Mit eineinhalb Jahren Verspätung: David Kinsombi endlich beim HSV angekommen!
Von Guido Müller
Mit dem sechsten Sieg in den letzten sieben Spielen hat der Hamburger SV die Tabellenführung in der Zweiten Liga verteidigt - und die Herbstmeisterschaft unter Dach und Fach gebracht. Der 4:2-Erfolg bei Eintracht Braunschweig hatte sogar historische Dimensionen. Vor allem ein Spieler spielte sich dabei endgültig aus den Zweifeln, die ihn seit seiner Ankunft in Hamburg vor eineinhalb Jahren begleitet haben.
David Kinsombis Wechsel von Holstein Kiel zum Hamburger SV ging im Frühjahr 2019 über die Bühne. Zu dieser Zeit laborierte er noch an den Folgen eines Schienbeinbruches, der ihn ab Januar bis zum Saisonende außer Gefecht gesetzt hatte.
Bemerkenswert an dem Transfer von der Förde zur Elbe war nicht zuletzt auch der Umstand, dass der Spieler einen Teil seiner Ablösesumme (um die drei Millionen Euro) selbst aufbrachte, um den Deal nach monatelangen Verhandlungen zwischen den beiden Klubs endlich auf die Ziellinie zu bringen.
Die Fans in Hamburg waren begeistert, So eine Mentalität hatte man bei vielen der Neuzugänge in den vorhergehenden Jahren vermisst.
David Kinsombi beim HSV: Erstes Testspiel - erster Rückschlag
Doch wie das bei großen Dramen so ist: erstmal mussten Rückschläge verdaut werden. Im ersten Testspiel der damals von Dieter Hecking trainierten Mannschaft musste Kinsombi bereits nach zwei Minuten vom Feld. Diagnose: Muskelfaserriss.
An und für sich keine große Sache, doch der Zeitpunkt war denkbar ungünstig. Denn in der Folge verpasste der Neuzugang die entscheidenden Wochen des Feinschliffs während der Vorbereitungsphase - und musste sich in der Hierarchie der Rothosen erstmal hinten einreihen.
Erst am vierten Spieltag, beim 4:2-Sieg in Karlsruhe, kam der Mittelfeldspieler zu seinem ersten Pflichtspiel im neuen Dress über die volle Distanz von neunzig Minuten. Eine Woche später, beim 3:0 gegen Hannover 96, stand er ebenfalls über die komplette Spieldauer hinweg auf dem Feld, trug sich sogar als Torschütze in die Spielstatistik ein.
Doch irgendwas war trotzdem anders im Vergleich zu dem Spieler, der er bei Holstein Kiel gewesen war - und der in der Vorsaison den HSV in beiden Liga-Spielen vor so große Probleme gestellt hatte.
Was wohl auch Hecking so sah - denn die beiden Spiele gegen die Badener und Niedersachsen sollten in der Saison 2019/20 für Kinsombi die einzigen bleiben, in denen er über die vollen neunzig Minuten auf dem Platz stand.
Zwar konnte Kinsombi bis zum Saisonende seine persönlichen Statistiken gegenüber seiner letzten Saison im Trikot von Holstein Kiel verbessern (5 Tore, 3 Assists gegenüber 4 Treffern und 2 Vorlagen im Vorjahr), doch insgesamt hatten sich beide Seiten deutlich mehr versprochen. Der zum zweiten Mal in Folge nicht geglückte Aufstieg der Hamburger setzte der Spielzeit schließlich noch die Krone auf.
Auch Kinsombis zweite Saison beim HSV begann mit einer Verletzung
Neues Jahr, neuer Trainer, neue Mannschaft: das war dann im Juni 2020 das alljährlich wiederkehrende und nur allzu bekannte Motto beim Traditionsklub. Hecking wurde durch Daniel Thioune ersetzt - und der (immer noch teure) Kader dadurch entlastet, dass dem guten Dutzend Abgängen lediglich sechs Neuzugänge entgegengebracht wurden.
Auch für David Kinsombi bedeutete der Sommer 2020 einen neuen Anlauf. Und erneut schien sich bereits zu Saisonbeginn alles gegen den gebürtigen Rüdesheimer zu verschwören. Im Auftaktspiel gegen Fortuna Düsseldorf noch mit einem Kurzeinsatz versehen, verletzte sich der feine Techniker kurze Zeit später (abermals Muskelfaserriss) - und spielte nun auch in den Plänen des neuen Coaches erst einmal keine große Rolle.
Klärendes Gespräch mit Daniel Thioune im Dezember
Bis zu einem Gespräch zwischen den beiden im Dezember letzten Jahres. Nur wenige Wochen zuvor hatte Thioune, ohne ihn namentlich zu nennen, Kinsombi noch als eine der Enttäuschungen während eines Testspiels gegen den dänischen Erstligisten Viborg FF (1:3) öffentlich an den Pranger gestellt.
Zwar durften an diesem trüben Herbsttag auch andere ins zweite Glied gefallene Spieler die harsche Kritik ihres Coaches auf sich beziehen - doch trugen diese (mit Ausnahme von Dauerproblem Bobby Wood) auch kein so großes Preisschild mit sich herum.
Das große Rätselraten um David Kinsombi schien keine Auflösung zu erfahren. Wo war bloß der Spieler geblieben, der in Kiel noch der Liebling der KSV-Fans gewesen war? Diese Frage, in andere Worte gekleidet, stellte dann in besagtem Dezember-Gespräch auch der Trainer seinem Spieler.
Auch Kinsombis Aufschwung sorgt für historische Zahlen
Und ganz offenbar hat Kinsombi damals nicht nur die richtige Antwort gefunden - sondern diese im Nachhinein auch mit Taten unterfüttert.
Sein Coach ist jedenfalls momentan mehr als zufrieden mit ihm. "Er ist auf einem guten Weg. Vielleicht ist er jetzt in Hamburg angekommen. Mir gefällt, was er aktuell zeigt. Deswegen hat er sich seine Spielzeit verdient. Wir müssen gucken, dass er dieses Level hält." (Quelle: bild.de)
Diese Worte sprach Thioune noch vor dem gestrigen Auftritt seiner Mannschaft beim BTSV. Und nach einem 5:0 gegen den VfL Osnabrück - dem höchsten Sieg des HSV in der Zweiten Liga.
6 Scorerpunkte in den letzten 6 Spielen - und der erste Doppelpack im HSV-Trikot
Die "Replik" seines Spielers: beim gestrigen 4:2-Sieg im Stadion an der Hamburger Straße (dem ersten dort seit 38 Jahren!) gelangen Kinsombi gleich zwei Treffer. Das war ihm zuletzt im Mai vergangenen Jahres beim 3:2-Sieg gegen Wiesbaden gelungen.
Mit seinem Doppelpack hatte er zudem erheblichen Anteil an einem weiteren Novum: zum ersten Mal gelang dem HSV im Unterhaus ein Sieg nach einem Zweitore-Rückstand. Zuletzt war dies im Jahr 2008 (gegen Bayer Leverkusen) gelungen.
(Die 17 Hinrunden-Treffer von Simon Terodde machen den Reigen an historischen Daten perfekt: nie zuvor hat ein HSV-Stürmer zur Saison-Halbzeit mehr Treffer vorweisen können).
Mit nunmehr sechs Scorerpunkten aus den letzten sechs Spielen (3 Tore, 3 Vorlagen) weist Kinsombi bereits zu Beginn der am Dienstag startenden Rückrunde Werte auf, die für ihn in den letzten Jahren jeweils am Ende einer Spielzeit standen.
Auch solche Statistiken erzählen die Geschichte eines Spielers, der erst mit eineinhalb Jahren Verspätung das in ihn gesetzte Vertrauen zurückzahlen konnte. Aber wie heißt es so schön: lieber spät als nie.