Michelle Heyman, Australien-Heldin: Vom Burnout und Karriereende zu Olympia-Glück
Von Helene Altgelt
Es ist schon jetzt eine der Geschichten dieser Olympischen Spiele im Frauenfußball, bei denen es an Geschichten nicht mangelt. Kanadas Drohnen-Spionage, die US-Wiederkehr zu alter Stärke dank neuer Gesichter im Sturm. Aber die gute alte Comeback-Story braucht es auch bei jedem Turnier.
Bei Olympia 2024 ist diese Wohlfühl-Geschichte eindeutig die von Michelle Heyman. Heyman war die Protagonistin in einem Spiel, das schon so mit vielen Volten und Wendungen aufwarten konnte. Ganze elf Tore fielen, als Australien in Nizza auf Sambia traf.
Die favorisierten Australierinnen lagen nach einer desaströsen Defensivleistung schon mit 2:5 hinten, bevor sie zu einer unwahrscheinlichen Aufholjagd ansetzten. Gekrönt wurde diese Aufholjagd dann von: Michelle Heyman, in der 57. Minute eingewechselt, in der 90. Minute die australische Heldin.
Fünf Jahre zuvor eigentlich schon Karriere mit Burn-Out beendet
Dass Heyman bei den Olympischen Spielen dabei ist, schien noch vor einem Jahr völlig ausgeschlossen. Denn eigentlich hatte die Stürmerin schon vor fünf Jahren ihre internationale Karriere beendet. 2019 war eine schlechte Zeit für die Matildas, nicht zu vergleichen mit der heutigen Euphorie um das Team.
Die Bezahlung war schlecht, die Stimmung noch schlechter. Lagerbildung im Team, Stress, keine Zuschauer. Für den australischen Verband, der sich heute gerne mit den Erfolgen des Nationalteams schmückt, wäre es teurer gewesen, die Stadien zu öffnen, als einfach gar keine Zuschauer zuzulassen. Also versuchte man es nicht mal. "Ungefähr zwölf Leute auf einem Feld in Queensland" standen meistens bei den Spielen herum, so Heyman.
Bei Olympia will sie nun auch daran erinnern, dass noch nicht allzu lange her nicht alles rosig war. Die Stimmung war dermaßen miserabel, dass Trainer Alen Stajcic kurz vor der WM 2019 deswegen gefeuert wurde.
Ein ungesundes Umfeld, vor allem für Heyman, die mit mentalen und körperlichen Problemen zu kämpfen hatte. Die Stürmerin rutschte aus dem Nationalteam und fiel aus dem Kader. In der Öffentlichkeit wurde es als Heymans eigene Entscheidung zum Rückzug präsentiert, in Wirklichkeit aber hatte sie keinen Platz mehr im Team. Heyman zog sich mit einem Burn-Out auch aus der australischen Liga zurück. Eine Karriere mit 61 Nationalspielen schien auf bittere Weise beendet.
Comeback bei Olympia - Heyman in der Form ihres Lebens
Heyman aber fand nach anderthalb Jahren wieder die Kraft, Fußball zu spielen. Und wie: Jetzt, mit 36, ist sie in der Form ihres Lebens. Heyman ist inzwischen die Rekordtorschützin der australischen Frauenfußball-Liga. Ihre Vorgängerin: Eine gewisse Sam Kerr. Deren Platz hat Heyman nun im Matildas-Kader eingenommen. Kerr zog sich im Januar einen Kreuzbandriss zu, und so wurde unerwartet ein Platz im kleinen 18er-Kader frei.
Die Wahl von Tony Gustavsson fiel auf Heyman - und die bewies sich prompt. Ihr Tor gegen Sambia in der 90. Minute war Gold wert und sicherte die australischen Hoffnungen auf ein Weiterkommen. "Es ist eine Never-say-die-Einstellung", sagte eine atemlose Heyman nach dem Spiel: "Ich will diese Medaille unbedingt und werde alles tun, um sie mit nach Hause zu nehmen."
Angesichts der dürftigen Defensivleistungen der Matildas dürfte das ein schwieriges Unterfangen sein. Aber Heyman hat bewiesen, dass mit 36 Jahren selbstverständlich Weltklasseleistungen möglich sind. Gut möglich, dass sie für die nächsten Spiele in die Startelf befördert wird.