Nach verdientem CL-Aus gegen Chelsea: Verspielt Atlético jetzt alles?
Von Guido Müller
Da war es nur noch eine Hochzeit, auf der sie tanzen. Nach dem enttäuschenden Auftritt und dem damit einhergehenden völlig verdienten Ausscheiden aus der Champions League kann (und muss!) sich Atlético Madrid nun voll auf die nationale Meisterschaft konzentrieren.
Wer das Spiel an der Stamford Bridge mitverfolgt hat, konnte den Eindruck gewinnen, dass die Spieler schon gestern nur an den heimischen Punktspielbetrieb dachten. (Aus dem spanischen Pokal verabschiedete sich die Simeone-Elf bereits in der zweiten Runde nach einem peinlichen 0:1 beim Drittligisten Cornellà).
Von einem Aufbäumen oder einem Entgegenstemmen gegen das Ausscheiden war jedenfalls über die gesamten neunzig Minuten nichts zu sehen. Was die notorisch aufgeregten spanischen Gazetten gleich als weiteres Indiz für eine schleichende Abwärtsentwicklung des spanischen Vereinsfußballs werteten.
Atlético gegen Chelsea ohne Chance
Immerhin war es "nur" der Tabellenvierte Englands, der dem Tabellenführer Spaniens in zwei Spielen im Grunde genommen keine Chance ließ. Und dafür mussten die von Thomas Tuchel trainierten Blues noch nicht einmal ein fußballerisches Feuerwerk abfackeln.
Mit der seit Jahren bekannten defensiven Stabilität und einer disziplinierten Grundordnung in allen Linien hielten sie die colchoneros über 180 Minuten hinweg fast komplett vom eigenen Tor entfernt. Luis Suárez war das lebende Abbild dieser spanischen Inkompetenz - und wurde bereits in der 59. Minute von Simeone vom Feld genommen.
Die Reaktion des Uruguayers, ein ironisches Lächeln, war von Unverständnis über die Trainer-Entscheidung geprägt.
In der Champions League hat Suárez nicht gezündet
Doch bei selbstkritischer Betrachtung muss auch der 34-Jährige erkennen, dass sich seine als Transfer-Coup betitelte Verpflichtung für Atlético auf internationaler Bühne nicht ausgezahlt hat. Sechs Spiele hat er für die rojiblancos in der Königsklasse absolviert - sechsmal blieb er ohne Treffer.
Ganz im Gegensatz zur spanischen Liga, wo ihm bereits 18 Tore in 24 Spielen gelungen sind. Doch diese Diskrepanz veranschaulicht vielleicht um so mehr, dass zwischen der Spitze in Spanien und der in Europa mittlerweile eine gewisse Lücke klafft.
Von den vier spanischen Champions-League-Startern in dieser Saison hat es nur Real Madrid bis in die Runde der letzten Acht geschafft. Als Top-Favoriten auf den diesjährigen Henkelpott können die blancos aber ob ihres wenig glamourösen Spiels weiterhin nicht wirklich gelten.
Im letzten Jahr schafften es mit Atlético und dem FC Barcelona immerhin noch zwei Teams bis ins Viertelfinale. Beide strichen jedoch dort die Segel. Und "sorgten" somit für ein Halbfinale ohne spanische Beteiligung. Das könnte dem Verband auch in diesem Jahr blühen.
Drei Punkte gegen Deportivo Alavés sind Pflicht
Doch zurück zu Atlético. Die haben am kommenden Wochenende in der Liga die vom Papier her leichtere Aufgabe als die Verfolger Real und Barça vor der Brust: gegen das abstiegsbedrohte Deportivo Alavés (So, 18.30 Uhr) sind drei Punkte jedenfalls fest eingeplant.
Gleichzeitig hofft man rund ums Wanda Metropolitano, dass sowohl die Blaugrana (bei der Real Sociedad zu Gast) als auch die Königlichen (müssen in Vigo ran) noch vor der Länderspielpause in der kommenden Woche Punkte liegen lassen. Aktuell trennen die Atléticos noch vier bzw. sechs Zähler von ihren härtesten Herausforderern.
Damit dieser Vorsprung nicht weiter wie Eis in der spanischen Frühlingssonne dahinschmelzt, ist vor allem Suárez in den kommenden Wochen gefragt. Von seiner Treffsicherheit in den letzten elf Spielen wird es vor allem abhängen, ob Atlético seinen elften Meistertitel (den ersten seit 2014) einfahren kann.