Manchester United - AC Mailand: Ein europäischer Klassiker meldet sich zurück!
Von Guido Müller
Es ist das alles überstrahlende Duell im diesjährigen Achtelfinale der Europa League: Wenn am Donnerstagabend (18.55 Uhr) Manchester United und der AC Mailand aufeinandertreffen, liegt jede Menge Tradition in der Luft. Aber auch die Erinnerungen an eine Katastrophe.
Denn das allererste Mal, dass dieses Duell im Rahmen des Europapokals (der Landesmeister) ausgefochten wurde, war nur wenige Monate nach der Flugzeugkatastrophe von München-Riem, bei der insgesamt 23 Menschen ihr Leben verloren, darunter auch acht Spieler des englischen Meisters.
Die Red Devils hatten am 5. Februar 1958 ihr Rückspiel im Viertelfinale gegen Roter Stern Belgrad erfolgreich absolviert und sich mit einem 3:3 (nach 2:1-Sieg im Hinspiel) für die Vorschlussrunde qualifiziert. An Bord der "Elizabethan" herrschte dementsprechend fröhlich-ausgelassene Stimmung.
Die Katastrophe von Riem
In München sollte die Maschine aufgetankt werden und danach weiter Richtung Heimat fliegen. Draußen herrschte stürmisches Wetter, mit Nieselregen und Schneeschauern im permanenten Wechsel. Nach zwei missglückten Starts gelang es dem Piloten beim dritten Anlauf, den Flieger abheben zu lassen.
Doch er gewann nicht an Höhe - sondern zerschellte nach einem kurzen Flug am Ende der Startpiste und ging in Flammen auf. Der englische Meister, ein hoffnungsvolles junges Team, das in den kommenden Jahren dazu berufen war, einer der härtesten Herausforderer von Real Madrid zu werden, hatte sein Trauma gefunden.
Und es sollte lange dauern, ehe die Narben verheilten. So war es dann am 8. Mai 1958, beim Halbfinal-Hinspiel gegen den AC Mailand, ein deprimierendes Schauspiel. Eine Mannschaft, ein Klub, ja, eine ganze Stadt wollte sich trotzig gegen das erbarmungslose Schicksal stellen. Vergebens.
Mit viel Kampf und Hingabe, auch dank der Unterstützung der leidenschaftlich anfeuernden Fans im pickepackevollen Old Trafford, schossen die Red Devils zwar einen 2:1-Vorsprung heraus - doch allen war damals schon klar, dass das gegen die ausgebufften Italiener um Schiaffino, Liedholm und Cucchiaroni nicht reichen würde.
Und so kam es dann auch. Mit 4:0 schlugen die Lombarden die Engländer im Rückspiel im San Siro und zogen ins Finale ein, das sie freilich mit 2:3 gegen Real Madrid verloren. Die Spanier hatten somit alle drei bis dahin ausgespielten Ausgaben dieses Wettbewerbs gewonnen.
Seinen ganz "persönlichen Mount Everest" (wie er es bezeichnete) bestieg Matt Busby, der damalige Trainer der United-Mannschaft, erst zehn Jahre nach der Katastrophe von München-Riem.
Die Überlebenden der Katastrophe holen den Henkelpott für ihre toten Kameraden
Am 29. Mai 1968 schlug Manchester United im Finale Benfica mit 4:1 nach Verlängerung - und noch auf dem Rasen des Wembley-Stadions umarmten sich damals Matt Busby, Bobby Charlton und Bill Foulkes, die sich ein Jahrzehnt zuvor geschworen hatten, diesen Pokal für die toten Kameraden nach Manchester zu holen.
Die Geschichte der Aufeinandertreffen mit dem AC Mailand im Europapokal war damit indes noch nicht beendet. Ein Jahr nach dem Triumph von Wembley, in der Saison 1968/69, trafen beide Teams erneut aufeinander - und wieder hatten die Italiener im Halbfinale das bessere Ende für sich (2:0, 0:1).
Die Rossoneri gewannen schließlich auch die damalige Edition mit einem ungefährdeten 4:1 gegen das damals noch in der Entwicklung befindliche Ajax Amsterdam um einen blutjungen Spieler namens Johann Cruyff.
Danach sollte es ganze 36 Jahre (!) dauern, ehe beide Teams wieder miteinander zu tun hatten. In der Saison 2004/05, diesmal bereits im Achtelfinale des nunmehr Champions League genannten Wettbewerbs, konnte sich Milan zum dritten Mal gegen United durchsetzen (1:0, 1:0).
Exit durch den Ex
Genauso wie in den folgenden beiden Duellen (in den Saisons 2006/07 und 2009/10). Nun geht dieses ewig junge Duell also in seine sechste Auflage. Und es wird auf jeden Fall einen Rausschmiss durch den Ex geben: entweder wirft Zlatan Ibrahimovic seinen ehemaligen Arbeitgeber Manchester United aus dem Cup - oder eben die Engländer ihren ehemaligen kickenden Angestellten. Mithelfen kann Ibrahimovic - zumindest im Hinspiel - nicht. Der Benjamin Button des Weltfußballs ist verletzt.
Nebenbei ist es das Duell der jeweiligen aktuellen Tabellenzweiten der Premier League und der Serie A. Doch eigentlich bedarf dieses Spiel gar keiner weiteren Reklame mehr. Freuen wir uns einfach auf ein weiteres Duell zwischen zwei der berühmtesten Klubs, die der europäische Fußball hervorgebracht hat.