Zeit für Klartext, liebe Dortmunder! Der BVB fährt sich selbst gegen die Wand
Von Marc Knieper
Beim BVB hängt der Haussegen gehörig schief. Die Teilnahme an der Champions League scheint in akuter Gefahr und eine Besserung kaum in Sicht. Die Mannschaft soll derweil sogar an Ex-Coach Lucien Favre zurückdenken. Dabei ist Cheftrainer Edin Terzic nicht zwingend das Problem, sondern bekommt die Probleme nicht in den Griff. Zeit für Klartext, liebe Dortmunder!
Eigentlich gilt der Sport-Club aus Freiburg als absoluter Lieblingsgegner des BVB. Die vergangenen 19 Duelle entschied Schwarz-Gelb gleich 16 Mal für sich, drei weitere Male trennte man sich unentschieden. Dass man am vergangenen Samstag als Verlierer vom Freiburger Feld trabte, passt ins aktuelle Bild einer ernüchternden Ruhrpott-Truppe.
Der Begriff "Truppe" trifft es dabei ganz gut, denn von einer Einheit kann in Dortmund derzeit nicht die Rede sein. Der eigentliche Anspruch, dem FC Bayern im Titelrennen Paroli zu bieten, wurde klar verfehlt. Stattdessen zittern die BVB-Stars um eine Teilnahme an der Königsklasse und müssen dem deutschen Rekordmeister bereits nach 20 Spieltagen zur (vermutlichen) Meisterschaft gratulieren.
Kampfgeist? Fehlanzeige! BVB fährt sich selbst gegen die Wand
Hört und schaut man sich in Fankreisen um, so gilt die Kritik häufig der Mentalität des Teams. Ein 16-jähriger Youssoufa Moukoko etwa sei der Einzige, der überhaupt ununterbrochen und bedingungslos Dampf mache. Äußerst beschämend für den Rest der Truppe! Elf Mal Kevin Großkreutz benötige man auf dem Platz, um den entsprechenden Kampfgeist an den Tag zu legen.
Die notwendige Devise: Arsch aufreißen! Auch wenn eklatante Fehlpässe weiter bestehen, Bürki und Hitz (zu) häufig hinter sich greifen und eigentliche Leistungsträger wie Reus und Can hinter den Erwartungen hinken. Einer für alle, alle für einen! Eine typische Mentalitäts-Leier des Fußballs, die keineswegs umsonst existiert.
Die Probleme der Dortmunder sind ganz grundlegend in den Köpfen aller Spieler verankert. Läuft es einmal nicht, so wird man gleich nervös. Immerhin muss eine derart talentierte Mannschaft doch immer funktionieren, so der Glaube am Borsigplatz. Mit Lucien Favre läuft es nicht? Weg mit ihm - so die Forderung innerhalb des Teams. Nun ist der Schweizer weg und man bemerkt in der Kabine, dass die Idee vielleicht doch keine allzu gute war. Laut Bild sollen die Dortmunder aktuell an den Schweizer zurückdenken.Das ständige Positiv-Reden und die laschen Analysen von Neu-Coach Terzic gefallen den BVB-Profis nicht. Und jetzt? Wieder weg mit ihm?!
Wie wäre es, wenn man sich einmal an die eigene Nase fasst? Beim BVB steckt man den Kopf zu schnell in den Sand. Dass der Titel in Dortmund keine Selbstverständlichkeit ist, dürfte jedem klar sein. Dennoch soll das Comeback des FC Bayern im Winter 2018/19 als kleiner Gedankenanstoß für die Schwarz-Gelben dienen. Am 15. Spieltag der besagten Saison lagen die Münchener nämlich neun Zähler hinter dem BVB, doch blieben fokussiert, kümmerten sich lediglich um die eigenen Ziele und streckten am Ende der Saison - mit zwei Punkten Vorsprung auf Dortmund - die Schale gen Himmel.
Die Bayern gaben sich trotz vermeidbarer Niederlagen und Unentschieden in der Bundesliga (etwa gegen Leverkusen) und im Champions-League-Achtelfinale gegen Liverpool (1:3) nicht auf, sondern erreichten als Einheit und ganz ohne die Forderung eines Rauswurfs ihres damaligen Trainers Niko Kovac ihr gesetztes Ziel.
Gemeinsam das Ruder herumreißen - jetzt!
Die BVB-Profis ziehen derweil weiter am falschen Hebel und suchen die Erklärungen ihrer Schwächephase in Terzic. Der 38-jährige Übungsleiter macht sicherlich auch nicht alles richtig, steht im Endeffekt aber als ärmste Sau da. Für einen Cheftrainer - so kompetent er auch sein mag - ist es nun einmal schwierig, seine Spieler in solch einer Phase zu erreichen. "Hast du Scheiße am Fuß, hast du Scheiße am Fuß", sagte einst Andi Brehme. Und das gilt hier sowohl für Spieler als auch Trainer.
Eine ähnliche Situation seines gleichaltrigen Kollegen in Bremen zeigte bereits in der vergangenen Saison, wie gefährlich es sein kann, wenn den Spielern der nötige Fokus fehlt. Mittlerweile konnte Florian Kohfeldt als - sinnbildlicher - Käpt'n des SV Werder das sinkende Schiff um den Eisberg herumkurven und scheint nun mit neuer Energie und jungen Matrosen auf dem richtigen Weg zu sein.
Werder hielt an Kohfeldt fest - genauso plant man auch in Dortmund bis Saisonende mit Terzic. Im Sommer dürfte Marco Rose von Borussia Mönchengladbach das Ruder übernehmen. Wichtig erscheint beim BVB nun, dass Spieler und Trainer GEMEINSAM das Ruder herumreißen - und zwar jetzt! Dazu bedarf es einer gehörigen Portion Kampfgeist und Wille, aber auch gegenseitiges Vertrauen.