Kommentar - Sundhage neue Schweiz-Trainerin: Internationales Flair vor Heim-EM
Von Helene Altgelt
Mit der Schwedin Pia Sundhage kommt eine höchst erfahrene Trainerin in die Schweiz. Sundhage hatte als "Feuerwehrfrau" in Krisenzeiten bereits bei den USA und Schweden Erfolg. Bei der Nati muss sie nun erfolgreichen und begeisternden Fußball spielen und dazu einen Umbruch meistern. Große Aufgaben für einen großen Namen.
Pia Sundhage: Kosmopolitin im Alpenreich
Pia Sundhage ist gut herumgekommen. Schweden, Norwegen, Italien China, Brasilien, USA - in ihrer ebenso langen wie erfolgreichen Vita stehen unzählige Klubs und Nationalteams. Sundhage ist eine echte Kosmopolitin, aber im deutschsprachigen Raum war sie noch nicht tätig. Vielleicht wird es für die 63-Jährige jetzt Zeit, nochmal Grammatik und Vokabeln zu pauken.
"Ich habe noch keinen Song vorbereitet, aber es kann gut sein – vielleicht versuche ich es sogar auf Deutsch", kündigte Sundhage bereits an, die für ihre Gesangseinlagen bekannt ist. Ob sie dazu den schweizerdeutschen Akzent erlernen will, ist noch nicht überliefert. Vielleicht ja gleich mehrere Strophen auf Italienisch und Französisch dazu!
Sundhage ist die neue Trainerin des Schweizer Nationalteams, und ihre Ernennung kann durchaus als Überraschung gelten. Mit ihr kommt ein Hauch des Internationalen in die provinziell-gemütliche Schweiz. International will sich das Land auch in anderthalb Jahren zeigen, wenn die Heim-EM ansteht. Die war, so Sundhage, ein starkes Argument für die Nati: Als Schweden-Trainerin habe sie 2013 bereits erlebt, wie beflügelnd ein solches Turnier wirken kann.
2013 stand sie auf dem Zenit ihrer Trainerkarriere, hatte gerade mit den USA die Goldmedaille bei Olympia geholt und ihr Heimatland übernommen. In den letzten Jahren kamen aber keine großen Titel mehr dazu, Sundhage scheiterte zuletzt bei der WM mit einem brillanten Ensemble an Spielerinnen, die keine gute brasilianische Elf abgaben und in der Vorrunde scheiterten.
Die Aufgabe in der Schweiz steht hinter umgekehrten Vorzeichen. Marta, Debinha, Kerolin - diese großen Namen, den großen Glanz, die beste Technik, die sucht man bei der Schweiz vergebens. Sundhage muss nicht aus Stars ein Team formen, woran sie bei Brasilien gescheitert war, sondern aus einem Team mehr Star-Momente herausholen.
Schweiz zuletzt spielerisch bieder unterwegs
Die fehlten unter Vorgängerin Inka Grings nämlich fast komplett. Magere zehn Treffer in 16 Spielen, nur ein einziger Sieg im Jahr 2023 - das war die desaströse Grings-Bilanz. Bei der Schweiz fungiert die erfahrene Sundhage quasi als Entwicklungshelferin im Bereich Toreschießen. Damit kennt sie selbst sich als langjährige schwedische Rekordtorschützin aus. Nochmal die Schuhe zu schnüren, das macht der Körper vielleicht nicht mehr mit, aber sie weiß, wie man ein Team schnell wieder auf Touren bringt. Auch die USA und Schweden übernahm sie in Krisenzeiten.
Die Ernennung der Schwedin wurde bereits als "Meilenstein" gefeiert, und sie zeigt tatsächlich die Ambitionen des Verbandes. Sundhage bringt genau das mit, was Grings von Anfang an fehlte - Erfahrung en masse. Sundhage war sicherlich nicht nur in der Schweiz eine Kandidatin für einen vakanten Trainerposten.
Ihre Aufgabe im Alpenland ist nicht leicht. Unter Grings wurde die Schweiz zu eiserner Disziplin getrimmt. Bloß keine Tore kassieren, das war das Motto. Bei der WM zeigten sich die Vorteile und Grenzen dieses Ansatzes gut: In der mit Abstand schwächsten Gruppe wurde die Schweiz Erster, Grings sah sich bestätigt. Aber mit angezogener Handbremse zu spielen, ging nicht lange gut. Schon gegen Neuseeland und die Philippinen sah es bieder aus, gegen Spanien hatte die wackere Nati keine Chance.
Die Weltmeisterinnen verpassten der Schweiz auch in der Nations League zwei herbe Klatschen. Wenn man keine Tore schießt, um gut zu verteidigen, aber auch nicht gut verteidigt - was heißt das dann für die Trainerin? Nichts Gutes, dachte sich auch der SFV, und entließ Grings nach langem Zögern und Zaudern doch.
Dreifache Herausforderung für Sundhage
Sundhage steht damit vor einem sportlichen Trümmerhaufen. Die Ansätze von Ballbesitz-Fußball, die Vor-Vorgänger Nils Nielsen aufgebaut hatte, sind längst wieder verschwunden. Jetzt gilt es, die Schweiz in anderthalb Jahren wettbewerbsfähig zu machen, und vor allem, ein neues Konzept zu finden, um gegen die Großen zu bestehen.
Die Schweiz wird als Underdog in die Heim-EM gehen und hoffen, mit mutigem Fußball zu überraschen. Sundhage soll nicht nur erfolgreich sein, sondern auch die Fans mitreißen. Unter Grings war zuvor von beidem wenig zu spüren. Dafür kann die Schwedin auf ein Team bauen, das punktuell mit den Stärksten mithalten kann, das zeigte die EM 2022 in England.
Mit Spielerinnen wie Lia Wälti, Ana-Maria Crnogorcevic oder Ramona Bachmann gibt es durchaus Qualität. Die Leistungsträgerinnen sind aber alle über 30. Neben Erfolg und Euphorie muss Sundhage also auch noch einen Umbruch meistern, eine Triple-Challenge. All das wird eine Herkulesaufgabe, denn die Schweiz verfügt über viele gestandene Spielerinnen, aber doch wenig Weltklasse.
Sundhage ist als klarer analytischer Kopf bekannt, sie soll schnell ein Konzept gegen die sportliche Misere finden. Ebenso wichtig waren aber ihre positive Art und offene Kommunikation. Die Laune war bei der Nati nach Grings' öffentlichem Krach mit Crnogorcevic und den Misserfolgen im Keller. Jetzt soll wieder Sonnenschein kommen, personifiziert von Sundhage. Von der gelassenen Art her erinnert sie mehr an Nils Nielsen, der zum Ende hin nicht mehr erfolgreich war, von den Spielerinnen aber stets mit Lobesliedern besungen wurde. Zuletzt waren dagegen nur schiefe Töne zu hören.
Womit wir wieder bei Sundhages Künsten als Sängerin wären. In welcher Sprache auch immer ihr Willkommenständchen vor dem Team ist, bei der Heim-WM will die Nati auf Englisch feiern: "We are the Champions" - auch wenn der Titel unrealistisch ist, ein Sieg in der K.o.-Runde wäre bereits ein großer Erfolg für Sundhage.