"Zu 100% angekommen" - Leroy Sané erklärt seine Formstärke und Ziele

So stark wie noch nie: Bayern-Star Leroy Sané hat sich den Fragen des Kickers gestellt
So stark wie noch nie: Bayern-Star Leroy Sané hat sich den Fragen des Kickers gestellt / Maja Hitij/GettyImages
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Leroy Sané hat in der laufenden Saison eine eindrucksvolle Entwicklung hingelegt. Der Bayern-Star glänzt vorne mit Toren und Vorlagen und in der Defensive mit Laufstärke und einem enormen Arbeitsaufwand. Im kicker-Interview sprach er über seine derzeitige Rolle in München und seine Ambitionen auf den Champions-League-Sieg und den WM-Titel.


Mit ein wenig Verspätung hat der Münchner Mega-Transfer aus dem Sommer 2020 doch noch so richtig eingeschlagen. Leroy Sané gehört derzeit zu den besten Außenstürmer Europas und bringt es in der laufenden Spielzeit auf 25 Scorer. Während der Spieler im Vorjahr zum Teil recht heftig kritisiert wurde, ist er insbesondere wegen seiner Einstellung und seines zurückerlangten Selbstvertrauen stärker als je zuvor.

"Es war im vorigen Jahr ein bisschen schwierig mit Corona und den Nachwirkungen meines Kreuzbandrisses. Es dauerte eine Saison. Trotzdem half mir das vergangene Jahr, meinen Körper besser kennenzulernen. Ich weiß jetzt, was ich brauche; was ich machen muss. Jetzt bin ich topfit. Also kann ich sagen: Ja, ich bin zu hundert Prozent angekommen", zeigte sich der 25-Jährige erleichtert.

Die starken Leistungen der letzten Monate sind sicherlich auch daran festzumachen, dass Julian Nagelsmann ein wenig herumgeschraubt hat und Sané inzwischen etwas zentraler aufbietet. Seinen Qualitäten kommt dies ebenso entgegen, wie die ohnehin schon sehr offensive Münchner Fußball-Philosophie.

"Ich spiele den Fußball, den ich mag, und bringe das auf den Platz, was ich zeigen möchte. Das läuft im Moment gut. Ich spüre auch die Anerkennung der Fans, das ist umso schöner", erläuterte er.

Sané nach Pfiffen wieder oben auf: "Spielst du gut, sind alle am Jubeln"

Eben diese Anerkennung blieb Leroy Sané lange verwehrt. Jeder kann sich daran erinnern, wie der Spieler zu Saisonbeginn ausgepfiffen wurde und bei der EM zum Sündenbock gemacht wurde. Der Offensivspieler hat all das Negative jedoch nicht zu sehr an sich rankommen lassen und zeigt sogar Verständnis.

"Ich kann die Fans verstehen. Sie erwarten Leistung. Wenn die nicht stimmt, sind sie sauer, das ist klar. Man muss solche Kritik immer für sich einordnen können. Überspitzt gesagt: Spielst du gut, sind alle am Jubeln. Spielst du schlecht, sind alle am Schimpfen. Das ist im Leistungssport so, damit muss ich umgehen", erklärte er.

"Natürlich lässt einen das nicht kalt. Ich versuche nur, es nicht zu sehr an mich heranzulassen. Weil ich weiß, was ich kann. Um mich herum kann jeder sagen, was er möchte, im Endeffekt bin ich derjenige, der die Leistung bringen muss", fügte er hinzu.

Trotz mäßiger Chancenverwertung: Sané an beiden Enden des Platzes ein Erfolgsgarant

Luft nach oben hat der Bayern-Star trotz allem noch immer. Häufig erzielt Sané Treffer aus eher aussichtslosen Positionen, wohingegen er Großchancen noch zu oft liegen lässt. Vor der Saison 2020/21 erklärte der Spieler, noch mehr Tore schießen zu wollen. Wettbewerbsübergreifend sind es in der laufenden Saison zwölf Stück, was alles in allem als Erfolg angesehen werden kann.

"Beklagen kann ich mich nicht. Ich bekomme relativ viele Chancen und versuche, sie dann zu verwerten. Jeder Spieler will immer noch besser werden, ich mache mich da aber selbst nicht wirklich verrückt", so der Münchner.

Beeindruckend ist darüber hinaus auch die Defensivarbeit von Leroy Sané. Während er früher häufig noch lustlos hinterhergetrabt war, gibt der Profi nun nach jedem Ballbesitz Vollgas und hat dabei meist auch Erfolg.

"Von uns Offensivspielern wird erwartet, dass wir auch gegen den Ball arbeiten. Das macht es für den Gegner schwieriger. Ich selbst bleibe dadurch dauerhaft im Rhythmus und sammle gleichzeitig Selbstvertrauen, wenn ich defensiv einen Zweikampf gewinne", zeigte er die positiven Aspekte auf. "Als Mannschaft kann man nur erfolgreich sein, wenn alle helfen", legte er sich fest.

Mutiert Offensiv-Gigant Sané nun also zum defensiven Arbeitstier? Ganz so weit wird es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kommen.

"Ich will nicht zum Defensivspieler umgeschult werden", erklärte er lachend. "Solange es offensiv ist, bin ich total offen. Viele Positionen zu spielen, hilft jedem Spieler weiter, man lernt und verbessert sich. In der Mitte fühle ich mich genauso wohl wie links oder rechts, es läuft dort im Moment sehr gut", so der vielseitige Offensivspieler.

Sané hat Mut zum Risiko: "Das ist mein Spiel"

Die offensive Rolle, die Sané beim FC Bayern derzeit innehat, kommt ihm vor allem deswegen entgegen, weil er sein risikoreiches Spiel dadurch besser zur Geltung bringen kann. Auch ein Klasse-Kicker wie der 25-Jährige muss schließlich vor jeder Situation abwägen, inwiefern sich ein riskantes Manöver lohnt.

"Ich schaue immer, in welcher Position ich mich befinde. Je tiefer ich in der eigenen Hälfte stehe, desto einfacher zu spielen versuche ich und Ruhe auszustrahlen, damit wir den Ball halten. Je näher es zum gegnerischen Tor geht, je mehr wir attackieren, desto stärker gehe ich Risiko ein, vor allem im letzten Viertel. Wenn ich zum Dribbling ansetze, tue ich das, um den Gegner herauszufordern und Lücken zu öffnen. Das ist mein Spiel. Ich dribble, um Räume für meine Mitspieler zu schaffen, die besser stehen oder näher am Tor sind", erklärte der Bayern-Star seine Spielweise.

Leroy Sané will den Henkelpott: "Hoffe, ich schaffe es in diesem Jahr"

Im Gegensatz zu den meisten Bayern-Stars im Kader, konnte sich Leroy Sané noch nicht mit dem Champions-League-Titel rühmen, weil er schlichtweg ein Jahr zu spät in München aufkreuzte, was damals vor allem an seiner ärgerlichen Kreuzbandverletzung lag. Mit der jetzigen Bayern-Generation ist jedoch noch immer alles möglich, vielleicht ja sogar der Rekord von Real Madrid mit drei Erfolgen am Stück.

"Real hat vorgelegt. Für die größten Vereine ist es eines der größten Ziele, diesen Titel so oft wie möglich zu gewinnen. Mir fehlt er noch, deshalb steht er bei mir ganz oben. Ich hoffe, ich schaffe es in diesem Jahr", zeigte er sich hoffnungsvoll.

Die größte Münchner Trumpfkarte ist dabei definitiv die Offensive. Der FC Bayern hat in der Gruppenphase die meisten Tore erzielt, woran insbesondere auch Sané mit fünf Toren und vier Vorlagen einen gewaltigen Anteil hatte.

"Für jeden Profi ist dieser Wettbewerb etwas Besonderes. Es ist ein sehr großer Titel, den viele große Spieler und Vereine gewonnen haben. Deshalb mag ich diese Bühne und den Druck großer Spiele. Sie zu gewinnen macht am meisten Spaß. In der Liga ist nach einem Aussetzer noch längst nicht alles verloren", erklärte der frühere Schalker.

Als Schwachpunkt der Bayern gilt klar die Defensive. Im Vergleich zu der Ära Heynckes oder Guardiola fangen sich die Münchner deutlich mehr Gegentore ein. Dies kann in der Königsklasse natürlich fatal enden. Sané nimmt sich und seine Teamkollegen in diesem Punkt noch mal ganz besonders in die Pflicht.

"Ich kann verstehen, dass Manuel Neuer ab und zu sauer ist, wenn er ein Tor bekommt, weil er eigentlich alles rausholt, was man rausholen kann, sogar viele Bälle, die man eigentlich nicht halten kann. Wir müssen uns alle generell in unserem Defensivverhalten sicher noch verbessern", forderte er.

Sané vor WM in Katar optimistisch: "Mein persönliches Ziel, Weltmeister zu werden"

Neben der Champions League fehlt Sané jedoch auch noch ein großer Titel mit der Nationalmannschaft. Ein Schicksal, das er zumindest mit fast allen seiner deutschen Teamkollegen teilt, zumal der WM-Titel - man glaubt es kaum - bereits siebeneinhalb Jahre zurückliegt. Das Jahr 2022 bietet jedoch die Chance, dies nachzuholen, selbst wenn der Austragungsort einiges an Vorfreude nimmt.

Sané möchte vorzugsweise beide Pokale schon bald nach oben halten. "Beide Titel sind mein Ziel, und man kann sie nicht wirklich vergleichen. Die WM ist bei vielen sicher noch etwas größer und höher angesehen, weil sie nicht in jedem Jahr gespielt wird – was auch gut so ist", stellte er einen Vergleich.

Während die meisten Experten Bayern zu den Favoriten in der Königsklasse zählen, hat sich die DFB-Elf nach den zahlreichen Enttäuschungen aus dem engsten Kreise der Titel-Anwärter verabschiedet. Dem stimmte beispielsweise auch Bastian Schweinsteiger zu. Sané möchte die Hoffnungen ein knappes Jahr vor dem Turnier jedoch nicht aufgeben.

"Wir sahen mit der Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren nicht so gut aus, deswegen kann ich seine Argumentation nachvollziehen. Dennoch: Die WM ist ein Turnier, es geht bei null los, man muss sich gut darauf vorbereiten. Erst dann sieht man, wie gut die anderen sind und man selbst ist. Für viele Spieler bei uns und auch für mich persönlich ist es das Ziel, Weltmeister zu werden – und das sollte auch so sein", zeigte er sich zuversichtlich.

Zuletzt erlebte die Mannschaft unter dem neuen Trainer Hansi Flick einen deutlichen Aufschwung. Der ehemalige Bayern-Coach gilt als große Trumpfkarte neben der überragenden 95er- und 96er- Generation, auf die es in Katar besonders ankommen wird.

"Ich übernehme gerne Verantwortung, aber mehr aufgrund dessen, wie ich spiele. Da ist es sicher schön, die entscheidenden Tore zu erzielen. Aber ich bin nicht derjenige, der sagt, ich will unbedingt Kapitän werden. Oder ich bin der alleinige Spiele-Entscheider. Ich versuche, mich von Saison zu Saison zu verbessern. Das ist mein persönlicher Anspruch", erklärte er.

Sane bald ein Ballon d'Or-Kandidat? "Zu viel träumen bringt nichts"

Sollte es mit den ganz großen Titeln klappen, wäre Sané einer der wenigen deutschen Kandidaten, die im Idealfall sogar eine Chance auf den Ballon d'Or oder andere große individuelle Auszeichnungen haben könnten. Damit möchte sich der Bayern-Star jedoch nicht zu sehr befassen.

"Ich weiß, was ich kann und dass ich noch viel dazulernen muss. Ich bin noch nicht am Ende. Aber ich mache mir keinen Druck. Ich versuche, darauf hinzuarbeiten, Tore zu schießen, gut zu spielen und Titel zu gewinnen. Da reiht man sich dann automatisch bei den Spielern ein, die das Gleiche tun. Aber man kann solche Trophäen nur dann gewinnen, wenn man über die gesamte Saison seine Leistung bringt. Zu viel zu träumen bringt nichts, ich muss die Leistung abrufen", ist sich der Spieler im Klaren.

Allein, dass der Spieler darauf überhaupt angesprochen wird, zeigt ganz gut, wie grandios er sich in den letzten Monaten entwickelt hat.


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