Personalsorgen bei Bayer Leverkusen: Wo bleibt der eigene Nachwuchs?

Leverkusens Verletzungsmisere fordert die Werkself zum Umbau
Leverkusens Verletzungsmisere fordert die Werkself zum Umbau / MARTIN MEISSNER/Getty Images
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Höchstwahrscheinlich hat sich der Begriff 'Länderspielpause' in Leverkusen schon zum Unwort des Jahres gemausert (nach Corona natürlich). Abermals verletzte sich ein Profi der Werkself während eines Länderspieles schwer, nach Kolumbiens Santiago Arias traf es vergangene Woche den Argentinier Exequiel Palacios. Bayer 04 muss diese Ausfälle nun kompensieren - Hilfe aus der eigenen Jugend ist dabei wohl nicht zu erwarten.

Verletzungen sind natürlich nie eine gute Sache, doch während eines Länderspiels sind sie besonders bitter. Der Stammverein muss nun schauen, wo er ohne den ausfallenden Profi bleibt, obwohl er grundsätzlich kaum etwas mit der Verletzung zu tun hat. Da zurzeit aufgrund des engen Terminplans die Spielerbelastung sowieso schon enorm ist, erklärt sich die wachsende Abneigung gegenüber den Länderspielpausen von selbst.

Wie lange kann Leverkusen die Ausfälle noch kompensieren?

Bayer Leverkusen muss nun in den sauren Apfel beißen. Nach Neuzugang Arias fehlt nun auch Mittelfeldtalent Palacios mehrere Monate, nachdem er im Spiel gegen Paraguay rüde gefoult wurde. Zwar war der 21-Jährige bei der Werkself zuletzt nicht immer erste Wahl, allerdings waren deutliche Fortschritte bei Palacios zu sehen.

Die Werkself muss nun auf seinen zweikampfstarken Mittelfeldspieler verzichten - und das könnte zu Problemen führen. Zwar meldete sich Kapitän und Mittelfeldspezialist Charles Aranguiz zuletzt nach Achillesversenproblemen wieder zurück, doch noch ist fraglich, wie der Chilene auf die kommende hohe Belastung reagiert. In den vergangenen Bundesligaspielen wurde Aranguiz von Julian Baumgartlinger vertreten, der seine Sache durchaus zuverlässig machte. Doch was, wenn einer der beiden nun auch noch ausfällt?

Baungartlinger ist einer der zwei übrigens defensiven Mittelfeldspieler
Baungartlinger ist einer der zwei übrigens defensiven Mittelfeldspieler / DeFodi Images/Getty Images

Das könnte die Werkself vor einige Probleme stellen, da man mit nur einem defensiven Mittelfeldspieler wohl kaum die anstrengende Dreifachbelastung packen wird. Die übrigen Alternativen, etwa Kerem Demirbay oder Lars Bender, haben entweder nicht die Qualität für diese Position (Demirbay ist kein Sechser) oder werden anderswo gebraucht (Bender ist Rechtsverteidiger).

Der Kurtekotten läuft seinem Ruf hinterher

Vertraut man der Fußballromantik, wäre dies eine Situation, in welcher der Verein aus dem Nichts ein Talent aus der eigenen Jugend herzaubert, das zumindest übergangsweise die Personalprobleme im Team lockern kann. Nicht selten erweisen sich Notsituationen zu wahren Startschüssen der Talentausbildung. Aktuelle Beispiele sind dafür der FC Schalke 04 oder auch der 1. FC Köln, die zwar sportlich ihren Zielen hinterherlaufen, ihrer Jugendakademie allerdings wieder mehr Beachtung schenken.

Auch die Werkself rühmt sich als eine der besten Talentschmieden der Bundesliga. Vom einstigen guten Ruf des Jugendfußballzentrums Kurtekotten ist allerdings nur noch wenig übrig, mit Kai Havertz verließ im vergangenen Sommer das letzte und wohl prominenteste Eigengewächs den Klub. Nun sucht man im Profikader vergebens nach dem nächsten Talent. Zur Erinnerung: Der erst 17-jährige Florian Wirtz kam erst im Winder 2020 aus Köln...

Das letzte und größte Leverkusener Talent: Kai Havertz
Das letzte und größte Leverkusener Talent: Kai Havertz / TF-Images/Getty Images

Auf kurz oder lang könnte Leverkusens fehlende Jugendausbildung zum Verhängnis werden. Zwar spielen die vereinseigenen U-Mannschaften durchaus hochklassig, doch zuletzt schaffte kein Nachwuchs den nachhaltigen Sprung in den Profikader. Stattdessen wurden für viel Geld Talente aus dem Ausland geholt. Diese Investitionen können sich lohnen (Diaby, Tapsoba, wohl auch Palacios), doch oft bleiben sie auch nur leere Versprechungen (Retsos, Jedvaj).

Einmal mehr zeigt sich in der aktuellen Situation, dass das Fundament für Konstanz und Erfolg nicht nur im internationalen Scouting liegt. Ohne eine zielgerichtete Ausbildung von Talenten schadet sich Leverkusen wohl auf Dauer selbst, denn der 'Handel' mit Talenten hat durchaus seine finanziellen Vorteile (der FC Chelsea überwies für Kai Havertz stattliche 80 Millionen Euro).

Für die Werkself würde sich die Intensivierung der Jugendschmiede also gleich doppelt lohnen. Zunächst hätte man bei akuten Personalsorgen zusätzliche Optionen im Verein, die den Profikader entlasten. Und noch viel wichtiger: Das Risiko, viel Geld für wenig Ertrag aus dem Fenster zu schleudern, ist bei eigens ausgebildeten Talenten wesentlich geringer.