6:0-Auftakt, Popp & Brand stark! Einzelkritik zum Deutschland-Sieg gegen Marokko

Tor und Abwehr

Merle Frohms (Tor): 7/10

Merle Frohms sorgte dafür, dass das deutsche Team beim WM-Auftakt ohne Gegentor aus dem Stadion gehen konnte. Besonders stark war ihre Aktion in der 41. Minute, als die deutsche Abwehr nach einem Konter kalt erwischt wurde und plötzlich Tagnaout ganz alleine auf Frohms zulief. Die deutsche Nummer Eins drängte das marokkanische Top-Talent aber mustergültig ab und verkürzte den Winkel. Ansonsten musste Frohms gegen spritzige Marokkanerinnen stets aufmerksam bleiben, wurde aber selten wirklich gefordert.

Svenja Huth (Rechtsverteidigung): 6/10

Wie auch in den WM-Vorbereitungsspielen startete Svenja Huth in einer für sie ungewöhnlichen Rolle: Die Wolfsburgerin kam nicht als rechte Flügelspielerin oder im offensiven Mittelfeld, sondern als Teil der Abwehrkette zum Einsatz. Martina Voss-Tecklenburg gewährte der 32-Jährigen aber viel Freiheit im Spiel nach vorne, sodass Huth im Ballbesitz eher wie eine Mittelfeldspielerin unterwegs war. Das machte sie mit ihrem Tempo gut, konnte sich mehrmals im Dribbling durchsetzen. Im Laufe des Spiels etwas unauffälliger, aber dennoch mit guter Leistung nach vorne.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Marokko ganz klar ihre rechte Seite als Schwachstelle Deutschlands ausgemacht hat und dort zu mehreren Angriffen, die die DFB-Verteidigung in Bedrängnis brachten, kam. Natürlich ist es von Huth viel verlangt, offensiv präsent und gleichzeitig bei jedem Ballverlust schnell hinten zur Stelle zu sein. Dass sie dabei manchmal zu spät kam, kann man ihr schwer zum Vorwurf machen. Trotzdem wirft es die Frage auf, ob das Huth-Rechtsverteidigungs-Experiment auch gegen starke Teams funktionieren kann.

Kathrin Hendrich (Innenverteidigung): 7/10

Hendrich ist als solide Verteidigerin bekannt, aber ihr bester Moment im Spiel passierte in der gegnerischen Hälfte: In der 12. Minute wurde sie von Brand auf der rechten Seite geschickt und gab eine wunderbare Flanke in die Mitte. Die Verwertung war für Alex Popp reine Formsache - damit hat sich Hendrich die Hälfte der Lorbeeren für dieses so wichtige frühe 1:0 verdient.

Auch danach solide in der Verteidigung, spekulierte wie in der 52. Minute oft richtig auf Abseits. Andererseits war das in manchen Szenen auch riskant - einige Zentimeter weniger, und Deutschland hätte einen Treffer kassiert.

Sara Doorsoun (Innenverteidigung): 6/10

Unter dem Strich war es eine souveräne Leistung des DFB-Teams zum Auftakt. Trotzdem gab es defensiv durchaus Luft nach oben, und die Innenverteidigung aus Hendrich und Doorsoun sah nicht immer komplett sicher aus. Mit Chebbak und Ayane kam Marokko durch Steilpässe einige Male gefährlich nah an den Kasten von Merle Frohms. Doorsoun klärte ein paar Mal stark per Grätsche, kam aber auch manchmal zu spät.

Felicitas Rauch (Linksverteidigung): 7/10

Unauffälliges Spiel von Rauch auf der linken Position der deutschen Viererkette. Wegen des asymmetrischen Systems des DFB-Teams war Rauch als Gegenpart zu Huth deutlich defensiver aufgestellt. Die Wolfsburgerin hatte im Spiel nach vorne wenig Einfluss, aber auf ihrer Seite brannte auch nicht viel an. Gut getretene, scharfe Ecken.

Mittelfeld

Melanie Leupolz (defensives Mittelfeld): 7/10

Dass Lena Oberdorf für das erste WM-Spiel ausfiel, sorgte bei vielen deutschen Fans für Horrorvorstellungen. Schließlich ist Oberdorf mit ihren Grätschen und ihrer Robustheit für die Stabilität des DFB-Teams eine ganz wichtige Spielerin. Melanie Leupolz ist da ein anderer Spieltyp, die mehr über ihr Passspiel kommt. Leupolz machte es in ihrer Rolle vernünftig, brachte Struktur.

Sara Däbritz (zentrales Mittelfeld): 6/10

Sara Däbritz ist im deutschen Mittelfeld gesetzt, was vor allem ihren technischen Fähigkeiten und ihrer Torgefahr geschuldet ist. Die stellte sie in der 34. Minute unter Beweis und brachte den Ball schön im Tor unter - da sie zu früh gestartet war, wurde der Treffer wegen Abseits aber zurückgenommen.

Ansonsten brauchte Däbritz ein wenig Zeit, um sich im MIttelfeld mit Leupolz abzustimmen. Gerade zu Beginn waren die Beiden, früher Teamkolleginnen bei Bayern, oft zu nah beieinander. Danach wurde es besser, auch wenn Däbritz nach vorne trotzdem nicht viel ausrichtete - zumindest durch ihre Pässe, denn mit einem Schuss von ihr ist immer zu rechnen. Fast gelang ihr in der 66. Minute das 5:0, doch sie traf nur den Pfosten.

Lina Magull (offensives MIttelfeld): 5/10

Lina Magulls Stärken liegen in der Offensive: In den Pässen in die Tiefe, den Dribblings in engen Räumen, den Ballmitnahmen. Das sah man auch gegen Marokko, ihre besten Momente hatte die Bayern-Spielerin nach vorne. Andererseits litt sie darunter, dass die Zusammenarbeit im deutschen Mittelfeld-Trio noch nicht zu hundert Prozent stimmte.

Oft ließ sich Magull weit nach hinten, bis kurz vor die Abwehr, fallen. Dort war sie aber wenig effektiv. Unglücklich auch ihre Rolle in der 49. Minute, als sie den Ball für Klara Bühl durchlassen wollte, aber dabei im Abseits stand - der Treffer zählte nicht.

Angriff

Jule Brand (rechter Flügel): 9/10

Jule Brand zeigte bei ihrem WM-Debüt viel Spielwitz, war ständig in Bewegung und hatte auch einige gute Aktionen. Gegen dicht gestaffelte Marokkanerinnen gelangen der Wolfsburgerin nicht alle Dribblings. Wenn sie mal Platz hatte, war Brand aber schwer zu stoppen, und so holte sie auch die Ecke heraus, die zum 2:0 führte.

Brand rannte viel, war da präsent, wo sie benötigt wurde, und spielte konzentriert und ohne Schnickschnack. Zumindest da, wo der Schnickschnack nicht nötig war, denn wenn es passte, verzauberte sie die Fans auch mit ihren Übersteigern. Eine reife Leistung der 20-Jährigen! Nach hinten mit vorbildlichem Einsatz, half Huth viel aus. Eigentlich fehlte nur noch ein Treffer zur Krönung.

Alexandra Popp (Sturmzentrum): 8/10

Alex Popp machte da weiter, wo sie bei der EM aufgehört hatte: Sie traf, und sie traf mit dem Kopf. Ihr Führungstreffer in der 12. Minute war ein klassisches Popp-Tor, wuchtig, nach einer Flanke und gnadenlos die Unsicherheit der Torhüterin ausgenutzt. Und warum nur eins, wenn man auch zwei haben kann? In der 39. Minute setzte sie noch einen drauf, dieses Mal nach einer Ecke und mit toller Athletik.

Bitte nicht nachmachen, denn für Normalsterbliche besteht da wohl erhebliche Verletzungsgefahr. Während andere Favoriten wie Frankreich beste Chancen vergaben, hat Deutschland den Popp-Faktor - in dieser Form Top-Kandidatin auf den Goldenen Schuh für die beste Torjägerin!

Klara Bühl (linker Flügel): 8/10

Klara Bühl brachte viel Schwung auf den linken Flügel: Sie flankte, zog nach innen oder nahm den Ball mit. Mit ihr war die marokkanische Defensive ständig beschäftigt, auch wenn nicht jede Aktion gelang. Trotzdem traf Bühl viele richtige Entscheidungen - genau der Bereich, in dem sie den nächsten Schritt zur Weltklasse machen will. Dann belohnte sie sich direkt nach der Pause auch noch mit einem Tor. Brand und Bühl - die Flügelzange funktionierte gegen Marokko wie geschmiert und könnte auch in späteren Spielen noch zu einer wirkungsvollen Waffe werden.

Eingewechselte Spielerinnen

Lena Lattwein (65. für Leupolz): 7/10

Lena Lattwein machte das, was von Lena Lattwein erwartet wird: Sie spielte unauffällig, aber verlässlich. Lattwein sorgte nicht für das große Ausrufezeichen, aber lief im Mittelfeld viel und war ballsicher.

Nicole Anyomi (65. für Magull): 6/10

Licht und Schatten bei dem WM-Debüt für Anyomi. Nach vorne konnte sie eher wenig ausrichten, verlor zu oft den Ball. Trat außer ihrer gelben Karte wenig in Erscheinung, aber hatte ein, zwei gute Momente, in denen sie sich gut durchsetzte.

Lea Schüller (65. für Bühl): 8/10

Als Ersatz für die überragende Alexandra Popp ist es für sie nicht immer leicht. Aber Schüller fügte sich in ihrer Neuner-Position gut ein und zeigte, dass sie auch zusammen mit der Kapitänin auf dem Platz stehen kann. Die Münchnerin kam zu einigen Möglichkeiten, wäre zum Beispiel nach der Ecke in der 89. Minute zur Stelle gewesen - doch da hatte schon Zineb Redouani den Ball zum 5:0 ins eigene Tor bugsiert. Ihr Tor in der 90. Minute hatte sie sich verdient, und es war für den Spielverlauf nicht mehr sehr wichtig, für ihr Selbstvertrauen vielleicht aber schon.

Laura Freigang (82. für Popp): keine Bewertung

Freigang für Freigang, das forderten viele Fans vor dem Turnier. Die Frankfurterin wurde wieder recht spät eingewechselt, hatte aber eine gute Aktion: Am 6:0 war sie maßgeblich beteiligt, da sie sich rechts durchsetzte und dann mit einem flachen Pass in die Mitte das Tor einleitete.

Chantal Hagel (89. für Rauch): keine Bewertung

Kam trotz der langen Nachspielzeit nicht mehr zu nennenswerten Aktionen.

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