Mainz entfernt sich vom Abstiegskampf: Der Gegenentwurf zu Schalke
Von Yannik Möller
Längere Zeit war Mainz 05 augenscheinlich der Abstiegskandidat Nummer eins. Noch am 15. Spieltag waren die Nullfünfer Tabellenletzter - sogar noch hinter Schalke. Inzwischen steht der FSV auf dem 13. Tabellenplatz, mit fünf Punkten Abstand auf die Abstiegsränge. Der Erfolg kam durch einen klaren Schnitt im Winter, womit die Mainzer das Gegenstück zum S04-Weg wurden.
Dreieinhalb Monate zurück. Es ist die zweite Januar-Woche, das neue Jahr 2021 hat gerade erst begonnen. In der Bundesliga verliert Mainz 05 daheim gegen Eintracht Frankfurt. Gleichzeitig beendet Schalke 04 die ewig lange Sieglos-Serie mit einem souveränen Dreier gegen die TSG Hoffenheim. Die Tabelle nach dem 15. Spieltag: Mainz ist Letzter, einen Punkt hinter S04.
Wiederum wenige Wochen zuvor gab es bei den Nullfünfern einen klaren Schnitt. Sportvorstand Rouven Schröder musste seine Sachen packen, er arbeitete etwa dreieinhalb Jahre in dieser Funktion. Zuvor war er bereits als Sportdirektor aktiv gewesen. Christian Heidel kehrte zurück und stellte Martin Schmidt ein. Aber nicht als neuen Trainer - dabei entschied man sich für Ex-Spieler Bo Svensson.
Achim Beierlorzer, Jan-Moritz Lichte und Jan Siewert - sie waren Geschichte. Svensson spielte selbst einige Jahre für Mainz. Als Trainer hat er eine Ausbildung im RB-Format genossen, etwa anderthalb Jahre beim österreichischen FC Liefering gearbeitet, sozusagen dem Farmteam von RB Salzburg. Eine spannende, frische und vor allem moderne Trainerpersonalie.
Mainz stand vor einer schwierigen Ausgangslage - und hat sie durch Veränderungen bewältigt
Dennoch: Die Ausgangslage war nach dem 15. Spieltag klar. Mainz steuerte dem direkten Abstieg entgegen. Es brauchte eine sehr, sehr gute Rückrunde, um die bisherigen Versäumnisse auszugleichen. Der Klub war das Schlusslicht, stand sogar hinter diesem historisch schlechten S04.
Zurück in die Gegenwart. Svenssons Truppe hat sich in ihrem 29. Spiel dieser Saison mit einem 1:0-Auswärtssieg gegen Werder Bremen belohnt. Auch wenn dieser Sieg durch eine sehr umstrittene Tor-Rücknahme der Gastgeber geprägt wurde, so zeichnet sich doch ein ganz klares Bild ab. Inzwischen belegt das Team den 13. Tabellenplatz. Zum direkten Abstieg gibt es einen Abstand von fünf Punkten, während man noch ein Spiel mehr zu spielen hat (Verlegung wegen Quarantäne von Hertha BSC).
Heidel hatte schon sehr früh betont, es brauche eine Europa-League-Rückrunde, um nicht abzusteigen. Betont hatte er dabei aber auch stets, dass er fest daran glaube. Blickt man auf die Liga-Tabelle seit dem Einstand von Trainer Svensson, so bestätigt sich dieses Bild: Mainz steht auf dem sechsten Platz. Aus den seitdem 15 gespielten Partien wurden ganz 25 Punkte geholt.
Zum Vergleich: Mit diesem Punkteschnitt von (aufgerundet) 1,7 pro Spiel würde man - auf den gesamten Saisonverlauf - mit 50 Zählern momentan direkt hinter dem BVB stehen. Es ist daher nichts anderes als eine sehr beeindruckende Wende, die Mainz mit diesem klaren Schnitt und einem eben so klaren Plan erreichen konnte.
Bemerkenswert ist es auch, gegen welche Teams einige dieser Erfolge verbucht werden konnten. Unentschieden gegen Dortmund und Bayer Leverkusen, Siege gegen RB Leipzig oder Borussia Mönchengladbach. Dazu wurden auch wichtige Schlüsselduelle entweder nicht verloren oder gar für sich entschieden, wie etwa beim 3:2-Sieg gegen den 1. FC Köln. Somit hat sich Mainz nicht nur viele, sondern auch unerwartete sowie besonders wichtige Punkte verdient.
Die Chancen auf den Klassenerhalt, sie sind durch das Trio Heidel, Schmidt und Svensson so stark angestiegen, wie es realistisch nur möglich war. Dabei wirkt die Mannschaft auch so gefestigt, dass ein Rückfall auf die unteren drei, vier Plätze doch sehr überraschen würde. Auch wenn der Verbleib in der ersten Liga selbstverständlich noch nicht gesichert ist.
Vergleich zu Schalke: Veränderungen vs. Winterschlaf - mit bekannten Folgen
Schalke, bereits zu Beginn angesprochen, ist mittlerweile final abgestiegen. Schon vier Spieltage vor dem Saisonende gibt es auch keine rechnerische Chance mehr, sich zu halten. Besiegelt am gleichen Spieltag, an dem Mainz sogar Bremen noch überholen konnte. Es lohnt sich ein Vergleich.
Zu dem Zeitpunkt, an dem die Nullfünfer die Reißleine zogen und nochmal alle Hebel umlegten, ging Königsblau den vorigen Weg weiter. Manuel Baum, unter dem sich die Auftritte des Teams sicht- und spürbar verbessert hatten, unter dem man auch mehrmals knapp am erlösenden Sieg vorbeigeschrammt ist, musste gehen.
Ex-Sportvorstand Jochen Schneider erklärte dazu, er habe schon längere Zeit Zweifel gehabt. Diese Zweifel fielen dann in eine Zeit, in der ein Aufwärtstrend in den Spielen zu erkennen war - die Schneider selbst auch mehrmals angesprochen, thematisierte und lobte. Er durfte trotz zahlreicher voriger Verfehlungen auch noch den nächsten Trainer einstellen. Der S04-Aufsichtsrat hatte damit kein Problem.
Christian Gross, quasi das genaue Gegenteil zu Bo Svensson, kam - und ging zwei Monate später schon wieder. Längst war das Kind in den Brunnen gefallen. Während sich Mainz Ende Februar schon auf dem aufsteigenden Ast befand und immer mehr Selbstvertrauen sammeln konnte, half bei den Knappen nur noch der Verweis auf die rein theoretisch noch denkbare Rettung.
Es ist dieser Vergleich, der aufzeigt, welchen guten Weg die einen und welchen schlechten Weg die anderen in einer äußerst ähnlich verzwickten Lage gewählt haben. Mainz konnte nicht nur hier und da Achtungserfolge erzielen, sondern sich nachhaltig stabilisieren. Schalke hingegen ist schon jetzt abgestiegen, mit zahlreichen sehr peinlichen Auftritten in den Wochen und Monaten zuvor.