Nagelsmann setzt aufs "Alte Eisen" - Ist der Bayern-Coach eine Entwicklungsbremse?
Von Dominik Hager
Julian Nagelsmann hat beim FC Bayern wahrlich keinen leichten Job. Der Erfolgsdruck ist gigantisch und der Kader strotzt nur so vor starken Spielern. Da ist es gar nicht so leicht, junge Spieler einzubauen. Dennoch muss man sich die Frage stellen, ob Nagelsmann zu wenig auf die Talente setzt und die Entwicklung dieser zu wenig vorantreibt.
Aktuell ist Jamal Musiala der einzige Bayern-Youngster, der den Sprung in die Stammelf geschafft hat. Dabei sei jedoch auch angemerkt, dass am jungen deutschen Nationalspieler aktuell überhaupt kein Weg vorbeiführt. Immerhin ist er der wahrscheinlich stärkste Bayern-Spieler der laufenden Saison. In der vergangenen Saison sah es da schon ein wenig anders aus. Insbesondere in der Hinrunde musste sich Nagelsmann ordentlich Gegenwind von einigen Seiten anhören, weil er Musiala so selten brachte. Es kommt nicht von ungefähr, dass zuletzt Gerüchte aufkamen, dass in der Kabine Verwunderung darüber herrscht, dass die jungen Spieler so selten gebracht werden.
Tel und Gravenberch erhalten kaum Einsatzzeit
Es war wieder mal bezeichnend, dass Julian Nagelsmann gegen Bayer 04 Leverkusen beim Stande von 3:0 nicht Mathys Tel, sondern Eric Maxim Choupo-Moting einwechselte. Eine Rechtfertigung gibt es dafür nicht wirklich. Der Kameruner ist seit seiner Leistenverletzung noch nicht in Form gekommen und hat bei seinen Joker-Einsätzen bislang nicht überzeugt. Bei Mathys Tel sieht die Bilanz schon anders aus.
Der 17-Jährige spielte bislang zweimal von Beginn an und erzielte in beiden Partien (gegen Viktoria Köln und Stuttgart) einen Treffer. Seit dem Stuttgart-Spiel wurde er jedoch nur noch für wenige Minuten gegen Barcelona eingewechselt und blieb in der Liga gegen Augsburg und Leverkusen ohne Einsatzminute. Das Leistungsprinzip müsste jedoch klar für Tel und gegen Choupo-Moting sprechen. Zudem ist der Franzose erst halb so alt und soll die Zukunft des Vereins prägen. Ob Tel aber ein Weltklasse-Stürmer wird, wenn man ihm Choupo-Moting vor die Nase setzt, darf bezweifelt werden. Der Kameruner mag in der Kabine angesehen und wichtig sein, auf dem Feld hat er derzeit aber kaum eine Rechtfertigung.
Für Ryan Gravenberch lief es gegen Leverkusen nicht viel besser. Während der gerade erst aus der Quarantäne zurückgekehrte Leon Goretzka immerhin knapp 30 Minuten absolvieren durfte, musste Gravenberch bis zur 81. Minute auf seinen Einsatz warten. Seit Wochen kommt der Holländer kaum zum Zuge. So waren es zuletzt gegen Stuttgart und Leverkusen jeweils neun Minuten, gegen Barcelona zehn Minuten und gegen Augsburg null Minuten Einsatzzeit. Dabei hat auch Gravenberch bei seinem einzigen Einsatz von Beginn an gegen Viktoria Köln glänzen können. Zudem sagt man dem Holländer nach, dass er im Training sehr stark ist. Kimmich bezeichnete ihn im Sommer sogar als den “überzeugendsten Neuzugang“. Gravenberch erklärte kürzlich selbst, über seine Einsatzzeit enttäuscht zu sein.
Man darf gespannt sein, ob Nagelsmann in der Champions League gegen Pilsen mal kräftiger rotiert und Gravenberch und/oder Tel sogar von Anfang an bringt. Die beiden Youngster sind aber nicht die einzigen, die unter dem Bayern-Coach zu kämpfen haben.
Nagelsmann "jagte" schon Nianzou, Zirkzee und Richards vom Hof
Denken wir beispielsweise an Tanguy Nianzou. Offen gesprochen hat der Franzose auch schlichtweg nicht gut genug gespielt, um häufiger zum Einsatz kommen zu können. Kritisch anzumerken sei dennoch, dass Nagelsmann den Youngster immer wieder öffentlich kritisiert hat, was dann schon eher befremdlich ist. Beim FC Sevilla kommt Nianzou nun regelmäßig zum Einsatz. Schon bald wird man bewerten können, ob Nagelsmann vielleicht einfach nicht das Maximum aus ihm rausholen konnte.
Neben Nianzou haben zudem Joshua Zirkzee und Chris Richards den FC Bayern verlassen. Die beiden Spieler aus der eigenen Jugend haben unter Nagelsmann nie eine Chance erhalten.
Wanner noch ohne Spielminute bei den Profis - Vidovic verliehen
Dies ist natürlich nicht gerade das beste Zeichen für junge Spieler, die den Sprung aus dem Bayern-Nachwuchs nach oben schaffen wollen. So dürfte derzeit auch Paul Wanner hadern. Nagelsmann hat das Mittelfeld-Talent schließlich genauso schnell wieder eingepackt, wie er es vor neun Monaten ausgepackt hatte. Wanner hat in dieser Saison noch keine Pflichtspiel-Minute gesammelt und saß auch erst zweimal auf der Bank. Dabei überzeugte er eigentlich zuletzt in der Youth League mit drei Scorer-Punkten gegen Inter Mailand und den FC Barcelona. Im Sommer hatte Julian Nagelsmann bei Wanner zudem noch von einer “Leistungsexplosion“ gesprochen. Ein Lob, das verdächtig nach Guardiolas “Ich hätte gerne 1000 Dantes“ erinnert.
Es wäre wohl besser gewesen, wenn Wanner ähnlich wie Vidovic an einen anderen Klub verliehen worden wäre. Obwohl der 18-jährige Vidovic gegen Bochum eingewechselt wurde und direkt ein Tor vorbereitete, sah Nagelsmann keine Chance, den Youngster regelmäßig einzubauen.
Gerade weil der Verein mit Nagelsmann einen langfristigen gemeinsamen Weg einschlägt, wäre es schon sinnvoll, wenn sich die Planungen des Coaches auch mehr an den langfristigen Erfolg orientieren würden. Natürlich ist beim FC Bayern gerade Feuer unterm Dach und Nagelsmann muss in erster Linie Siege liefern, in Summe ist es aber doch enttäuschend, dass die Jugend so wenig gefördert wird.