Konkurrenzkampf bei Bayer Leverkusen: Wer hat wo die Nase vorn?

Trotz eines holprigen Saisonbeginns ist Bayer 04 Leverkusen aktuell mit der Welt im Reinen. Die Werkself steht nach sieben Spieltagen auf einem starken vierten Platz der Bundesliga und ist dort zudem noch ungeschlagen. Erfolgreich hat das Team eine erste Verletzungswelle überwunden, doch durch die kollektiv guten Leistungen steigt nun auch Kampf um die Einsatzzeiten.
Der Leverkusener Kader der laufenden Saison liest sich hochwertig - trotz der prominenten Abgänge von Kai Havertz und Kevin Volland im Sommer. Dennoch schmerzten die bisherigen Ausfälle von Spielern sehr, allen voran die monatelange Verletzungspause von Neuzugang Santiago Arias sorgte nicht nur beim Bayer für Entsetzen.
Mittlerweile hat die Werkself allerdings ihren Rhythmus und - noch viel wichtiger - ihre Formation gefunden. Trainer Peter Bosz lässt sein Team in einem offensiven 4-3-3 auflaufen, ähnlich wie vor allem in der Rückrunde 2018/19.
Nur ein Quintett ist absolut gesetzt
In der Aufstellung gesetzt ist ein Quintett bestehend aus Torhüter Lukas Hradecky, dem Innenverteidiger-Duo Sven Bender und Edmond Tapsoba, Rechtsverteidiger Lars Bender sowie Kapitän und Mittelfeldmotor Charles Aranguiz. Letzterer fehlte zwar in den vergangenen Wochen angeschlagen, dürfte nach seiner Rückkehr aber sofort wieder ins Team rotieren.
Für Ex-Kapitän Lars Bender hätte die Luft in dieser Saison dünner werden können, sollte niemand anderes als Santiago Arias den verletzungsanfälligen Leader entlasten (und ersetzen?). Durch dessen Verletzung hat sich die Konkurrenzsituation für Bender allerdings wieder etwas gelockert.
So sieht es auf den restlichen Positionen aus:
1. Linksverteidigung: Wendell vs. Sinkgraven
Über mehrere Saisons war der Brasilianer Wendell Platzhirsch auf Leverkusens linker Seite. Zugegeben, der 27-Jährige genießt rund um die Werkelf einen guten Ruf, sorgt im Team für gute Laune und hat unumstritten einen gesunden Offensivdrang. Ungünstig ist es nur, dass Wendell defensiv öfter mal patzte, in manch einem Vokabular hat sich die Floskel "einen Wendell machen" bestimmt schon eingebürgert.
Um ihm mal wieder ein wenig Feuer unter dem Hintern zu machen, lotste die Werkself im Sommer 2019 Daley Sinkgraven nach Leverkusen. Der Niederländer gilt als Schützling von Trainer und Landsmann Bosz, benötigte jedoch ein wenig Eingewöhnungszeit.
In dieser Saison scheint Sinkgraven allerdings leicht die Nase vorn zu haben. In sechs Bundesligapartien stand der 25-Jährige in der Anfangsformation, Konkurrent Wendell durfte bislang "nur" in der Europa League ran - bis auf vergangenes Wochenende, als der Brasilianer etwas überraschend beim 4:3 gegen Gladbach auflief.
Warum sich Bosz für diesen Kniff entschied, bleibt wohl im Unklaren, allerdings wusste Wendell im Topspiel durchaus zu überzeugen. Dennoch dürfte Daley Sinkgraven auch für die kommenden Wochen die erste Wahl für die Position des Linksverteidigers sein.
2. Überangebot im zentralen Mittelfeld: Baumgartlinger, Demirbay, Amiri, Wirtz oder Palacios?
In der Dreierkette des Mittelfeldes hat Bosz die Qual der Wahl. Neben dem gesetzten Aranguiz hat der Trainer zwei Positionen noch 'unbesetzt'. Verschiedene Personalien mit individuellen Stärken bieten sich dort für eine Aufstellung an.
Julian Baumgartlinger und Exequiel Palacios wären neben Aranguiz weitere defensivstarke Ergänzungen. Kerem Demirbay dagegen ist ein klassischer Regisseur und fokussiert sich mehr auf den Spielaufbau. Nadiem Amiri und vor allem Florian Wirtz sorgen dagegen für noch mehr offensive Akzente.
Dass Peter Bosz ein großer Fan von Letzterem ist, zeigen vor allem die zehn Pflichtspieleinsätze von Wirtz in dieser Saison (achtmal Startelf, drei Tore, drei Vorlagen). Der erst 17-Jährige ist ein großer Hoffnungsträger der Werkself - und dürfte im Leverkusener Mittelfeld wohl auch in Zukunft gesetzt sein.
Fragt sich, wer die dritte Position einnehmen darf. Hier duellieren sich vor allem Amiri und Demirbay. Aktuell scheint Erstgenannter die Nase vorn zu haben. Auch, weil sich Demirbay noch immer in Leverkusen schwer tut.
3. Frage auf dem Flügel: Diaby, Bailey oder Bellarabi?
Auch auf den Flügeln ist die Konkurrenz hoch, hier kämpfen aktuell Leon Bailey, Moussa Diaby und Karim Bellarabi um ihre Einsatzzeiten. Sogar Florian Wirtz, obig noch im zentral-offensiven Mittelfeld eingeordnet, ist eine Option für die Außen.
Aktuell scheint die Werkself allerdings ihre Balance auf den Positionen gefunden zu haben. Sowieso zum Saisonstart schon gesetzt war Diaby. Der junge Franzose mausert sich immer mehr zum Fanliebling und überzeugt durch seinen unermüdlichen Einsatz.
Etwas überraschend wurde auf der gegenüberliegenden Seite Bellarabi durch Bailey verdrängt. Obwohl sich die Fronten zwischen dem Jamaikaner und Bayer 04 im Sommer zu verhärten schienen, kämpfte sich Bailey wieder zurück ins Team.
Ihm spielt in die Karten, dass die Aktien von Bellarabi momentan sinken. Der Routinier sorgte durch einige dumme Aktionen - allen voran die Rote Karte im Europapokal gegen Slavia Prag - für kritische Stimmen seiner Person gegenüber. Den Leistungsabfall des 30-Jährigen wusste Bailey zu nutzen.
4. Luxusproblem im Sturm: Alario fordert Schick
Nun zum Duell, weshalb wir alle hier sind: Lucas Alario gegen Patrik Schick. Viele Vereine träumen von diesem Luxusproblem, Leverkusen sieht sich nun damit konfrontiert.
Es war ein offenes Geheimnis, dass mit der Ankunft von Schick im vergangenen Sommer die Stürmerfrage geklärt war. Alario hätte sich abermals als zweiter Stürmer einreihen müssen. Dass sich der Neuzugang allerdings kurz darauf verletzte, spielte dem Argentinier dann aber in die Karten.
In den wenigen Wochen von Schicks Abwesenheit hat sich Alario mit sieben Treffern auf den zweiten Torjägerplatz der Bundesliga geschossen. Der 28-Jährige ist wohl die größte Überraschung der Werkself und mittlerweile ein absoluter Fixpunkt im Leverkusener Spiel.
In wohl jedem anderen Team wäre der achtmalige Nationalspieler nun erstmal unangefochten gesetzt. Doch Leverkusen wäre nicht Leverkusen, wenn man nicht auch aus solchen Geschichten ein Drama machen würde. Schließlich wurde Patrik Schick im Sommer für viel Geld verpflichtet, den kann man ja nicht so einfach auf die Bank setzen.
Peter Bosz muss für die kommende Zeit eine Gradwanderung meistern, um beide Stürmer, die jeweils absolute Stammspielerqualitäten haben, nicht zu verärgern. Die besseren Karten hat dabei aber wohl Alario, denn er funktioniert im Leverkusener 4-3-3 prächtig. Aus sportlicher Sicht gibt es keine Gründe, den Argentinier abzusägen. Würde man es doch tun, könnte sich Alario im Winter direkt einen neuen Klub suchen - und Leverkusen würde viele Sympathien verspielen.
Also: Erste Wahl bleibt Alario, Neuzugang Schick ist nun der Herausforderer.