Kommentar zu den geplanten DFB-Reformen der Frauen-Bundesliga: Plötzliche Kehrtwende
Von Helene Altgelt
DFB lange wegen Untätigkeit kritisiert
Der DFB musste im letzten Jahrzehnt wahrlich viel Kritik einstecken. Verschlafen habe der Verband die Entwicklung im Frauenfußball, heißt es gerne. Der Vorsprung, den Deutschland 2011 noch hatte: schneller weggeschmolzen als die Gletscher in der Antarktis. So viel Potenzial, so wenig davon genutzt, ob in der Breite oder der Spitze. Die Zahl der spielenden Mädchen und Frauen sank ebenso wie die Zahl der internationalen Titel in der Vitrine, ob auf Klub- oder auf Nationalteamebene.
Und der DFB? Der rief bei unzähligen Tagungen aus, wie wichtig doch der Frauenfußball sei, und schien sich doch auf seinem Vorsprung auszuruhen. Während England, die USA und vermehrt auch Frankreich vorpreschten, zögerte der DFB, sprach viel von sinnvollen Investitionen und von den Plänen für die Zukunft, ließ wenige Taten folgen. Ein gemächlicher Scheinriese, dieser Verband.
Aber jetzt! Jetzt wird alles anders. Vielleicht. Das Papier, dessen Inhalt die Sportschau beschrieben hat, ist jedenfalls eine 180-Grad-Wendung. Ja, es gab bereits vorher die Strategie Frauen im Fußball FF27>>, aber diese Dringlichkeit, die Kurzfristigkeit, die Ambition, das ist neu. Die Frauen-Bundesliga soll die beste Spielklasse der Welt sein, das sind ganz neue Töne. Statt davon zu klagen, dass die anderen doch so weit voraus seien, will der DFB jetzt doch mitsprinten im Wettrennen.
Der Verband macht also sehr viel von dem, was jahrelang von ihm verlangt wurde. Mehr Geld soll in die Liga fließen, alle Spielerinnen sollen davon leben können. Eine größere Bundesliga, für mehr Spannung, und ja, auch mehr Einnahmen. Die Rahmenbedingungen, eins dieser geflügelten, omnipräsenten Worte, sollen besser werden, und dieses Mal soll das nicht nur eine hohle Phrase bleiben, denn es gibt konkrete Anforderungen. Im ersten Moment heißt es also: Glückwunsch, DFB, vielleicht habt ihr es endlich kapiert! Im zweiten Moment heißt es aber innezuhalten, denn die Entwicklungen bergen nicht nur Grund zu Jubelsprüngen.
Vorgeschlagene Pläne kommen aus dem Nichts
Was zunächst stutzig macht: Die Pläne des DFB kommen scheinbar aus dem Nichts. Mit einem derartigen Papier war nicht zu rechnen gewesen, auch von Seite der Vereine aus nicht. Die Sportschau berichtet: "Einigen Klubvertretern standen Anfang Dezember bei der Vorstellung die Münder offen, als sie die vom DFB unterbreiteten Vorschläge zu einem Mindestgrundgehalt zur Kenntnis nahmen."
Nun ist das Mindestgehalt kein neues Thema, Lina Magull hatte die Debatte bereits 2022 angestoßen. Magulls Forderung war nicht ungewöhnlich, in England, Italien und Spanien gibt es bereits eine solche Regelung. Bisher blockierte der DFB das aber sehr entschieden. Und jetzt soll das Mindestgehalt doch kommen, auch wenn DFB-Geschäftsführer Holger Blask entschärfend sagte, dass die Höhe noch diskutiert werde.
Dennoch ist das ein Paukenschlag für die Vereine der Frauen-Bundesliga: Das Budget wird erheblich steigen, und um das adäquat zu kompensieren, braucht es eine langfristige Planung. Bloß: Die ist nicht möglich, wenn die neuen Vorgaben so überraschend verkündet werden. Viele der geplanten Maßnahmen sind sehr kurzfristig - etwa die Vorgabe, bis 2025/26 ein Stadion mit mindestens 5.000 Zuschauern aufzutreiben. Dann viel Spaß für Bayern und Leipzig, das in anderthalb Jahren zu schaffen. Vielleicht besitzt Bianca Rech geheime Zauberkräfte, von denen die Allgemeinheit nichts weiß, ansonsten dürfte es schwierig werden.
Was wird aus Essen und Co.?
Das größere Problem als Bayern dürfte aber die SGS Essen als einziger verbliebener Frauen-Verein haben. Im Ruhrgebiet dürfte man sich zu Recht etwas überrumpelt von den neuen Plänen fühlen. Wenn der DFB diese einfach vor fünf Jahren vorgestellt hätte - die englische Liga war sogar noch früher dran -, dann gäbe es jetzt mehr Vorlauf für die Vereine. So aber dürfte es knifflig werden, kurzfristig zu reagieren.
Am meisten für Essen, denn die SGS kann nicht wie die anderen Vereine einfach mal einen Zuschuss bekommen. Aktuell wirtschaftet Essen von allen Vereinen am besten, schreibt als einziger Klub schwarze Zahlen. Alle anderen funktionieren nur durch Zuwendungen von der Männerseite. Das kann man legitim nennen, weil der Frauenfußball aktuell noch in einer Wachstumsphase ist. Dass ausgerechnet die bestraft werden, die nachhaltig wirtschaften, mutet aber absurd an.
Das Geschäftsmodell der SGS, das auf der Ausbildung junger Talente basiert, könnte mit der Einführung des Mindestgehalts nicht mehr funktionieren. Die Frage ist dann, ob dem DFB etwas daran gelegen ist, den Verein zu unterstützen. Die wahrscheinliche Antwort ist nein. Schon in der Vergangenheit hat der DFB gezeigt, dass starke Marken ihm wichtiger sind als die wichtige Basisarbeit, die etwa Essen leistet. Es wäre wünschenswert, eine Sonderregelung einzuführen oder die SGS andersweitig für die Ausbildung vieler Topspielerinnen zu belohnen.
DFB muss sich an seinen Worten messen lassen
Wahrscheinlich ist, dass sich an den Plänen noch einiges ändert, bis sie wirklich verabschiedet werden. Von der Seite der Vereine aus dürfte es einiges an Gesprächsbedarf geben. Fest steht aber, dass der DFB, lange unentschlossen, sich jetzt klar für eine Richtung entschieden hat. Einer Ansage wie der, dass die Frauen-Bundesliga zur besten Liga der Welt werden soll, müssen Taten folgen. Ansonsten ist das Potenzial zur Enttäuschung enorm.
Blumige Worte gab es schon früher, daher gilt es vor voreiliger Euphorie nun abzuwarten, was der Austausch bringt. Die Frage ist auch, welche Prioritäten der DFB setzt: Ist es eher der Super-Cup als zusätzliche Einnahmequelle, der dem Verband wichtig ist? Oder doch die größeren Mitarbeiterstäbe bei den Vereinen? Der DFB betont gerne, dass die Liga wirtschaftlich stärker werden soll. Aber es funktioniert nicht, erst auf Hyper-Marketing zu setzen und dann an der Basis zu arbeiten: Der Mechanismus muss anders funktionieren.
Erst die passenden Rahmenbedingungen - und dann eine konstruktive Diskussion über die Perspektive und die Ziele der Liga, wie sie bisher gefehlt hat. So könnte vermieden werden, dass genau das passiert, vor dem viele warnen, dass die Frauen-Bundesliga nämlich zu einem Abklatsch der Männerversion mutiert, mit den gleichen Problemen. Die Idee, dass es um den größtmöglichen Profit geht, darf nicht als gegeben hingenommen werden.
Gefahr der Abspaltung soll gebannt werden
Zudem darf nicht vergessen werden, dass der DFB nicht nur uneigennützige Ziele verfolgen dürfte. Der Verband, das zeigt auch der neue Bericht, ist sehr auf die wirtschaftlichen Seiten der Liga fokussiert und sieht dort großes Potenzial. Potenzial für Einnahmen, die sich der DFB natürlich selbst sichern will - bei Untätigkeit wäre das gefährdet gewesen.
Vor dem Hintergrund der jüngsten sportlichen Krise war eine mögliche Ausgliederung durchaus kein Tabuthema. Der DFB könnte mit seinem Maßnahmenpaket also die Träume im tiefsten Herzen aller Kritiker zur Realität werden lassen, er schlägt aber auch eine Richtung ein, die nicht unkritisch beobachtet werden sollte.
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