Konkurrenzkampf im deutschen Tor - Der Mut des Horst Hrubesch

Jahrelang galt Merle Frohms als gesetzt auf der Torhüterposition der deutschen Nationalmannschaft. Nun - kurz vor Olympia - hat Hrubesch den Kampf um die Position eröffnet, den Merle Frohms an Ann-Katrin Berger verloren hat.
Horst Hrubesch setzt auf Ann-Katrin Berger.
Horst Hrubesch setzt auf Ann-Katrin Berger. / Selim Sudheimer/GettyImages
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Deutschland ist nicht nur das Land der Dichter und Denker, sondern auch das Land der Torwartdiskussionen. Erst vor wenigen Wochen diskutierten Millionen Deutsche darüber, ob Marc-André ter Stegen statt FC-Bayern-Kapitän Manuel Neuer bei der Heim-Europameisterschaft im Tor stehen soll - und das, obwohl sich Julian Nagelsmann bereits im März öffentlich für Neuer als Nummer eins ausgesprochen hatte. 

Öffentliche Diskussionen gehören im Profifußball zum Geschäft, aber am Ende entscheidet der Trainer, wen er vorne sieht. Der 38-Jährige Neuer zeigte bei der Europameisterschaft gute Leistungen.

Ähnlich sieht es bei der Frauen-Nationalmannschaft aus: Mit Merle Frohms und Ann-Katrin Berger stehen zwei Weltklasse-Torhüterinnen im Kader, und auch die Zukunft ist gesichert. Mit Mala Grohs, Ena Mahmutovic und Stina Johannes wird das deutsche Tor auch nach der Ära Frohms und Berger gut bewacht sein.

Austria v Germany - UEFA Women's European Qualifier
Bei den vergangenen Turnieren war Merle Frohms als Nummer eins gesetzt. / Severin Aichbauer/GettyImages

Frohms, die für den VfL Wolfsburg spielt, trat 2020 die Nachfolge von Almuth Schult als Nummer eins im deutschen Tor an und war seitdem gesetzt. Die 29-Jährige hatte großen Anteil am Gewinn der Silbermedaille bei der Europameisterschaft vor zwei Jahren und auch bei der enttäuschenden WM im vergangenen Jahr leistete sich die Torhüterin keine großen Fehler. 

Berger, die seit ihrem Wechsel vom FC Chelsea zum US-Klub NJ/NY Gotham FC überragende Paraden zeigt, überzeugt vor allem mit ihrer Spieleröffnung und ihrer Ruhe am Ball. Zudem gilt die Torhüterin als echte Elfmeterkillerin, was der deutschen Mannschaft beim Einzug in die K.o.-Runde zum Vorteil gereichen könnte. 

Konkurrenz belebt das Geschäft

Für Bundestrainer Horst Hrubesch und sein Trainerteam war klar, dass er zwischen Berger und Frohms keine falsche Entscheidung treffen konnte. Beide überzeugen in ihren Vereinen, machen kaum Fehler und zeigen ihre Qualitäten. Eine knifflige Situation für den 73-Jährigen, aber im Profisport gehören schwierige Entscheidungen eben dazu und so sehr Fußball ein Mannschaftssport ist, so sehr gibt es in jeder Mannschaft Konkurrenz. Das ist wichtig, um sich gegenseitig zu pushen, das wusste auch Hrubesch. Im Gegensatz zu Nagelsmann legte sich der Interimstrainer der DFB-Frauen deshalb nicht fest und eröffnete den Kampf um den Platz im deutschen Tor. Dass Berger in der EM-Qualifikation gegen Österreich spielen durfte, konnte als Hinweis auf einen Wachwechsel gedeutet werden. Die 33-Jährige bereitete dann sogar zwei Tore vor.

Ann-Katrin Berger
Seit ihrem Wechsel überzeugt Berger in den USA. / Karen Hickey/ISI Photos/GettyImages

Dass Berger sich schließlich durchgesetzt hat, ist für Frohms ein harter Schlag. Sie hat alles gegeben, sich keine großen Fehler erlaubt, um auch bei Olympia im Tor zu stehen, aber manchmal reicht es nicht und Kleinigkeiten entscheiden. Im Gegensatz zu den Feldspielerinnen wird in der Regel nur eine Torhüterin während eines Turniers “gebraucht“ und als Ersatztorhüterin ist man nur da, falls die Nummer eins ausfällt. Klar ist: Merle Frohms steht bereit und würde auch bei einem Ausfall von Berger das Tor gut hüten - darauf kann sich Hrubesch verlassen.

Geteilte Meinung unter den Fans

Die Reaktionen der Fans fallen unterschiedlich aus, die meisten sind begeistert von den Leistungen, die Berger in den letzten Monaten gezeigt hat, aber einige Fußballfans sind enttäuscht, dass Frohms trotz guter Leistungen ihren Platz als Stammtorhüterin räumen musste. 

Im ersten Spiel des Turniers konnte Berger das Vertrauen ihres Trainers zurückzahlen und überzeugte. Hrubeschs Plan geht bisher auf, und wenn es so weitergeht, wird der 73-Jährige mit all seiner Erfahrung beweisen, dass er - wieder einmal - die richtige Entscheidung getroffen hat. Auf der Torhüterposition kann man bei zwei so erfahrenen Weltklassetorhüterinnen nicht viel falsch machen, aber Berger hat derzeit zu Recht die Nase vorn. 


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