O Rei wird 80 - Feliz aniversario, Pelé!
Von Guido Müller
Es muss irgendwann Ende der Siebzigerjahre gewesen sein, als ich aus dem Munde meines Vaters (vielleicht war es auch mein älterer Bruder) den Namen Pelé hörte. Wer das denn sei, fragte ich. Und erhielt nur die kurze Antwort: der Beste von allen. Tja, und der feiert heute, gute vierzig Jahre später, seinen 80. Geburtstag.
Dabei dachte ich zu jener Zeit, dass Franz Beckenbauer der Beste war. Oder Gerd Müller. Die hatte ich zwar auch nicht selber spielen sehen, doch waren sie mir schon aufgrund der logischen geographischen Nähe geläufiger als dieser mysteriöse Pelé aus dem fernen Brasilien.
Bewusst erlebt habe ich den angeblich Besten also nicht. Die Ungnade der späten Geburt. Mein Bruder machte sich immer einen Spaß draus, mir möglichst plastisch darzustellen, was ich denn alles im Fußball (und nicht nur dort) verpasst hätte, im Vergleich zu ihm, und schaffte es jedes Mal, mich damit zur Weißglut zu bringen.
Ein Geist in Büchern
Vor allem sprach er dann immer von der Weltmeisterschaft in Mexiko 1970. Die Krönung für Pelé, wie ich später aus den entsprechenden Büchern, die die familiäre Bibliothek schon damals zu einem Großteil füllten, lernen sollte. Und so blieb Pelé, mit bürgerlichem Namen Edson Arantes do Nascimiento, ein Phantom, ein guter Geist, eingeschlossen in Bildbänden und Chroniken. Doch auch die lebendigste literarische Schilderung kann natürlich nicht annähernd die Dynamik eines Dribblings, die Wucht eines Schusses oder die Kraft eines Kopfballs beschreiben.
All das sah ich von Pelé erst viel, viel später. Als Fernsehprogramme begannen, sich der Faszination, die der Fußballsport, auch aus älteren Epochen, auf die Leute ausübte, bewusst zu werden. Und so gab es dann schon mal hier und da ein paar Konserven aus den Archivmaterialien. Und so sah auch ich eines Tages Pelés wundersamen Treffer gegen die Schweden im WM-Finale 1958.
Schweden 1958 - die Geburtsstunde eines Weltstars
Sah, wie ein gerade mal 17-Jähriger sich im Strafraum mit fast schon anmaßender Leichtigkeit an einem großgewachsenen blonden Abwehrrecken vorbeischlängelte, und sich dessen Kollegen mit einem sombrero (also einem Lupfer über ihn hinweg) entledigte, um den Ball dann, noch bevor er den Boden erreichen konnte, volley in die Maschen zu donnern.
Wie alt war der Junge damals gleich noch mal? Keine 18. Genug Lebenszeit vor sich, um noch zweimal die höchsten Höhen, die ein Fußballer erklimmen kann, zu erreichen. Dem Titel 1958 folgten die von 1962 (wobei er in diesem in Chile veranstalteten Turnier mehr verletzt am Boden lag als Tore zu erzielen oder seine Mitspieler einzusetzen) und 1970.
Letztere wird bis heute als schönste Weltmeisterschaft aller Zeiten bezeichnet. Ein farbenfrohes Fest bei lebensfreudigen Gastgebern. Die deutsche Nationalmannschaft befand sich im Stadium der Keimung und sollte sich innerhalb der folgenden vier Jahren zu einer fast unschlagbaren Maschine entwickeln. Doch jene Sommerwochen im Jahr 1970 bildeten den Höhepunkt der Karriere von Pelé.
Mexiko 1970 - die Krönung des Königs
Nach den schrecklichen Erfahrungen der Weltmeisterschaft vier Jahre zuvor, in England, in denen die Gegner Brasiliens es vor allem auf die Knochen Pelés abgesehen hatten und den Superstar, der er damals schon war, quasi aus dem Turnier knüppelten, hatte sich der Trainer der Canarinha, Joao Saldanha, ein neues System zurechtgelegt.
Pelé sollte in diesem etwas zurückgezogen agieren. Quasi die Rolle interpretieren, die man später als hängende Spitze beschreiben sollte. Und das Experiment, wenn man angesichts der Klasse des Spielers überhaupt von einem solchen sprechen kann, glückte. Mehr als das. Nie zuvor und nie danach spazierte eine Nationalmannschaft derart leichtfüßig durch eine Weltmeisterschaft wie die seleçao 1970. Kommandiert vom größten unter ihnen. Vom König des Fußballs. Von O Rei.
Saldanha konnte die Früchte seiner Arbeit zwar nicht mehr einfahren, weil er es in dem diktatorisch geführten Brasilien gewagt hatte, laute Kritik am quasi-faschistischen System zu üben und deshalb zwei Monate vor dem Turnier seinen Hut nehmen musste. Der für ihn einspringende Mario Zagallo tat gut daran, die Ideen seines Vorgängers unangetastet zu lassen.
Bilder aus dem Archiv
Dank der entsprechenden technologischen Entwicklungen (die Gnade der späten Geburt), angefangen von VHS über DVD bis Youtube, konnte ich mittlerweile einige der - der Legende nach - mehr als 1200 Tore Pelés bestaunen. Oder auch ein paar seiner schönsten Pässe oder Dribblings. Konnte ihn ausschnittsweise, mit einem langhaarigen Franz Beckenbauer bei Cosmos New York kombinierend, bewundern. Und mit jeder Szene, mit jedem Tor, mit jedem Pass wurde mir klarer, warum man ihn den Besten von allen nannte.
Die Stars meiner Epoche waren Maradona, van Basten, Platini, Ronaldo, Zizou, Cristiano Ronaldo und Messi. Keiner wird seine Karriere mit drei Weltmeistertiteln beenden. Und deshalb wird meine Epoche vielleicht so enden, wie sie begann: mit Pelé als dann immer noch Bestem aller Zeiten. Bis dahin: alles Gute, Pelé, und auf die nächsten achtzig. Muitos parabéns, Rei!