Krisenstimmung beim BVB: Wo liegen die Probleme - und was kann Terzic tun?
- Die Schwachstellen im BVB-Spiel
- Muss Terzic umstellen?
- Was können die Lösungsansätze sein?
Von Simon Zimmermann
Der BVB hat den Saisonstart verpatzt. Die Stimmung ist in der Länderspielpause entsprechend mies. Wo liegen die Probleme von Schwarzgelb. Und was kann Trainer Edin Terzic dagegen tun? Eine Spurensuche.
Mit fünf Punkten, einem Sieg, zwei Remis und einem Torverhältnis von vier zu drei ist der BVB in die Bundesliga-Saison 23/24 gestartet. Nach drei Spieltagen hinkt Schwarzgelb der Tabellenspitze damit bereits vier Punkte hinterher. Und das, obwohl man mit Köln, Bochum und Heidenheim ein durchaus machbares Auftaktprogramm vor der Brust hatte.
Entsprechend mies ist die Stimmung in Dortmund. Klubboss Hans-Joachim Watzke hat für die Länderspielpause bereits eine Analyse der Situation angesetzt. Damit gesteht er sich und dem Klub Fehler ein, die im Sommer und zum Saisonstart gemacht wurden.
Betreffen dürfte das zum einen die Transferperiode. Zum anderen die Leistungen des vorhandenen Personals und von Trainer Edin Terzic.
Mit der Schließung des Transferfensters muss Terzic - der von Watzke vor dem Saisonstart noch in höchsten Tönen gelobt wurde - mit dem vorhandenen Personal zurechtkommen. Welche Möglichkeiten hat der BVB-Coach, um nach der Länderspielpause bessere Auftritte seiner Mannschaft sehen zu können?
Der BVB trifft dann zunächst auf den SC Freiburg (A), bevor es in der "Todesgruppe" der Champions League nach Paris zu PSG geht. Im Anschluss warten der VfL Wolfsburg (H), die TSG Hoffenheim (A) und die AC Mailand (H).
Wo liegen die Probleme beim BVB?
An den ersten beiden Spieltagen gegen Köln und in Bochum hatte die Borussia vor allem Probleme damit, sich eigene Chancen herauszuarbeiten. Gegen Heidenheim waren dann viele Gelegenheiten da, man verpasste es aber mit dem 3:0 für die endgültige Entscheidung zu sorgen. Stattdessen verfiel das BVB-System im Verlauf der zweiten Halbzeit immer mehr in seine Einzelteile. Ein Mittelfeld war kaum mehr vorhanden, die Lücken zwischen den Mannschaftsteilen eklatant. Zwar hätte man das Spiel in letzter Sekunde auch noch gewinnen können. Hätte Heidenheim die Konter dagegen besser ausgespielt, wäre auch eine Pleite möglich gewesen.
BVB extrem Konteranfällig: Zu große Abstände im Mittelfeld
Taktik-Experte Tobias Escher sieht vor allem in den großen Abständen zwischen den Mannschaftsteilen ein eklatantes Problem der Borussia. Die Besetzung im Mittelfeld mit Spielern wie Can, Brandt, Sabitzer, Nmecha und Reus sei zwar gut. Das taktische Verhalten dagegen mangelhaft. Während Can sich häufig tief fallen lässt und den Raum vor der Abwehr hält, positionieren sich die beiden Achter in Terzic' 4-3-3 sehr hoch. Dadurch klafft zwischen Can und seinen beiden Mittelfeld-Kollegen häufig ein riesiges Loch.
Gegen Heidenheim offenbarte sich einmal mehr, wie anfällig der BVB bei Ballverlusten in der gegnerischen Hälfte ist und wie hoch die Kontergefahr wird, die daraus resultiert. Häufig müssen die Innenverteidiger gefährliche Situationen in höchster Not klären.
Welche Änderungen könnte Terzic vornehmen?
Naheliegend wäre auf den ersten Blick eine Systemumstellung. Terzic könnte zum einen wieder auf eine Doppelsechs setzen. Oder zum anderen auf ein System mit Dreierkette umstellen.
Der BVB mit Doppelsechs
Die Übergänge zwischen einem 4-3-3 und einer Formation mit Doppelsechs (etwa ein 4-2-3-1) sind fließend. Marcel Sabitzer könnte neben Can beispielsweise den zweiten Sechser geben und insgesamt dann nicht mehr ganz so offensiv agieren wie als Achter. Noch defensiver wäre die Hereinnahme von Salih Özcan als Nebenmann von Can. Öczan ist ebenfalls ein defensiv orientierter Mittelfeldspieler. Leiden könnte darunter allerdings die Durchschlagskraft in der Offensive - die bereits an den ersten beiden Spieltagen ein Problem war.
Bedingt wurde das vor allem in Bochum aber auch mit einer enorm schwachen Passquote. Und Offensivspielern, die sich nicht in Bestform präsentierten. Sebastien Haller sticht hier heraus. Der Ivorer hat zu Saisonbeginn enorme Probleme, Bälle in der Spitze festzumachen.
Der BVB mit einer Dreierkette
Möglich wäre auch eine Formation, in der Schlotterbeck, Hummels und Süle zusammen eine Dreierkette bilden. Die Außenverteidiger könnten dann noch offensiver agieren. Auch Bensebaini wäre eine Option als linker Innenverteidiger. Dann aber müsste Terzic einen zentralen Mittelfeldspieler opfern. Was wiederum die Statik im ohnehin schwächelndem Zentrum verändern würde.
Was ohnehin gegen eine Dreierkette spricht: Die Personaldecke in der Abwehr ist dünn. Es fehlt ein weiterer Innenverteidiger. Und auch auf den Flügeln sind die Möglichkeiten begrenzt.
Insgesamt erscheint ein Systemwechsel hin zur Dreierkette nicht realistisch. Weil Edin Terzic nicht unbedingt ein Freund davon zu sein scheint. Und weil es die Personaldecke nicht unbedingt hergibt.
Viel eher wird Terzic versuchen (müssen), die Probleme im aktuellen System zu beheben. Probleme, die den BVB allerdings nicht erst seit dem Saisonstart begleiten, die aber mit dem Abgang von Jude Bellingham und der Neubesetzung des zentralen Mittelfelds deutlicher wurden.
Mögliche Maßnahmen im aktuellen 4-3-3
Individuelle Fehler - wie der katastrophale Fehlpass von Marius Wolf vor dem ersten Heidenheim-Treffer - kann Terzic nur bedingt abstellen. Vor allem in der Kürze der Zeit. Wie gesagt: Er muss auf das vorhandene Personal bauen. Terzic sollte hier aber einige Stellschrauben finden, damit der BVB wieder erfolgreicheren und vor allem besseren Fußball spielen kann.
Der Schlüssel dazu sollte im zentralen Mittelfeld und der Offensiv-Besetzung liegen. Die beiden Rollen vor Emre Can müssen besser definiert werden. Julian Brandt hat deutlich unter Beweis gestellt, dass er als Achter wertvoller ist als auf dem Flügel. Ihm sollte die offensivste Rolle im Dreier-Mittelfeld zukommen. Vor Can als "Holding Six" braucht es dazu noch einen Spieler, der die Balance besser herstellt. Prädestiniert wäre hierfür der erfahrene Sabitzer, der seine Position als Achter etwas defensiver interpretieren sollte.
Helfen könnte nach der Länderspielpause auch, dass mit Malen und Adeyemi die erfolgreiche Flügelzange aus der vergangenen Rückrunde wieder regelmäßig auflaufen kann. Beide geben dem BVB Tempo und Qualitäten im Eins-gegen-eins. Enorm wichtig ist im BVB-System aber auch ein starker Mittelstürmer. Haller besitzt prinzipiell alle nötigen Qualitäten dafür, ist derzeit aber im Formloch. Mit Niclas Füllkrug hat man einen ähnlichen Spielertypen, der schon am vierten Spieltag ein Kandidat für die Startelf ist - vorausgesetzt er hat seine leichte Verletzung bis dahin überwunden.
Mehr Ballsicherheit, besseres Pass- und Positionsspiel, mehr Balance im Mittelfeld und ein funktionierender Dreier-Sturm. Die Erfolgsformel für den BVB klingt recht einfach. Der Weg dorthin ist es nicht. Nach der Länderspielpause muss Schwarzgelb liefern. Sonst wechselt die Stimmungslage schnell von 'mies' zu 'bedrohlich'!
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