"Lauf rum, wo du willst" - Brandt widerlegt Favre-Kritiker

Ein Freigeist bei Borussia Dortmund: Julian Brandt
Ein Freigeist bei Borussia Dortmund: Julian Brandt / Martin Rose/Getty Images
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Seit Lucien Favre bei Borussia Dortmund angeheuert hat, wird viel über Formationen und Systeme diskutiert. Dabei berichtet Julian Brandt im Interview mit DAZN, dass der 62-jährige Schweizer ihm alle Freiheiten auf dem Spielfeld gewährt.

Dass Lucien Favre am liebsten mit einer Viererkette spielen lassen würde, ist ein offenes Geheimnis. Und doch vertraut der Cheftrainer von Borussia Dortmund in der Regel auf eine Formation mit drei Abwehrspielern, da sich seine Mannschaft in diesem Grundgerüst deutlich stabiler präsentiert als in einem klassischen 4-2-3-1 oder 4-3-3.

Schon kurz nach seinem Amtsantritt im Sommer 2018 wurde Favre nach Formationen und Systemen gefragt. Damals, weil Mario Götze zu Beginn viel Zeit auf der Bank verbracht hatte. Im vergangenen Jahr kamen derartige Fragen wieder auf, weil der BVB insbesondere gegen den Ball große Schwierigkeiten hatte. Dabei ist Favre kein Verfechter davon, sich auf eine Variante zu versteifen, wie er bereits im Mai 2018 in einem Interview mit dem Socrates Magazin erläuterte: "Was die Spielsysteme betrifft, werden sie während des Spiels angepasst. Zum Beispiel fängt man mit einem 4-3-3-System an und nach zehn Minuten wird es zu einem 3-4-3 oder einem 3-4-1-2, was vor ein paar Jahren noch nicht der Fall war."

Die eine Formation oder das eine System gibt es für Lucien Favre nicht. Der Trainer von Borussia Dortmund steht für Variabilität.
Die eine Formation oder das eine System gibt es für Lucien Favre nicht. Der Trainer von Borussia Dortmund steht für Variabilität. / DeFodi Images/Getty Images

Die Gründe dafür: Einerseits seien die Spieler heutzutage variabler und dazu imstande, mehrere Rollen zu beherrschen. Andererseits werde das Fußballspiel "immer intensiver". "Der größte Unterschied zu früher ist die Bewegung", sagte Favre. "Um den Gegner zu überraschen und zu besiegen, muss man schnell und zielstrebig nach vorne spielen."

Tempo und Variabilität - insbesondere durch Positionswechsel im Laufe des Spiels - sind ein Markenzeichen der Dortmunder Mannschaft unter Favre. Das andere sind Dribbler wie Jadon Sancho, Thorgan Hazard oder Marco Reus. "Ein Spieler, der zwei Gegner durch ein Dribbling eliminiert und dann einen feinen Pass spielt, das ist der Sinn des Kollektivs", sagte der als detailversessen geltende Übungsleiter. "Für mich ist es notwendig, Spieler in seinen Reihen zu haben, die dribbeln können, weil sie jederzeit den Unterschied machen können."

Brandt über Anweisungen von Favre: "Lauf rum, wo du willst"

Es sind viele Aspekte, die aus Favres Sicht nötig für eine Mannschaft sind, um erfolgreich zu sein. Diese müssen stets an die Qualität des Kaders und der einzelnen Spieler angepasst werden. Ein starres Positionsspiel, wie es ihm zahlreiche schwarz-gelbe Fans häufig vorwerfen, gehört aber nicht dazu, wie Julian Brandt bei DAZN unterstreicht (via kicker): "Unser Coach ist mittlerweile an dem Punkt angelangt, dass er zu mir kommt und sagt: 'Wenn du auf dem Platz stehst - das ist deine Position, aber lauf rum, wo du willst.' Also natürlich offensiv."

Von Lucien Favre erhält Julian Brandt alle Freiheiten auf dem Platz (v.r.)
Von Lucien Favre erhält Julian Brandt alle Freiheiten auf dem Platz (v.r.) / TF-Images/Getty Images

Der deutsche Nationalspieler kann sich mit dieser freien Interpretation seiner Rolle anfreunden: "Wenn ein Trainer zu mir kommt und sagt: Du spielst da, auf der Position, du machst aber genau das, du musst nach den Abläufen und nach dem Muster spielen - das wäre für mich der Horror."

Für einige Personalentscheidungen darf Favre durchaus kritisiert werden - etwa, wenn Brandt in der Spitze agieren muss, in der er nicht ansatzweise so aufblüht wie im zentralen Mittelfeld; oder wenn an formschwachen Spielern wie Manuel Akanji in der vergangenen Saison zu lange festgehalten wird; oder wenn eine Torwart-Diskussion eröffnet wird, die es seit der Verpflichtung von Roman Bürki im Sommer 2015 eigentlich nicht gegeben hat. Geht es um das Fußballspielen an sich, muss man allerdings Favres Ansichten zunächst verstehen und verinnerlichen, ehe die alljährliche "Systemfrage" eröffnet wird. Mit dieser Frage macht man es sich in den immer komplexeren taktischen Elementen des Spiels zu einfach.