Leeds United: Erst denken, dann twittern
Von Stefan Janssen
Leeds United hat am Dienstag eine TV-Expertin für ihre Aussagen in den sozialen Medien bloßgesellt. Der Verein zeigt sich überhaupt nicht einsichtig und ist sich der Verantwortung bei seiner Followerzahl offenbar nicht bewusst.
Jeder kennt wahrscheinlich den alten Grundsatz: "Erst denken, dann reden." Heute, im Jahr 2021, muss er auf das Feld des Internets und vor allem Social Media erweitert werden: "Erst denken, dann twittern." Diese Erfahrung hat der Premier-League-Klub Leeds United in dieser Woche gemacht.
Leeds nimmt TV-Expertin ins Visier
Nach einem 5:0-Sieg gegen West Bromwich Albion war die Social-Media-Abteilung des Aufsteigers nämlich in derart euphorischer Stimmung, dass sie direkt mal ein Fadenkreuz auf TV-Expertin Karen Carney richtete. Die 33-jährige englische Nationalspielerin hatte nämlich gesagt, dass die Corona-Pause und die daraus resultierende Atempause zu Leeds' Aufstieg geführt habe. Der Traditionsklub verbreitete das Video, versah es mit einem nachdenklichen Emoji und verwies auf den Vorsprung von zehn Punkten am Ende der Saison.
Selbstverständlich kann man die Aussage Carneys kritisieren und muss ihre Meinung nicht teilen. Doch bevor man einen solchen Tweet absetzt, sollte man sich noch einmal ein, zwei Minuten Zeit nehmen um nachzudenken, was passieren könnte, wenn man 667.000 Follower hat. Wäre es vielleicht möglich, dass es zu einem sexistischen Shitstorm auf die Expertin führt?
Jeder, der sich selbst diese Frage mit "Ja" beantwortet, hat natürlich Recht. Carney sah sich sofort zahlreichen sexistischen Hass-Kommentaren ausgesetzt und löschte am Neujahrstag schließlich ihren Account. Der Guardian schrieb: "Wie konnte Leeds United nicht erkennen, was passieren würde, wenn es eine Frau ins Visier nimmt?" (via kicker).
In England gibt es deshalb jetzt eine Diskussion über die Verantwortung der Vereine in den sozialen Netzwerken. Schnell könnte man natürlich dagegen setzen, dass, wenn ein Mann eine solche Aussage getätigt hätte, diese Diskussion jetzt nicht geführt werde. Stimmt. Ein Mann muss sich aber vielleicht ein paar höhnische Kommentare gefallen lassen, nicht aber Aussagen wie, er habe seinen Job nur aufgrund einer Quote und viel Schlimmeres. Zudem würde er fachlich kritisiert werden, niemals aber für sein Geschlecht. Und genau da beginnt die Verantwortung: So etwas muss man wissen, bevor man einen solchen Tweet in die Welt hinausschickt.
Der Klub ist sich keiner Schuld bewusst
Leeds hat das allerdings bis heute nicht verstanden. Der Tweet ist weiterhin nicht gelöscht und Klub-Besitzer Andrea Radrizzani twitterte: "Ich übernehme die Verantwortung für den Klub-Tweet. Ich halte diesen Kommentar für völlig unnötig und respektlos gegenüber unserem Verein und insbesondere gegenüber der fantastischen harten Arbeit unserer Spieler und Trainer." Wenn selbst der mächtigste Mann eines Vereins mit einer solchen Reichweite so reagiert, ist das wirklich ein Problem.
Denn selbstverständlich geht es nicht um die inhaltliche Kritik an Carneys Worten. Die ist absolut erlaubt und damit muss sie natürlich rechnen, wenn sie als TV-Expertin arbeitet. Es geht viel mehr um die Art und Weise, um die Bloßstellung und ja fast schon die Aufforderung an die Follower, die Frau zu attackieren. All das war bei einem solchen Tweet zu erwarten gewesen, so traurig das grundsätzlich ist. Schade, dass sich ein Premier-League-Klub seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht bewusst ist.