"Niklas Süle 2.0" über mentale Probleme und den "intensivsten Sommer meines Lebens"
Von Simon Zimmermann
Als Borussia Dortmund im Sommer 2022 Niklas Süle ablösefrei vom FC Bayern verpflichtete, wurde der Transfer im schwarzgelben Lager gefeiert. Mit dem Innenverteidiger verpflichtet man den neuen und unangefochtenen Abwehrchef vom größten Konkurrenten, so die Hoffnung.
Diesen Erwartungen konnte Süle beim BVB bislang aber nicht gerecht werden. Im Gegenteil: Nach einem eher durchwachsenen ersten Jahr inklusive verpasster Meisterschaft am letzten Spieltag folgte eine ziemlich katastrophale zweite Saison von Süle im BVB-Trikot.
"Ich hatte es nicht verdient, von Julian Nagelsmann für die EM nominiert zu werden."
- Niklas Süle, Sport1
Der 28-Jährige bestritt zwar 31 Pflichtspiele, fand sich aber immer häufiger auf der Bank wieder. In der heißen Saison-Schlussphase, als es der BVB bis ins Champions-League-Finale schaffte, machte Süle mit Trainingsbildern negativ aufmerksam, auf denen sein Übergewicht deutlich zu sehen war. Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Diskussionen über Süles Fitnesszustand.
"Neuzugang" Süle über den "intensivsten Sommer meines Lebens"
Vor dem Start in die neue Saison hat der 49-fache Nationalspieler, der im Sommer nicht im deutschen EM-Kader stand, bemerkenswert offen über seine Situation gesprochen. "Ich hatte es nicht verdient, von Julian Nagelsmann für die EM nominiert zu werden. Die Entscheidung ist vollkommen verständlich und daran gibt es überhaupt nichts auszusetzen", sagte er im Gespräch mit Sport1 etwa.
Süle scheint den Sommer tatsächlich dafür genutzt zu haben, sich selbst zu hinterfragen. Dafür, dass es zuletzt nicht wirklich gut für ihn lief, macht er alleine sich selbst verantwortlich. "Das war der wahrscheinlich intensivste Sommer meines Lebens. Aber er war auch dringend erforderlich, nach einem Jahr, mit dem ich persönlich überhaupt nicht zufrieden sein konnte, in dem ich weit hinter meinen Erwartungen geblieben bin", bilanzierte er.
"Ich bin mit dem Ziel in diese Sommerpause gegangen, so etwas wie einen Niklas Süle 2.0 zu kreieren."
- Niklas Süle, Sport1
Damit es wieder bergauf geht, hat Süle den Sommer genutzt, um an seinen mentalen Problemen, aber auch an seinem körperlichen Zustand zu arbeiten. Sichtbar war das schon zu Beginn der Sommer-Vorbereitung. In Dortmund frohlockte man schon über einen weiteren "Neuzugang". Süle nahm sichtlich ab und wirkte fitter.
"Ich wollte, aber konnte nicht"
Darüber, warum er es so zuvor soweit kommen ließ, sprach der BVB-Verteidiger auch: "Ich habe es mental einfach nicht geschafft, die richtigen Dinge zu tun. Ich habe es selbst nicht mehr hinbekommen, mich zu motivieren. Ich wollte, aber konnte nicht." Dabei bezogen sich seine mentalen Probleme aber einzig auf den Sport. "Es ging mir privat zum Glück total gut. Da war und ist alles in bester Ordnung. Ich habe dann ganz viele, wichtige Gespräche geführt und mir auch Hilfe geholt", so Süle weiter, der nach eigener Aussage "seit längerer Zeit mit einem Mentaltrainer" zusammenarbeite. Dessen Input sei "Gold wert". Geholfen hätten ihm aber auch private Köche, um sich wieder gesünder zu ernähren.
Diese internen und externen Einflüsse ergaben einen Vorsatz, den Süle im Sommer mit harter Arbeit verfolgte: "Ich bin mit dem Ziel in diese Sommerpause gegangen, so etwas wie einen Niklas Süle 2.0 zu kreieren. Jetzt bin ich mental in einer Verfassung, in der ich lange nicht war. Ich bin mental und körperlich in einer Verfassung, in der ich wieder so richtig angreifen kann."
Wie intensiv sein Sommer war, erklärte Süle auch: "Es war sehr hart. Es hat sich nicht einen Tag wie Urlaub angefühlt, aber wenn ich sehe, wie es mir jetzt geht, dann macht mich das glücklich und auch stolz. Fußball spielt sich zu so großen Teilen im Kopf ab, man benötigt eine enorme mentale Stärke. Ich habe für diese Erkenntnis vielleicht etwas lange gebraucht, aber jetzt bin ich froh, dass ich den Weg eingeschlagen habe. Ich bin gerade sehr glücklich, wie es ist"
"Ich will dieses Jahr Meister werden!"
Geholfen habe ihm auch ein Gespräch mit seinem Berater Volker Struth und Hans-Joachim Watzke. "Ein ganz wichtiges und gutes Gespräch. Sehr wertschätzend und vertraulich", hielt Süle fest. Dabei habe man sich offen und ehrlich die Meinung gesagt und sich auch gegenseitig zugehört. Am Ende stand für Süle die Erkenntnis: "Ich habe eine Zeit lange gebraucht, um zu verstehen, dass ich das für niemand anderes mache, sondern alles nur für mich."
"Ich will dieses Jahr Meister werden! Das steht bei meinen sportlichen Zielen ganz oben."
- Niklas Süle, Sport1
Auch der neue BVB-Chefcoach Nuri Sahin habe ihm sehr geholfen. "Er wurde sehr schnell zu meinem Ansprechpartner", so Süle. Nachtreten gegen Ex-Trainer Edin Terzic wolle er aber nicht. "Es ist egal, wie der Trainer hieß: An meiner Situation im letzten Jahr war nur ich schuld", hielt er fest.
"Süle 2.0" will nun wieder große Ziele verfolgen. Das größte: die Meisterschaft mit dem BVB. "Dazu müssen wir verinnerlichen, dass wir gut genug sind. Wir haben das vor zwei Jahren bewiesen. Und nicht mal da hatten wir unsere beste Saison. Wir brauchen einfach auch eine gewisse Mentalität", meinte er. "Ich will dieses Jahr Meister werden! Das steht bei meinen sportlichen Zielen ganz oben."