball-WM oder jüngst die FIFA-Klub-WM. Ein klares Zeichen, wie sehr der Sport mittlerweile seine Seele für das Geld verkauft. Dies wollen jedoch einige Menschen nicht mehr so einfach hinnehmen. Angesichts der zahlreichen Todesfälle von Gastarbeitern (die Times berichtet von 6500), bezeichnet das Bündnis "Pro Fans" eine Teilnahme als "Ende von Ethik und Würde". Zwar erklärt die Organisation, dass sie sich im Klaren ist, was eine WM für die Spieler bedeutet, so sei der Preis hierfür aber zu hoch.
"Es gibt nichts, was es rechtfertigen könnte, die Menschenrechtsverletzungen in Katar hinzunehmen, ja, gar durch die Teilnahme am Turnier wissentlich, billigend zu unterstützen. Wir fordern den DFB auf, die Teilnahme an der WM in Katar abzusagen", so die Mitteilung des Bündnisses. Unterstützung gibt es derweil aus Norwegen, wo sich bereits sechs Erstligisten gegen ein WM-Teilnahme im Wüstenstaat ausgesprochen haben. Gründe für einen Boykott gibt es nämlich auch abgesehen von den zahlreichen Todesfällen so einige. So sprechen wir immerhin von einem Land, wo Frauen diskriminiert, die Homosexualität verboten und Religionsfreiheit eine Illusion ist. Des weiteren wäre da noch die fehlende Nachhaltigkeit, zumal die acht Luxus-WM Stadien wohl im Nachgang kaum noch gebraucht werden. Tatsächlich könnte man ganze Bücher darüber füllen, warum eine WM in Katar ein ziemliches Unding ist. Dass die Fans die Spiele im Dezember am Glühweinstand anstatt bei einer Grill-Party schauen müssen, ist dabei zweifellos das geringste Problem.
DFB vor WM Boykott? Für diese Parteien macht ein Verzicht Sinn
Doch macht es jetzt für den DFB Sinn, die Veranstaltung auch zu boykottieren? Das hängt natürlich in erster Linie von der Frage des Standpunktes ab. Für den DFB ist dies, selbst wenn man bei den Fans zur Abwechslung mal Sympathiepunkte sammeln könnte, nicht der Fall. So ist mit einer Weltmeisterschaft schlichtweg zu viel Geld und Prestige verbunden. Auch für die Spieler ist ein Boykott nicht wirklich attraktiv. Selbst wenn im kindlichen WM-Traum der Akteure wohl keine Scheichs, Wüsten oder Kamele vorkamen, ist der Weltmeistertitel noch immer das Größte, dass man als Fußballer erreichen kann. Bei den Fans ist die Vorfreude auf das Turnier allerdings eher gering, wodurch diese WM wohl nicht so vielen fehlen würde. So besagt eine Umfrage von Sky, dass sich 73 Prozent der Deutschen für einen Boykott ausspricht. Dabei sollte man aber beachten, dass diese Umfrage-Ergebnisse mit Sicherheit nicht nur ethische Gründe hat, sondern auch mit der derzeit frostigen Atmosphäre zwischen DFB-Teams und Fans zu tun hat.
WM-Boykott kann für Aufmerksamkeit sorgen: Der Ertrag ist jedoch zweifelhaft
Doch wie sieht das ganze jetzt auf sozialer und politischer Ebene aus? Schließlich geht es bei der Thematik ja nur hintergründig darum, wer was will, sondern viel mehr darum, was man wirklich bewegt. Man kann auf jeden Fall sagen, dass ein WM-Boykott des DFB ein starkes Zeichen wäre. So tritt diese WM eigentlich alles in Füße, wofür der Fußball steht oder besser gesagt stehen will. Werte wie Toleranz, Menschlichkeit oder der Satz. "beim Fußball sind alle Menschen gleich", werden ins absurdum geführt. Boykottiert der DFB jedoch im Alleingang, dürfte die Thematik im Sande verlaufen.
So wäre es wesentlich effektiver, wenn sich weitere große Verbände, aus Frankreich, England, Spanien oder Brasilien anschließen würden. Tatsächlich müsste das Spinnennetz so weit gesponnen werden, dass das Event mit einem Wettstreit der besten Fußballnationen nichts mehr zu tun hat. So würde das Turnier an Wert und vor allem an Aufmerksamkeit verlieren. Gerade das Wort "Aufmerksamkeit" ist ein Schlüsselbegriff in der ganzen Angelegenheit. Diese würde man mit einem Boykott definitiv auf sich ziehen. So macht man damit klar, dass man bei solchen Zuständen in einem Land nicht mehr wegsehen wird. Doch was könnte man hiermit erreichen, womit wir beim zweiten Schlüsselbegriff "Veränderung" angekommen wären?
Es wäre zumindest ein Grundstein dafür gesetzt, dass Sportereignisse in Katar wieder auf einen rückläufigen Strom geraten. So dürfte sich auch der Staat im Klaren sein, dass weitere Austragungen dem Land mehr schaden als nutzen, wenn keine Top-Nationen am Start sind und sich auch die TV-Sender mehr und mehr zurückziehen.
Gegner eines Boykottes argumentieren dagegen, dass man mit einer Teilnahme vielmehr als das erreichen könnte. Doch wie würde dies konkret ausschauen? Von Spielern und Trainern wäre nicht viel mehr als das übliche "Gekicke" und das ein oder andere kritische Interview zu erwarten. Wilde Protestaktionen und offene Kämpfe für Menschenrechte würden Aufmerksamkeit generieren, sind aber was die Durchführung betrifft, in einem Land wie Katar eher utopisch.
Katar-Boykott? Der Sport ist als Ganzes gefordert
Alles in allem kann man sagen, dass die Probleme ohnehin zu tief verwurzelt sind. Mit einem Fußballereignis wird man nicht Missstände beseitigen können, die eine Jahrhunderte alte Tradition haben. Die Kraft des Sportes stößt hierbei schlichtweg an seine Grenzen. Man könnte lediglich zeigen, dass man all das nicht mehr mitmachen wird und damit dem Staat und seinen Prinzipien eine kleine Ohrfeige verpassen. Dies wäre also nur der Startpunkt eines Dominospiels, dass scheinbar endlos viele Steine besitzt.
So gilt aber eben das Prinzip "macht an nichts, macht man auch nichts besser". Nach dem ersten Spielstein, müssen jedoch weitere fallen. So ist Katar noch immer tief mit dem europäischen Spitzensport verankert. Man denke nur an große Turniere im Handball, Tennis oder Beachvolleyball. Letztendlich wäre da auch noch der FC Bayern, der aus der Katar-Connection viel Geld herauszieht, aus ethischer Perspektive aber mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Für die FIFA gilt dies ohnehin bereits seit Jahren.