Nimm die Bubis mit zur EM, Jogi!
Von Guido Müller
Nach Jamal Musialas Ankündigung, künftig das Trikot der deutschen Nationalmannschaft (anstelle des der englischen) tragen zu wollen, hat auch Bundestrainer Jogi Löw die Entscheidung des seit heute Volljährigen (Glückwunsch von dieser Stelle!) mit Freude begrüßt.
Adler oder Three Lions auf der Brust? Nach einiger Bedenkzeit hat sich Musiala nun für das weiße Jersey des DFB entschieden. "Am Ende habe ich einfach auf mein Gefühl gehört", erklärte der Offensivspieler seine Wahl. "Und diese Entscheidung fühlt sich nun auch 100 Prozent richtig an."
Und es könnte auch schon in knapp vier Wochen losgehen mit den ersten Einsätzen im DFB-Team. "Ich denke schon, dass wir ihn nun im März auch in unseren Kader berufen werden, zumal dieser aufgrund von drei anstehenden Länderspielen innerhalb weniger Tage wieder tendenziell größer sein wird", gab Löw gegenüber dem kicker einen vorzeitigen Einblick in seine Planungen für den Triple-Header gegen Island, Rumänien und Nordmazedonien rund um das letzte März-Wochenende.
Jetzt könnte man sagen: wer A (wie Musiala) sagt, muss auch B (wie Wirtz und Moukoko) sagen. Und zwar nicht nur im Hinblick auf die drei Qualifikationsspiele für die WM 2022 in Katar, sondern auch auf die im Sommer stattfindende Europameisterschaft EURO 2020.
Es gibt kein jung oder alt - sondern nur gut oder schlecht!
Ja, ich kenne die Sprüche von wegen der Mischung, die es macht, oder dass du nur mit Talenten kein großes Turnier gewinnst. Aber in einem 21-köpfigen Aufgebot drei Spieler zu haben, die zu diesem Zeitpunkt 18 (Wirtz und Musiala) bzw. 16 Jahre alt (Moukoko) sein werden, ist nach meinem Dafürhalten ein überschaubares "Risiko".
Und was heißt schon Risiko? Sollte es nicht immer nach dem Leistungsprinzip gehen? Sollte somit die Frage nach dem Alter nicht eher zweitrangig sein? Ein Otto Rehhagel trug seinerzeit wie ein Mantra den Satz "Ich kenne keine alten oder jungen, sondern nur gute und schlechte Spieler" vor sich her.
Freilich war es bei Rehhagel mehr auf die älteren Spieler gemünzt, für deren Auswahl sich Rehhagel den Medien gegenüber bisweilen rechtfertigen zu müssen glaubte.
Nun, blicken wir auf die Leistungsbilanz des Trios, sehen wir, dass alle drei das ihnen in ihren Klubs entgegengebrachte Vertrauen schon gerechtfertigt haben. Jeder auf seine Art.
Die Leistungen von Youssoufa Moukoko, dem Jüngsten im Bunde, sind dabei die sporadischsten, was aber auch an seinem immer noch extrem jugendlichen Alter liegt (Moukoko wurde schließlich erst im vergangenen November 16) und an der hohen Qualität im Sturm der Borussen.
Trotzdem konnte Moukoko in seinen 360 Spielminuten in der Bundesliga schon 2 Treffer erzielen. Pfosten und Latte verhinderten eine höhere Ausbeute.
Eine auch dem unterschiedlichen Reifegrad geschuldete leicht bessere Bilanz kann Musiala aufweisen, der im Gegenzug zu Moukoko auch eher kein Neuner, sondern mehr Außenstürmer oder Spielgestalter ist. Das Bayern-Talent kam in dieser Saison auf 407 Spielminuten in der Liga und konnte dabei drei Treffer erzielen.
Gegenüber den 180 Minuten, die Moukoko für einen Treffer benötigt, stehen bei Musiala deren 136. Beide Werte wären übrigens auch für schon mit mehr Routine versehene Angreifer mehr als passable Leistungsnachweise.
Weit vor Musiala und Moukoko rangiert Florian Wirtz in seiner Entwicklung bei Bayer Leverkusen. Der 17-Jährige (wird im Mai 18) hat es geschafft, dass sich rund um die BayArena kaum noch einer an Kai Havertz erinnert.
Unter Peter Bosz ist Wirtz mittlerweile ein Stammspieler und kommt im Liga-Betrieb auf stattliche 1.560 Spielminuten, verteilt auf 19 Spiele. Dabei gelangen dem offensiven Mittelfeldspieler starke 9 Scorerpunkte (vier eigene Treffer, fünf Assists).
Brandt, Reus und Draxler raus - Wirtz, Musiala und Moukoko rein!
Wenn ich mir das bisherige Personal unserer deutschen Nationalmannschaft in den letzten zwei Jahren anschaue, erkenne ich nicht, wo ein Wirtz ein down-grade gegenüber einem schon seit Längerem aus der Form befindlichen Julian Brandt darstellt. Oder gegenüber einem Marco Reus.
Und einen Julian Draxler, der bei PSG zwar ein fürstliches Gehalt, aber kaum Einsatzzeiten bekommt, kann ein Moukoko sowieso ersetzen. Zudem würde der 16-Jährige ein seiner Jugend geschuldetes Plus an Unberechenbarkeit mitbringen.
Wie gesagt: einfach mal den Mut haben. Dass es mit einer konservativen Kaderzusammenstellung (und dem Festhalten an den in der Vergangenheit bewährten Kräften) auch komplett in die Hose gehen kann, haben wir ja zuletzt in Russland leidvoll erfahren müssen.
Ich würde sogar sagen: der Frust, sollte auch eine extrem verjüngte DFB-Mannschaft nicht über das Achtel- oder Viertelfinale hinauskommen, würde sich hierzulande in weitaus kleinerem Rahmen halten, als vor drei Jahren. Der Jugend gehört die Zukunft, heißt es. Doch manchmal kann man ihr auch schon die Gegenwart anvertrauen.