Nach EM-Aus: Berti Vogts kritisiert deutschen Fußball

Berti Vogts teilt die rund um den deutschen Fußball entstandene Euphorie nicht. Der ehemalige Europameister-Trainer kritisiert fehlende Tugenden und Weltklasse.
Berti Vogts
Berti Vogts / Alex Grimm/GettyImages
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Mit Borussia Dortmund stand in diesem Jahr ein Bundesligist im Finale der Champions League, mit dem FC Bayern beinahe ein zweiter (der deutsche Rekordmeister schied im Halbfinale unglücklich gegen Real Madrid aus). Zudem gab es mit Bayer Leverkusen in der Europa League einen weiteren deutschen Finalisten im Europapokal.

Und spätestens mit der EM 2024 konnte die Euphorie rund um den deutschen Fußball wieder entfacht werden. Das DFB-Team verkaufte sich bei dem Turnier im eigenen Land teuer, schied als mutmaßlich zweitbeste Mannschaft des Turniers bitter im Viertelfinale gegen Spanien aus. Neben den sportlichen Leistungen gelang auch der Schulterschluss mit der Nation.

Der deutsche Fußball scheint wieder im Spitzenbereich angekommen zu sein. Berti Vogts hingegen meint: dieser Schein trügt! In einer Kolumne für die Rheinische Post ließ der Europameister-Trainer von 1996 kein gutes Haar am deutschen Fußball - sowohl auf Vereins- als auch Nationalmannschaftsebene.

"Die deutsche Nationalmannschaft hat diese Tugenden leider verloren. Wir sind im Viertelfinale ausgeschieden, erneut sehr früh für ein deutsches Team. Wenn ich die Einschätzungen der Experten und Medien verfolge, fehlt es mir doch an der nötigen Kritik. Ich warne da noch mal: Wir dürfen nicht zu blauäugig mit der Situation umgehen. Wir haben zu wenig Weltklasse im deutschen Fußball, wir können mit den internationalen Topteams nicht mithalten. Nicht mit der Nationalmannschaft und auch nicht im Vereinsfußball", schreibt Vogts in seiner Kolumne.

Im Vergleich zu den Top-Nationen - England, Frankreich, Spanien - habe man in den vergangenen Jahren viel verschlafen und liege nun weit zurück, führt Vogts aus.

"Wir müssen schauen, was Spanien, Frankreich und England besser machen. Sie sind an uns vorbeigezogen. Yamal, Bellingham, Foden, Mbappé, das ist dort nur die Speerspitze so vieler Top-Spieler. Wir haben mit Jamal Musiala und Florian Wirtz zwei, die da mithalten können. Zwei! Das ist zu wenig. Wir haben zu wenig Individualisten, zu wenig Spezialisten. Da müssen wir ansetzen."

Um wieder Anschluss zu finden, fordert Vogts vom DFB, verdiente Nationalspieler und Experten in den Verband und die Nationalmannschaft einzubinden.

"Wo ist Lothar Matthäus? Wo ist Michael Ballack? Wo ist Bastian Schweinsteiger? Wo sind all die anderen? Auch Christoph Kramer oder Per Mertesacker wären mit ihrer Sachkenntnis tolle Trainer, es wäre schön, wenn sie den Weg gehen würden. Warum sind diese Top-Leute nicht beim DFB eingebunden? Warum nutzen wir diese Expertise nicht? Ich habe sie nur im Fernsehen als Experten gesehen. Schade. Vielleicht sollte man für Nationalspieler wieder einen Sonder-Trainerlehrgang anbieten, wie es ihn früher gab, um ihnen den Weg zum Trainerschein leichter zu machen", schreibt Vogt.

Unter Berti Vogts konnte Deutschland letztmals Europameister werden. 1996 führte Vogts das DFB-Team bei der EM in England zum Titel, das Endspiel entschied damals Oliver Bierhoff in der Verlängerung mit einem Golden Goal.


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