Kommentar zur Schiri-Debatte in der Frauen-Bundesliga: DFB macht es sich zu einfach
- DFB wehrt Kritik von Nürnberg vorschnell ab
- Schiedsrichterinnen dürfen nicht beleidigt werden, aber Kritik sollte angenommen werden
- DFB in der Pflicht, auch kurzfristige Lösungen zu finden
Von Helene Altgelt
Die Nürnberger Kritik an der Leistung der Schiedsrichterinnen in der Frauen-Bundesliga war in den letzten Tagen ein großes Thema. Der DFB reagierte brüsk - aber Nürnberg hat einen Punkt, auch wenn Schmähungen und Sexismus natürlich zu verurteilen sind. Die Kritik schnell wegzuwischen, ändert an dem Problem nichts.
Nürnbergs sportlicher Leiter Osman Cankaya hatte sich in einem Statement klar geäußert, nachdem die Club-Frauen gegen Bremen verloren hatten - das erste Gegentor fiel nach einem klar unzulässigen Elfmeter. Ihm geht es nicht allein um die Szene gegen Bremen, sondern um ein generelles Problem, von dem alle Klubs betroffen seien. Cankaya forderte, zukünftig auch Männer als Schiedsrichter einzusetzen und sagte, man müsse "den Fokus bei den Ansetzungen geschlechterübergreifend auf Qualität und Kompetenz aller DFB-Schiedsrichter*innen" legen.
Tatsächlich gab es in der Frauen-Bundesliga in dieser Saison schon einige haarsträubende Fehlentscheidungen. Fans aller Klubs können sich wohl an mindestens eine Szene erinnern, die umstritten bis klar falsch entschieden war. Die ständigen Diskussionen sind zermürbend. Auch in anderen Ligen passieren Fehler, aber Schnitzer wie der bei der Nürnberger Elfmeter-Entscheidung sind seltener.
Nun wird die Causa Cankaya zum Politikum. Der DFB hat auf das Statement der Nürnberger reagiert und erklärt, diese Saison nichts mehr an der Aufstellung der Unparteiischen ändern zu können. So weit, so verständlich. Auf den Kern der Kritik ging der Verband aber nicht wirklich ein, sondern reagierte recht brüsk.
Die Schiedsrichter-Qualitäten von Frauen hat niemand bezweifelt - es geht um strukturelle Probleme
"Männer sind nicht automatisch die besseren Unparteiischen", sagte DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann - und redete damit schwungvoll am eigentlichen Thema vorbei. Dass Frauen nicht pfeifen können, hat niemand bezweifelt, und Nürnberg in seinem Statement am allerwenigsten. Natürlich ist es besorgniserregend, wenn die aktuelle Kritik als Anlass für Sexismus genommen wird. Aber den meisten Beteiligten geht es um etwas ganz anderes.
Wenn man die aktuellen Schiri-Leistungen in der Frauen-Bundesliga als zufriedenstellend erklärt, dann ist das keine Verteidigung gegen Sexismus, sondern grenzt an Realitätsverweigerung. Es gab nun mal eklatante Fehler, die lassen sich nicht mit einem plumpen Vorwurf wegreden.
Die Leistungen der Schiedsrichterinnen haben überhaupt nichts mit ihrem Geschlecht, sondern mit strukturellen Gründen zu tun. Der DFB hat ein Schiedsrichter-Problem, und das ist bei den Frauen nochmal stärker ausgeprägt als bei den Männern. Allein, weil weniger Frauen Fußball spielen und so zum Schiedsrichter-Sein kommen, aber auch wegen des mangelnden Respekts und des Sexismus, der vielen Unparteiischen entgegengebracht wird. In der Breite gibt es viel weniger Schiedsrichterinnen als Schiedsrichter - dass es in der Spitze ebenso aussieht, sollte daher nicht überraschen.
Der DFB hat erkannt, dass das Problem von der Basis kommt und will die Zahl der aktiven Schiedsrichterinnen bis 2027 um ein Viertel erhöhen - das ist Teil der Strategie FF27. "Für uns steht außer Frage, dass an den Bedingungen und Voraussetzungen für die Schiedsrichterinnen strukturell gearbeitet werden muss", sagte DFB-Vizepräsidentin Sabine Mammitzsch.
Das ist vollkommen richtig und ein guter Weg. Bloß, an den akuten Problemen ändert es herzlich wenig. Für die höchste Spielklasse im Frauenfußball ist es nicht würdig, dass das Thema der Schiri-Leistungen so dermaßen präsent ist und oft das sportliche Geschehen überschattet. Es braucht langfristige Veränderungen, aber auch kurzfristige Lösungen.
Richtig vom DFB: Schiedsrichterinnen an den Pranger zu stellen, gehört sich nicht
Die lässt der DFB bisher vermissen. Stattdessen ging der Verband prompt zum Gegenangriff über. Nun wird Nürnberg für die Kritik geschmäht - eine Kritik, die innerhalb der Liga schon lange von vielen geteilt wird, aber nicht öffentlich ausgesprochen wurde. "Das hat mit Fair Play nichts zu tun", sagte Ronny Zimmermann zu der Kritik an den Schiedsrichterinnen. Dabei richtete sich Nürnbergs Plädoyer explizit auf die Gesamtsituation und nicht das Spiel gegen Bremen.
Wo der DFB Recht hat: Wie mit den Schiedsrichterinnen teils auf Social Media umgegangen wird, ist nicht in Ordnung. Auch das Instagram-Video von Nürnberg, das sich auf die umstrittene Szene nochmal einschießt, muss man nicht gut finden. Bei allem Frust über die Niederlage muss man dann nicht nochmal auf die Schiedsrichterin einhacken - vor allem, nachdem man es im Statement so gut vermieden hatte.
DFB macht es sich zu einfach: Es gäbe auch kurzfristige Lösungen
Der DFB macht es sich trotzdem zu einfach, wenn er sagt: Die aktuelle Kritik ist bloß sexistisch und respektlos. Es braucht von beiden Seiten mehr Verständnis für die Situation der Schiedsrichterinnen: Viele arbeiten nebenbei Vollzeit und können sich nicht so ihrer Tätigkeit widmen, wie es der Frauen-Bundesliga angemessen wäre. Ihre Leistungen müssen daher in diesen Kontext gestellt werden, und Einzelne nicht zu sehr an den Pranger gestellt werden.
Hier darf aber die Argumentation des DFB nicht aufhören, sondern muss erst ansetzen. Als Verband ist er in der Pflicht, seine Schiedsrichterinnen zu schützen, aber auch, für bessere Leistungen zu sorgen. Am naheliegendsten ist da der Einsatz von männlichen Schiedsrichtern. "Wir sind die einzige Top-Nation in Europa, die es sich leistet, die Schiedsrichterinnen-Teams nicht mit Männern aufzufüllen", beklagte Wolfsburgs sportlicher Leiter Ralf Kellermann schon vor Wochen. Es ist ehrenwert, dass der DFB es versuchen wollte, aber aktuell nicht realistisch.
Wenn der Einsatz von Männern in der Frauen-Bundesliga wirklich eine rote Linie bleiben soll, dann müssen sich andere Dinge ändern: Dann nämlich sollte der DFB dafür sorgen, dass sich die Schiedsrichterinnen mehr ihrem Einsatz am Wochenende widmen können - durch eine höhere Entlohnung, sodass Teilzeit-Arbeit für alle möglich ist, und bessere Fortbildungen. Nichtstun ist bequem, aber der Situation nicht angemessen.