Gefährlicher Trend Platzsturm – Weltmeister Patrick Vieira tritt auf Fan ein
Von Christian Naß
Platzstürme sind in den letzten Wochen groß in Mode gekommen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in England. Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Anmaßungen einiger weniger Fans. Patrick Vieira vom FC Everton hat seine ganz eigene Art, damit umzugehen.
Inmitten eines Platzsturms beim Premier League-Spiel FC Everton gegen Crystal Palace musste sich der Trainer der Eagles seinen Weg zurück in die Kabine bahnen. Fans der Toffees feierten den geschafften Klassenerhalt auf dem Rasen des Goodison Parks teils ausgelassen, teils aggressiv. Dabei näherte sich ein Fan dem Gäste-Coach und provozierte ihn. Unter anderem beschimpfte dieser Fan den Franzosen mit den Worten "Fuck off" und zeigte ihm den Mittelfinger.
Vieira dreht sich daraufhin um und versuchte nach dem Telefon zu greifen, mit dem der Fans alles filmte. Dabei trat der 45-Jährige mit seinem rechten Fuß nach dem Fan. Dieser stürzte daraufhin zu Boden.
Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel schwieg Vieira zu diesem Vorfall: "Ich habe dazu nichts zu sagen.“ Auch Evertons Trainer Frank Lampard zeigte Verständnis. "Ich fühle mit Patrick“, sagte der frühere englische Nationalspieler. "Es war die reine Begeisterung der Fans, die auf den Platz gekommen sind, nachdem wir den Abstieg vermieden hatten“, so Lampard weiter. "Wenn es richtig gemacht wird, lasst sie auf dem Platz bleiben, lasst sie ihren Moment haben. Solange sie sich benehmen, kein Problem."
Platzsturm als Folge der Pandemie?
Aber genau dieses Benehmen ist oftmals nicht vorhanden. Erst vor kurzem wurde ein 30-jähriger Fan von Nottingham Forest wegen Körperverletzung zu 24 Wochen Haft verurteilt. Er hatte während eines Platzsturms nach einem Sieg in den Playoffs zum Aufstieg in die Premier League den Kapitän von Sheffield United, Billy Sharp, heftig attackiert. Sharp, der selbst für Nottingham Forest spielte, wurde von diesem Fan mit einer Kopfnuss niedergestreckt und musste medizinisch versorgt werden.
Dies ist aber längst kein rein englisches Phänomen. In Deutschland gab es in den vergangenen Wochen auch zahlreiche Platzstürme. Nach den Aufstiegen von Schalke 04 und Werder Bremen wollten die Fans mit ihren Helden auf dem Rasen feiern. Sowohl in der Veltins Arena auf Schalke als auch im Weserstadion in Bremen gab es dabei mehrere Verletzte.
Beim letzten Saisonspiel der Schalker in Nürnberg kam es aufgrund der Fanfreundschaft zwischen beiden Vereinen abermals zu einem Platzsturm. Dabei wurde eine Frau von einem Mann mehrfach unsittlich berührt und sexuell belästigt.
In Köln gab es nach einer 0:2 Niederlage gegen Wolfsburg am vorletzten Spieltag ebenfalls einen Platzsturm, da sich der FC trotz des verlorenen Spiels für den europäischen Wettbewerb in der kommenden Saison qualifizieren konnte. Den Spieler war aufgrund der Niederlage aber gar nicht zum Feiern zumute. Trotzdem zerrten einige Fans an Spielern und wollten mit ihnen feiern. Diesen Fans fehlte in ihrer Freude einfach das Feingefühl für die Situation der Spieler.
Zwei Jahre Pandemie haben dafür gesorgt, dass solche Events häufig ausarten. Viele sind durch diese Menschenmassen überfordert und können sich in Anwesenheit anderer nicht mehr richtig benehmen. Der Blick für den Mitmenschen ist dabei genauso auf der Strecke geblieben wie die Hemmung Gewalt auszuüben. Damit gefährden sie Fans nicht nur sich selbst, sondern auch die Spieler, die sich meist noch auf dem Platz befinden. Der Grat zwischen "gemeinsam feiern“ und "vor den Fans in Kabine flüchten“ ist dabei leider sehr schmal. Man sollte bedenken, dass kein Aufstieg oder Titelgewinn weniger schön ist, wenn man ihn "nur“ von der Tribüne auf bejubelt und feiert.