Lionel Messis Mega-Gehalt: Viel Lärm - und noch mehr Heuchelei - um nichts!
Von Guido Müller
Dass der Profi-Fußball, zumal in Europa (wo das meiste Geld in diesem Geschäft fließt), ein riesengroßer Zirkus ist, wissen die, die sich damit beschäftigen, schon seit Langem. Dass dieser Zirkus (genauso wie Tiger, die durch brennende Reifen springen müssen) nichts, aber auch absolut gar nichts, mit der Realität der restlichen Gesellschaft zu tun hat, ist auch bekannt. Von daher kann ich die ganze, bisweilen von Heuchelei nur so triefende Diskussion um die veröffentlichten Daten von Messis Vertrag beim FC Barcelona nicht verstehen.
Bereits vor der Filtrierung der Vertragsdetails durch die Madrider (ein Schelm, der Böses dabei denkt!) Tageszeitung El Mundo, wussten die meisten, dass Messi beim FC Barcelona mindestens 100 Millionen Euro brutto jährlich einstreicht.
Parallelgesellschaft Profi-Fußball
Nun sind es - offiziell - noch 38 Millionen Euro mehr. Aber wo genau liegt das Problem? Der Profi-Fußball ist eine Parallelgesellschaft, die sich nicht mit den üblichen Maßstäben unserer aller Alltagswelt messen lässt. Er ist für viele von uns ein Vehikel, das einen durch das tägliche Hamsterrad führt. Ein Ventil für Emotionen. Ein Generator für Illusionen, denen anzuhängen uns die harten Dinge des Lebens für einen Moment (meist neunzig Minuten!) vergessen hilft.
Und im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Blasen (wie z.B. im Immobiliengeschäft) ist das Geld, das in diese Scheinwelt gespeist wird, real existent. Den Fernsehanstalten rund um den Globus sei Dank. Es sind also keine spekulativen Gelder, die da jährlich in Milliardenhöhe von den nationalen Fernsehanstalten an die Klubs gezahlt werden. Mal mehr, mal weniger gerecht verteilt. Aber das ist wieder eine andere Baustelle.
Wenn also ein Klub wie der FC Barcelona meint, sich für einen einzigen Spieler derart strecken zu müssen, muss er es halt tun. Die Konsequenzen daraus, zumal in einer plötzlichen Phase der weltweiten wirtschaftlichen Stagnation (oder gar Rezession), muss der Klub nun auch tragen.
Nebenbei bemerkt: andere Klubs auf der Welt haben sich auch ruiniert - ohne Messi jemals in ihren Reihen spielen haben zu sehen. Von daher: Viel Lärm um eigentlich nichts.
Messis Gegenleistung: Titel, Titel und nochmal Titel
Und es ist ja auch nicht so, dass der FC Barcelona in den letzten eineinhalb Jahrzehnten nicht von Messis fußballerischen Qualitäten (die die der restlichen 99,99999 Prozent der Profi-Spieler turmhoch überragt) profitiert hätte.
Mit dem Argentinier im Kader haben die Katalanen seit der Saison 2004/05 viermal die Champions League gewonnen, sind neunmal spanischer Meister und sechsmal spanischer Pokalsieger geworden. Von anderen sportlich nicht ganz so bedeutenden Titeln (europäischer Supercup, nationaler Supercup, Klub-WM etc) ganz zu schweigen.
Und dieser Zirkus funktioniert nun mal so: Titel bedeuten Präsenz in den wichtigsten Wettbewerben. Und Präsenz in diesen Wettbewerben bedeutet Geld. Geld, das meist postwendend wieder in den Zirkus re-investiert wird. The show must go on. Denn die Fans auf der ganzen Welt verlangen dies.
Auf eine detaillierte Auflistung der Gelder, die Messi für den Klub generiert hat, warte ich nun mit Ungeduld. Vielleicht hat El Mundo ja schon was in dieser Richtung in Arbeit.
In diese Richtung argumentieren nun auch der geschasste Klub-Präsident der Azulgrana, Josep Maria Bartomeu, und der spanische Liga-Chef Javier Tebas. Kann man bei Bartomeu vielleicht noch ein starkes Eigeninteresse unterstellen, seine eigene Person in dieser Causa in ein besseres Licht zu rücken, sieht das beim per se unparteiischen Boss von LaLiga schon anders aus.
Beide heben hervor, dass es vor allem die Covid-Pandemie war, die der Buchhaltung der Katalanen einen dicken Strich durch ihre seit langem aufgestellte Rechnung gemacht hat.
Bartomeu: "Leo verdient jeden Euro!"
"Leo", so Bartomeu, "verdient jeden Euro, den er bekommt, sowohl aus sportlicher als auch aus kommerzieller Sicht." Muss er ja sagen, werden Bartomeus Kritiker nun entgegenhalten. Schließlich zeichnet er - als damaliger Vereinspräsdient - für die letzte sukkulente Gehaltserhöhung für den Superstar im Jahr 2017 verantwortlich.
Und wahrscheinlich wäre das Thema ohne diesen vermaledeiten Virus gar nicht so groß aufgepoppt. Aber Covid-19 weiß nun mal nichts von Superstars oder Traditionsklubs. Die Folgen spüren - nicht nur im Fußball - bis auf wenige Krisengewinnler absolut alle auf dieser Welt. Auch der FC Barcelona.
"Ohne die Pandemie", hält Bartomeu denen, die sich jetzt über Messis astronomisches Gehalt echauffieren, entgegen, "kann Barca sein Gehalt ganz einfach bezahlen". Vielleicht wäre die Konjunktiv-Form hier angebrachter gewesen - sie hätte aber an der Richtigkeit des Kerns dieser Aussage nichts geändert.
Ohne Corona würde es die Debatte wohl gar nicht geben
Rückendeckung erfahren Bartomeu, und somit Messi und der Klub als solcher, auch von Liga-Boss Javier Tebas: "Die heikle finanzielle Situation von Barcelona ist nicht Messis Schuld, sondern auf die Auswirkungen von Covid-19 zurückzuführen. Ohne eine Pandemie gleichen die Einnahmen des besten Spielers der Geschichte diese Kosten aus. Einige Medien behandeln dieses Problem nicht fair".
Und von diesen einigen Medien konnten einige gestern schon wieder nicht laut genug in Lobeshymnen ausbrechen. Klar, da ging es ja auch wieder nur über das Geschehen auf dem Rasen. Gleichsam als könne man dieses losgelöst von den finanziellen Hintergründen bewerten.
Denn beim 2:1-Sieg der Blaugrana gegen Athletic Bilbao machte Lionel Messi zum mittlerweile 650. Mal genau das, wofür er beim FC Barcelona bezahlt wird: ein Tor. Marke des Hauses könnte man sagen. Ein Freistoß, getreten mit der Selbstverständlichkeit, die nur den Allergrößten vorbehalten ist. Trotz doppelter Absicherung des Tores durch die Basken.
Und immer dann, wenn er mal wieder eines dieser unnachahmlichen Tore erzielt hat, heben ihn dieselben Medien auf den Thron, die ihn anschließend am liebsten von selbigem stürzen würden. Aber so funktioniert sie halt, diese Blase Profi-Fußball mit all ihren medialen Begleitern.