Kommentar: Der Fußball braucht ein hartes Urteil gegen Manchester City
Von Lennart Sörnsen
Am Sonntag steht das Duell von Manchester City gegen den FC Arsenal an. Der London-Verein ist in den letzten Saisons so etwas wie die letzte Hoffnung gewesen. Nachdem derm FC Liverpool unter Jürgen Klopp langsam der Saft ausging, war es der Verein von Mikel Arteta, der sich als einzige ernsthafte Konkurrenz von den Citizens etablierte. Wobei der Begriff Konkurrenz schon fast lächerlich daherkommt. Letztlich haben die letzten Jahre gezeigt, dass sich die Mannschaft von Pep Guardiola nur selbst im Weg stehen kann.
Als Erling Haaland und Co im vergangenen Winter wieder zur Topform fanden, waren sie von niemandem mehr aufzuhalten. Ab dem 16. Spieltag ging das Team ohne Niederlagen durch die Saison, Unentschieden gab es ebenfalls nur gegen die Spitzenteams Liverpool, Chelsea und eben Arsenal. Dass dieses Tempo keiner mehr mitgehen kann, zeigte sich in den letzten Spielzeiten mehr als deutlich. Sechs der letzten sieben Meisterschaften in der zuvor lange Zeit so ausgeglichenen Premier League gingen an City. Die letzten vier gingen gar in Folge an das Team von Guardiola. Ein neuer Rekord. Selbst in den Hochzeiten von Sir Alex Ferguson und Stadtrivale Manchester United hatte es das nie gegeben.
Nun könnte man schon im Normalfall darüber diskutieren, ob dies überhaupt möglich sein sollte. Über die Problematik einer immer größeren Kluft zwischen reichen und armen Vereinen gibt es immer wieder große Diskussionen. Stichwort Super League. Die immer stärker ansteigenden Preissummen in der Champions League sowie die ungleich verteilten Fernsehgelder sorgen für eine edrückende Dominanz einer Handvoll Vereine. Nicht nur in England ist das zu beobachten. Auch die französische Ligue 1 und die Bundesliga tendierten in den letzten Jahrzehnten immer stärker zu alles dominierenden Mannschaften. Und auch wenn es in Italien und Spanien noch ein größerer Kreis an Teams ist - wirklich große Überraschungen in der Meisterschaft gibt es in keiner Topliga mehr so wirklich.
Die Zahl 115 spricht eine eindeutige Sprache
Der Fall City ist aber kein Normalfall und dadurch umso schlimmer. Bei den 115 Fällen, die dem Verein vorgeworfen werden, geht es um verschiedene Vergehen. Im Kern wird jedoch bei allen Vorwürfen klar: es geht um Geld. Viel Geld. Der Verein soll unklare Angaben zu finanziellen Zahlungen an Managern und Spielern getätigt haben. Es steht außerdem die Vermutung im Raum, Manchester City könnte überteuerte Sponsorenzahlungen erhalten haben, um das Financial Fair Play zu umgehen. Apropos Financial Fair Play - den Citizens wird ebenfalls vorgeworfen, zwischen 2013 und 2018 gegen die europaweiten UEFA-Regeln verstoßen zu haben.
Diese Vorwürfe sind keinesfalls neu. Bereits 2020 hatte die UEFA den englischen Meister für zwei Jahre von der Champions League ausgeschlossen, weil zwischen 2012 und 2016 selbiges Vorgehen mit erhöhten Sponsoringeinnahmen in den Büchern beobachtet worden war. Doch während Sperren gegen Vereine wie den FC Everton oder den 1.FC Köln Bestand haben, schaffte es der Verein aus Manchester, die Sperre zu kippen. Vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS wurde das Urteil aufgehoben. Begründung: Die Verjährungsfrist sei für einen Teil der Vorwürfe abgelaufen. Es folgte lediglich eine Geldstrafe in Höhe von zehn Millionen Euro. Schon damals stellte sich die Frage, wie unabhängig der CAS wirklich zu diesem Entschluss gekommen war. Ohnehin hatte die UEFA viel zu lange untätig zugesehen, bis gegen City vorgegangen wurde - und am Ende, so wirkte es zumindest, nur halbherzig agiert.
Im neuen Verfahren tritt nun die Premier League als Kläger gegen die Skyblues auf. Angesichts von 115 Fällen erscheint der Fall auf dem Papier als eindeutig. Es fällt schwer zu glauben, dass eine solche Anzahl an Vorwürfen einfach aus der Luft geschaffen werden können. Bei einer solch gigantischen Zahl an Vergehen kann zudem nicht mehr von Fehlern gesprochen werden. Das, was vorliegt, ist ein klarer Fall von Betrug. Eine harte Strafe muss die logsiche Konsequenz sein. Eigentlich.
Kein Vertrauen in UEFA und Co
Doch das Vertrauen in die Institutionen des Fußballs ist längst dahin. Viel zu oft schon wurden Vereine wie Manchester City und Paris Saint Germain für ihre vielen Verstöße gegen das Financial Fair Play nicht angemessen bestraft. Während gegen verhältnismäßig kleine Vereine wegen jedem noch so kleinen Vergehen Strafen verhängt werden, ziehen sich die ganz Großen aus der Affäre. Natürlich gehören auch vermeintlich kleinere Vereine wie der 1.FC Köln angemessen zur Rechenschaft gezogen, im Vergleich zu den sporadischen Geldstrafen gegen City und Paris erscheint die Transfersperre jedoch mehr als ungerecht.
Klar, auch große Vereine wie Juventus Turin haben bereits harte Sanktionen verkraften müssen. Auch wenn die Bianconeri von ihrem Zwangsabstieg schnell zurückkamen - es wurde zumindest durchgegriffen. Doch in den letzten Jahren, so scheint es, ist dies nicht mehr der Fall gewesen. Institutionen wie die UEFA oder auch die Premier League drücken sich vor ihrer Verantwortung, wollen den Giganten des Geschäfts nicht auf den Schlips treten.
Bei mir und vielen anderen Fans ist dadurch jegliches Vertrauen verloren gegangen. Trotz der enormen Bandbreite an Vorwürfen, denen Manchester City aktuell ausgesetzt ist erscheint eine harte und gerechtfertige Strafe utopisch.
Attraktivität des Fußballs leidet
Dabei sollten eigentlich auch Premier League & Co ein Interesse daran haben, Manchester City angemessen für die Vorwürfe zu sanktionieren. Schließlich zeigen die vergangenen Jahre deutlich, dass die Attraktivität des Fußballs enorm gelitten hat. Gerade bei jüngeren Fußballfans lässt das Interesse am Fußball stark nach.
Mit der passiven Vorgehensweise und dem ständigen Entgegenkommen sorgen die UEFA und die nationalen Verbände einzig dafür, dass das Intersse an unserem geliebten Sport weiter nachlassen wird. Doch auch wenn die UEFA zunächst mit einer deutlichen Ansage reagierte: die Super League-Träumereien und Großmachtphantasien einiger Spitzenvereine haben Wirkung gezeigt. Mit der Champions League-Reform wurde eine Art UEFA-Super League eingeführt. Eine abgeschwächte Form des Hirngespinstes von Florentino Perez.
Doch statt Super League, neuer Champions League-Reform oder Kleinfeldligen mit neuen Regeln braucht es attraktivere nationale Ligen und eine faire Verteilung der Einnahmen. Nur so werden Menschen wieder vor die Fernsehgeräte gelockt. Angefangen damit, dass die ohnehin schon kaum ausreichenden Financial Fair Play-Regeln endlich eingehalten werden.
Zukunft des Fußballs auf dem Spiel
Hoffnung macht, dass das Verfahren auch in der britischen Politik hohe Wellen geschlagen hat. Nach dem gescheiterten Super League-Vorstoß von 12 Vereinen - darunter auch City - im Jahr 2021 hat das Parlament im März diesen Jahres ein historisches Gesetzt verabschiedet. In Zukunft wird ein unabhängiges Kontrollgremium, der Independent Football Regulator, kurz IFR, die Premier League-Vereine kontrollieren. Hierbei sollen weitere Super League-Versuche blockiert werden, aber auch die finanzielle Nachhaltigkeit der 20 Vereine überprüft werden. Der IRF soll dabei auch Mittel in die Hand bekommen, um die Vereine bei Vergehen sanktionieren zu können. Auch Investoren wie der City Football Group von Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan soll dabei strenger auf die Finger geschaut werden. Die britische Politik hat offenbar die Probleme des modernen Fußballs erkannt und will von oberster Instanz eingreifen - ein positives Zeichen.
Man kann nur hoffen, dass auch bei der Premier League selbst die Alarmglocken endlich klingeln und der Ernst der Lage erkannt wird. Denn bei diesem Verfahren geht es letztlich nicht nur um einen Fall. Es geht nicht darum, dass City sich durchgemogelt hat. Es geht um die Zukunft des Fußballs. Dass es sich bei City um einen Einzelfall handelt, ist ausgeschlossen. Auch andere Vereine schönigen ihre Zahlen. Das Beispiel Chelsea zeigt aktuell ebenfalls auf, welche Probleme es noch zu beheben gilt. Die größten Mannschaften der Welt sind sich nicht zu schade, zu solchen Bilanz-Tricks zu greifen. Etliche Vereine aus verschiedenen Ligen arbeiten mit diesen Methoden. City ist letztlich nur die Spitze des Eisbergs. Das Problem liegt viel tiefer und muss unabhängig vom laufenden Verfahren mit grundlegenden Strukturveränderungen angegangen werden.
Dennoch ist das Verfahren natürlich von enormer Bedeutung. Hierbei tritt die Premier League als Kläger auf und wird demnach versuchen, die unabhängige Kommission von der Schuld Citys zu überzeugen. Hoffentlich treten die Anwälte der Fußballliga dabei entschlossener auf, als es die Premier League in der Vergangenheit - zumindest nach außen - getan hat. Entscheiden wird letztlich eine unabhängige Kommission. Die Anhörung findet dabei unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Mit einem Urteil soll Medienberichten zufolge wohl erst im kommenden Jahr zu rechnen.
Es steht dabei viel auf dem Spiel. Es drohen milde bis harte Strafen für die Cityzens. Von einer Geldstrafe über Punktabzug bis hin zum kompletten Ausschluss aus der Liga und Aberkennung der Titel ist alles möglich. Für die Zukunft des Fußballs kann man nur auf die Höchstrafe hoffen. Wer wie City Betrug am Fußball begeht und mit allen erdenkbaren Finanz-Regeln dieses Sports bricht muss dafür mit allen rechtlichen Möglichkeiten zur Rechenschaft gezogen werden.
Es helfen alle Geldstrafen und kleineren Punktabzüge nichts. Letztlich wird es eine Strafversetzung in eine untere Liga und eine Aberkennung aller Titel der letzten Saisons brauchen. Es braucht ein Urteil, mit dem den Eigentürmern der Cityzens dauerhaft klargemacht wird, dass sie sich den Erfolg eben nicht kaufen können. Zusätzlich dazu muss die Premier League - sowie andere Ligen und Verbände - strukturelle Veränderungen vornehmen. Für die Zukunft des Fußballs -damit die Fans in Zukunft wieder faire und spannende Spitzenduelle zwischen Topteams wie City und Arsenal verfolgen können.
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