Mehr Schaden als Nutzen: Kommentar zur geplanten Erweiterung der Frauen-WM
Die FIFA will immer mehr – vor allem wenn es ums Geld geht. Das mag jetzt für viele keine Neuigkeit sein. Doch im Kampf um weitere Steigerungen gerät das Wohl des Sports und der Spielerinnen schon mal ins Hintertreffen. So auch bei der scheinbar geplanten Erweiterung der Frauen-Weltmeisterschaft von 32 auf 48 Nationen, die auf den ersten Blick wie eine gute Idee wirkt, auf den zweiten aber auch einige Schattenseiten mit sich bringt.
Fazit: Unattraktiv
Die ganze Aufstockung soll analog zum Männer-Wettbewerb geschehen, der bereits zur kommenden WM mit 48 Teams stattfinden wird. Laut Sky-Informationen solle die Erweiterung für eine Gleichstellung der Geschlechter sorgen. Doch im Männer- und Frauenfußball gibt es genau in diesem Punkt wahrscheinlich die größte Ungleichheit: Das Niveau im Fußball der Frauen ist in der Breite einfach noch nicht so gut wie das der Männer.
Lange Zeit war es Frauen sogar verboten, das Leder zu kicken. Ganz normal also, dass das Wachstum nicht linear zu den Männern verlaufen konnte. In den letzten Jahren kann man beobachten, wie sich die Qualität des Frauenfußballs steigert. In den führenden Ligen weltweit, aber auch der Champions-League werden die Duelle zwischen den Teams immer enger und spannender, der Fußball attraktiver.
Allerdings bereiten die erstrebten 48 Nationen dennoch Grund zur Sorge, da das Leistungsgefälle im internationalen Fußball dann doch sehr groß ist. Bereits bei der letzten WM, an der 32 Teams teilnahmen, fegten Mannschaften ihre Gegnerinnen mit vielen Toren vom Platz – sieben Mal konnte mit mehr als fünf Toren Unterschied ungefährdet der Sieg eingefahren werden. Jetzt haben sich die Verlierer schon in der Qualifikation durchgesetzt, sollen in Zukunft aber zusätzliche 16 Teams hinzugefügt werden, würden solche Ergebnisse noch häufiger auftreten. Ein gefundenes Fressen für die Hater des Frauenfußballs, um misogyne Bemerkungen in die Kommentarspalten zu klatschen - ungeachtet der unterschiedlichen Voraussetzungen und Professionalität der Nationalteams.
Denn das ist der nächste springende Punkt: Es wird hart, 48 Nationen zu finden, die voll hinter ihrer Frauennationalmannschaft stehen und diese fördern. Unter jedem Dach ein Ach ist aktuell wohl leider das Motto im professionellen Fußball der Frauen. Seien es kleinere Nationen wie Jamaika, die öffentlich über die fehlende Wertschätzung und Unterstützung klagen oder größere wie Spanien, die massive Probleme mit ihrem Verband hatten. Dann wären da noch Nationen wie Sambia oder Kolumbien: Die Letzteren berichten laut GlobalSportMatters seit neun Jahren von Sexismus im eigenen Verband. Und das sind nur einige der Beispiele, die öffentlich wurden – da sind gewiss noch viele Ungereimtheiten bei anderen Nationen im Verborgenen.
Nährboden für Verletzungen
Das geplante Format ist noch unbekannt, sollte es aber auch hier analog zur Männer-WM gespielt werden, dann würden 104 statt der bisherigen 64 Partien im Turnierverlauf warten. Dazu gehört mit dem Sechzehntelfinale eine komplett neue Runde. Neben einigen unattraktiven Ansetzungen stehen dann auch Verletzungen Schlange. Der Terminkalender der Fußballerinnen ist ohnehin schon vollgepackt. Jetzt auch noch ein so zeitintensives Turnier zu verlängern, schafft da offensichtlich keine Abhilfe.
Anfang dieses Jahres äußerte Englands Kapitänin Leah Williamson, die selbst einen Kreuzbandriss erlitt, in einem Interview mit dem Telegraph ihre Bedenken über die vollen Kalender: „Ich denke, so wie Sie den Frauenfußball derzeit betrachten, werden Sie weder die Ticketpreise erhöhen noch mehr Menschen in die Stadien locken können, weil Sie keine Spielerinnen haben, denen Sie zuschauen können. Wir treiben uns damit selbst in die Knie, daher muss terminlich schnell eine Lösung gefunden werden, sonst ist es nicht nachhaltig“. Die Wünsche und das Wohl der Spielerinnen dürften der FIFA herzlich egal sein. Die Sommerpause und Zeit für Regeneration (mental und physisch) wird stetig weniger. Zwar werden die Abstellungsperioden der nationalen Verbände verringert, dafür steht mit der Klub-WM schon das nächste Turnier in den Startlöchern. Rotation wird hier das Schlüsselwort für viele Teams - dafür sollten die Kadergrößen aber nicht bei 18 Spielerinnen liegen wie zuletzt bei den Olympischen Spielen.
Einen weiteren Aspekt bringt Keira Walsh ins Gespräch: „Schaut euch die Ressourcen an, die die Männer zur Verfügung haben. Wir haben das nicht und sollen nahezu genauso viel spielen“. Zwar würden die medizinischen Abteilungen alles geben, würden laut Walsh aber vor einer Mammutaufgabe stehen. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir nicht jedes Mal, wenn ich auf den Platz gehe, Sorgen mache, dass ich mich verletze“, so Walsh gegenüber PA Media.
Perfekte Voraussetzungen also für noch mehr Belastung statt Sommerpause – zumindest für die ohnehin schon kaum eindämmbare Pandemie an Kreuzbandrissen und anderen schweren Verletzungen.