Nations League der Frauen: Gewinner und Verlierer der Gruppenphase
Von Helene Altgelt
Die erste Gruppenphase der Nations League der Frauen ist vorbei. Vier Teams haben sich für das Halbfinale qualifiziert: Deutschland, Spanien, Frankreich und die Niederlande. Das sind die Gewinner und Verlierer der Gruppenphase.
Gewinner: Niederlande
Eigentlich war England der klare Favorit in Gruppe 1: Die Lionesses als Europa- und Vizeweltmeisterinnen gehörten zu den Topkandidatinnen für die Olympia-Qualifikation. Die Niederlande dagegen spielen seit dem Abgang von Sarina Wiegman nicht mehr ganz oben mit - und haben trotzdem nun das Ticket für das Halbfinale gelöst.
Unter Andries Jonker zeigt die Formkurve der Niederlande wieder nach oben. Bei der WM schieden sie im Viertelfinale gegen die späteren Weltmeisterinnen aus Spanien aus, gegen die USA spielten sie zuvor hochverdient Unentschieden. Und all das, obwohl Toptorjägerin Vivianne Miedema erst in den letzten Spielen wieder eingreifen konnte.
Allerdings profitierten die Niederlande auch von der Schwäche von England. Die Lionesses erleben einen Post-Turnier-Blues, wirken müde - erst in den letzten zwei Spielen wachte England auf. So konnten sich die Niederlande auch zwei Niederlagen erlauben, darunter eine gegen den Nachbarn Belgien.
Trotzdem haben die Niederlande zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder einen kohärenten Spielplan und zeigen, dass sie weiter oben mitspielen können. Gegen England konnten sie einmal gewinnen und führten beim Rückspiel zur Halbzeit mit 2:0. Das Spiel dann noch zu verlieren, war eine bittere Lehrstunde für die Oranje Leeuwinnen, aber nicht jeder spielt England zunächst im Wembley-Stadion an die Wand. Der Tor-Krimi am letzten Spieltag war ein passender Abschluss einer mitreißenden Gruppenphase.
Gewinner: Belgien
Gruppe 1 schien klar in zwei Gruppen eingeteilt: Die potenziellen Halbfinalisten, England und die Niederlande - und die potenziellen Absteiger, Belgien und Schottland. Belgien hatte aber andere Pläne und durfte sich lange Hoffnungen auf das Halbfinale machen.
Die Red Flames zündeten besonders in der Schlussphase: Gegen die Niederlande und England hielt Belgien zuhause lange gut mit und schoss dann in den letzten Minuten sogar das Siegtor. Zwei Überraschungscoups für die Elf von Ives Serneels, der bereits seit 2011 Trainer von Belgien ist.
Wie so oft bei den Überraschungsteams lief es dann in den Must-Win-Spielen weniger gut als gegen die großen Gegner. Gegen Schottland kam Belgien nur zu zwei Unentschieden - zu wenig, um an die Spitze zu springen. Dennoch macht die Leistung Hoffnung für die Zukunft, mit gut gefahrenen Kontern kann Belgien viele Teams ärgern. Jetzt geht es, trotz der überwiegend guten Leistungen, aber erstmal in die Play-Offs gegen den Abstieg.
Gewinner: Frankreich
Bei Frankreich klappt es ohne Druck einfach am besten. Das hat sich in den letzten Jahren schon oft gezeigt: Les Bleues glänzten in Vorbereitungsspielen und in der Gruppenphase, aber in den K.o.-Spielen konnte Frankreich selten das Topniveau abrufen. So war es bei der letzten EM und WM - aber genau das soll beim Heim-Olympia 2024 nicht passieren.
Mit der starken Gruppenphase konnte Frankreich schonmal Selbstvertrauen tanken - ohne Druck, denn das Team von Hervé Renard ist als Gastgeber bereits für die Olympischen Spiele qualifiziert. So marschierte Frankreich ungeschlagen durch die Gruppenphase, nur zwei Punkte gegen Norwegen mussten sie abgeben.
In den Spielen zeigte sich wieder einmal, wie unglaublich es eigentlich ist, dass dieses Team noch keinen großen Titel gewonnen hat - und in den letzten Jahren noch nicht einmal im Finale stand. Denn mit Diani, Katoto und Le Sommer hat Frankreich eine unglaubliche Offensive. Das wird vor aber vor jedem großen Turnier geschrieben - bei Olympia 2024 wird der Druck nochmal größer sein als sonst. Dort wird sich zeigen, ob die starken Leistungen ein Zeichen der wirklichen Weiterentwicklung sind, oder ob Frankreich weiterhin in den alten Mustern festhängt.
Verlierer: Das United Kingdom
Drei Teams aus dem United Kingdom waren in der Nations League vertreten, für keins davon lief es gut: Schottland und Wales müssen sieglos in die Liga B absteigen, beide hatten keine wirkliche Chance in ihren Gruppen.
England scheiterte haarknapp, ein Tor mehr hätte es gegen Schottland am letzten Spieltag gebraucht - die Quali verspielten die Lionesses aber nicht mit dem 6:0, sondern mit den Niederlagen gegen die Niederlande und Belgien. Für Diskussionen sorgte außerdem auch, dass England und Schottland in einer Gruppe landeten, obwohl beide zum Team GB bei den Olympischen Spielen gehören.
Verlierer: Schweden
Die Erfolge von Schweden in den letzten Jahren bilden eine ziemlich perfekte Kurve: Ab 2016 ging es aufwärts, zunächst gab es Olympia-Silber, dann Platz 3 bei der WM 2019. Den Höhepunkt erreichte die spielerische Entwicklung der goldenen Generation um Rolfö, Eriksson und Ilestedt mit Olympia 2021. Schweden war das überrragende Team des Turniers, doch die Goldmedaille blieb ihnen nach einem dramatischen Elfmeterschießen gegen Kanada verwehrt.
Seitdem scheint die Entwicklung von Schweden zu stagnieren - und wer stagniert, wird überholt. Bei der EM 2022 und der WM dieses Jahr konnten sich die Schwedinnen weiterhin auf ihre starke Defensive verlassen. Aber viele Teams kennen ihre Spielweise inzwischen in- und auswendig, oft wirkt die Elf von Gerhardsson behäbig.
Dieser Eindruck bestätigte sich auch in der Nations League. In der Gruppe 4 hatte Schweden im Kampf um den Gruppensieg gegenüber Spanien keine Chance. Die harmlosen Schweizerinnen bezwungen sie nur mit 1:0, das zweite Spiel gegen die Nati ging sogar verloren. Auch gegen Italien schossen sie pro Spiel nur ein Tor. Die Konsequenz aus dieser Torflaute: Schweden wird das erste Mal überhaupt nicht bei Olympia dabei sein. Jetzt braucht es eine neue Entwicklungskurve für die Skandinavierinnen - Schweden muss sogar in die Abstiegs-Playoffs.
Verlierer: Schweiz
Das Experiment Inka Grings ist krachend gescheitert, das musste auch der Schweizer Fußballverband nach einigen desaströsen Nations-League erkennen. Lange hatte der SFV an der Trainerin festgehalten - trotz einer schwachen WM und insgesamt fehlender Weiterentwicklung. Fast sieglos war die Schweiz unter Grings zum Zeitpunkt der Entlassung gewesen, nur gegen die Philippinen gelang ein Erfolg.
Der eigentliche Verlierer ist mehr der Fußballverband als das Team, denn der SFV hätte schon nach der WM erkennen müssen, dass Grings nicht die Richtige ist, um die Elf in die Heim-EM 2025 zu führen. Oder spätestens nach dem Zerwürfnis mit den besten Spielerinnen, wie Ana-Maria Crnogorcevic.
Stattdessen zauderte der Verband lange. Erst, nachdem auch Vorwürfe der Gehaltsveruntreuung zu ihrer Zeit beim SV Straelen publik wurden, entschloss sich der SFV zur Trennung. Eigentlich wollte der Verband mit Grings mindestens bis zum Frühling weitermachen.
Dabei hätte es auch schon allerhand sportliche Gründe für das Grings-Aus gegeben, allen voran die zwei heftigen Klatschen gegen Spanien (0:5 und 1:7). Die Spielerinnen waren sichtlich demoralisiert - die Trennung nun überfällig. Im ersten Spiel ohne Grings gelang prompt ein 1:0 gegen Schweden, das ist immerhin ein Hoffnungsschimmer für die Nati.
Verlierer: Norwegen
Norwegen ist das ewige Sorgenkind. Egal unter welchem Trainer, egal bei welchem Wettbewerb, die Skandinavierinnen scheinen immer unter ihren Möglichkeiten zu bleiben. Und das so konstant, dass man sich oft fragt: Sind die Möglichkeiten vielleicht doch nicht so groß wie gedacht, sind eigentlich die überhöhten Erwartungen das Problem?
Teilweise schon - bei kaum einem Team ist die Diskrepanz zwischen Qualität in der Defensive und Qualität in der Offensive so groß. Vorne stürmen mit Caroline Graham Hansen, Ada Hegerberg und Guro Reiten drei der besten Offensivspielerinnen der Welt, hinten wird es recht schnell dünn. Und trotzdem ist Norwegen längst nicht so torgefährlich, wie sie es sein könnten.
In der Nations League schwebte die Elf von Hege Riise lange in Abstiegsgefahr. Nur zwei Punkte sammelten sie bis zum fünften Spieltag, dann lösten die Norwegerinnen ihr Versprechen mit einem 4:0 gegen Portugal endlich ein. Das reichte für den dritten Platz und damit die Playoffs gegen den Abstieg. Norwegen wird vermutlich in der ersten Liga bleiben - aber von der Weltspitze weit entfernt.