Kommentar: Schalke-Coach Grammozis und der "deutliche Schritt nach vorne"
Von Yannik Möller
Gegen Karlsruhe offenbarte sich auf Schalke (erneut), was übrig bleibt, wenn sich die individuelle Qualität des Teams mal nicht durchsetzt. Man fällt auf ein Nichts zurück, weil die spielerische Entwicklung noch immer ausbleibt. Dabei hatte Dimitrios Grammozis "einen deutlichen Schritt nach vorne" angekündigt.
Den siebten Spieltag hat Schalke 04 bereits am Freitagabend hinter sich gebracht. Gegen den Karlsruher SC wurde erneut ein Heimspiel verloren, nur eines der vier Duelle vor den heimischen Fans konnte gewonnen werden. Es war das 3:1 gegen Fortuna Düsseldorf, kurz vor der Länderspielpause.
Schon zu diesem Zeitpunkt war der weiterhin fehlende spielerische Fortschritt ein Thema. Dimitrios Grammozis kündigte noch vor diesem Spiel an, man werde die Pause nutzen. "Dann werden wir einen deutlichen Schritt nach vorne machen", betonte er. Die Niederlage gegen den KSC hat erneut offengelegt: auf diesen angekündigten Schritt warten die Fans noch immer vergebens.
Bislang hat S04 von der Qualität der einzelnen Spieler gelebt. Simon Terodde bleibt dafür das beste Beispiel: acht Tore und zwei Vorlagen in diesen sieben Partien. Damit war er an zehn der elf (!) Liga-Treffer direkt und maßgeblich beteiligt - in der Regel durch den erfolgreichen Abschluss.
Spielerisch jedoch ist weiterhin kein Fortschritt zu erkennen. Da dürfen auch die zwei Siege in Folge nicht die Sicht vernebelt haben. Gegen F95 hätte Königsblau gut und gerne auch den zwischenzeitlichen 2:2-Ausgleich kassieren können. Gegen Paderborn (1:0) half viel Stückwerk, etwas Glück und natürlich Terodde.
Defensive unsicher, Offensive von Einzelspielern abhängig: Grammozis macht Schalke weiterhin nicht besser
Noch immer ist die Defensive zu unsicher. Nur vier Teams in der 2. Bundesliga haben bisher mehr Gegentreffer kassiert. Und das trotz Defensiv-Fokus des Trainers mitsamt Dreier- beziehungsweise Fünferkette.
Zeitgleich gibt es in der Offensive weiterhin keinen klaren Plan, keine klaren Strukturen, sodass dadurch ein ausgeglichenes Torverhältnis (11:11) auf dem Konto steht. Das Resultat ist der 10. Tabellenplatz. Nach oben zwar nur drei Punkte vom zweiten Platz entfernt, nach unten sind es aber auch nur drei Zähler bis auf den 14. Rang.
Das Karlsruhe-Spiel hat gezeigt, was passiert, wenn sich diese individuelle Qualität der S04-Spieler nicht durchsetzt oder sie gar untergraben wird - wie durch die absolut unnötige und schon dämliche Rote Karte von Victor Palsson. Schalke hat kein spielerisches Gerüst, auf das man entweder zusätzlich aufbauen oder notfalls zurückfallen kann.
Dementsprechend liegt der Fokus klar auf Grammozis. Er wurde nicht erst kurz vor der Saison geholt, sondern hat den Klub schon im letzten Saisondrittel begleitet. Er hatte die gesamte Saisonvorbereitung Zeit und vergleichsweise früh einen sehr ordentlichen Teil seines guten Kaders zusammen. Ein Kader übrigens, der sich fast zwangsweise in der Top fünf wiederfinden muss.
Dennoch hat es der Trainer nicht geschafft, seine Mannschaft zu entwickeln. Weder vor der Saison, noch in der Länderspielpause. Ebenfalls ein Problem: Aspekte, an denen es fehlt, werden seitens des 43-Jährigen gar nicht erst thematisiert. Er spricht von Zweikämpfen, von Laufdistanz und Kompaktheit. Dabei ist es nach wie vor vor allem das Spiel in Ballbesitz, das dem Trainer die größten Sorgenfalten bereiten sollte.
Kein Wunder also, dass die Fan-Kritik an ihm nicht ablässt. Daran haben auch die zwei Siege vor der KSC-Partie nichts geändert. Denn auch in diesen Spielen waren die angesprochenen Kritikpunkte deutlich sichtbar.
Es kann schlichtweg nicht der Anspruch der Knappen sein, hier und da mal einen Dreier einzufahren, weil man etwas mehr Glück und die besseren Spieler hatte. Völlig unabhängig davon, was für einen Absturz der Klub zuletzt erlebt hat und wie viele Trainer in der Vergangenheit verschlissen wurden. Das ist die Vergangenheit und damit kein Handlungs-Maßstab für die derzeitigen Entwicklungen. Was von Vereinsverantwortlichen immer wieder betont wird, darf völlig zurecht aus Fan-Sicht auch in dieser Hinsicht gelten.
Schalke muss sich der unangenehmen Frage stellen: Ist Grammozis der Trainer für die Zukunft?
Damit muss sich Schalke die Frage stellen, ob man weiter mit Grammozis arbeiten möchte. Er hat nun über Monate gezeigt, dass er die offensichtlichen Probleme trotz Ankündigungen nicht angehen kann. Oder lieber an anderen Stellschrauben drehen möchte. So forsch dieser Vorstoß auch wirken mag: es bleibt ein Vergleich zu David Wagner.
Auch mit ihm wurde nach der furchtbaren Rückrunde weitergemacht. Nicht weil man voller Überzeugung war, sondern weil man Stabilität erzwingen wollte. Kontinuität ist wichtig, keine Frage - aber nicht nur um der Kontinuität willen. Passt es nicht, ist der Trainer nicht derjenige, der ein gutes Team zu guten Leistungen und guten Ergebnissen führen kann, so muss eine Entscheidung getroffen werden.
Diese Verantwortung liegt primär bei Rouven Schröder. Der Sportdirektor, der dem Vernehmen nach ohnehin lieber mit Steffen Baumgart in die Saison gegangen wäre, als mit Grammozis. Er selbst betont immer wieder die Bedeutung von spielerischen Fortschritten. Sehen kann auch er sie eigentlich nicht.
Dieser Kommentar soll keine direkte Forderung eines Rauswurfs von Grammozis sein. Viel mehr eine Erklärung, wieso große Skepsis bezüglich der gemeinsamen Zukunft zweifelsfrei angebracht und sogar notwendig ist. Schafft Schalke innerhalb des nächsten Monats keinen Turnaround, was die Abhängigkeit von einzelnen Spielern und ihrer Qualität betrifft, wird man genauso weiter durch die Saison taumeln.
Man wird immer mal wieder Spiele gewinnen. Vermutlich auch mit zwei, drei Treffern und womöglich ohne Gegentor. Allerdings wird es auch zahlreiche unnötige Unentschieden geben, wie gegen Aue. Und damit vermeidbare Punktverluste. Niederlagen wie gegen Karlsruhe oder Regensburg, weil sich die Klasse nicht immer durchsetzen kann, werden ebenso folgen.
Nun stellt sich die Frage, ob der Klub dieses Risiko eingehen möchte.