Knackpunkt Defensive: Was der FC Bayern im Champions-League-Finale besser machen muss
Von Florian Bajus

Zum ersten Mal nach sieben Jahren hat der FC Bayern wieder das Champions-League-Finale erreicht. Gegner Olympique Lyon musste sich mit 0:3 geschlagen geben, der Spielverlauf war jedoch nicht so eindeutig, wie es das Ergebnis widerspiegelt. Im Endspiel gegen Paris St. Germain wird sich insbesondere die Defensive steigern müssen.
Es war das erwartet schwere Spiel gegen einen unangenehmen Gegner. Nach Juventus Turin und Manchester City bekam es Olympique Lyon mit dem FC Bayern zu tun, und die von Rudi Garcia angeführte Mannschaft blieb ihrer Herangehensweise treu: Im kompakten 5-3-2 wurden nach tiefer Balleroberung die pfeilschnellen Stürmer Memphis Depay und Karl Toko Ekambi gesucht, die mit kreativen Laufwegen und hohem Tempo für Gefahr in der Endverteidigung des Gegners sorgen sollten.
Das gelang in der Anfangsphase gleich zweimal, weshalb Depay (4.) und Toko Ekambi (17.) zunächst die beiden besten Chancen der Partie hatten. Dass diese am Ende wertlos blieben, lag einerseits daran, dass Depay das Außennetz und Toko Ekambi den Pfosten getroffen hatte, andererseits versenkte Serge Gnabry keine 60 Sekunden nach Ekambis Riesenchance den Ball in Robben-Manier im Netz. Vom rechten Flügel aus tankte sich der deutsche Nationalspieler auf seinem Weg ins Zentrum gegen drei Gegenspieler durch, öffnete mit einer Körpertäuschung die Lücke zwischen den Innenverteidigern und wuchtete das Leder in die Maschen.
Daraufhin wirkte Lyon etwas gelähmt, der Tabellensiebte der Ligue 1 sollte sich aber trotz der Erhöhung auf 2:0 durch Gnabry (33.) wieder fangen. Nach dem Seitenwechsel erzeugte die Garcia-Elf durch ihre typischen langen Bälle weiterhin Gefahr, doch Bayern-Keeper Manuel Neuer musste nur einmal entscheidend eingreifen (58.). Robert Lewandowskis 15. Saisontor (88.) sorgte kurz vor Schluss für die endgültige Entscheidung - eine völlig souveräne Vorstellung bot der deutsche Rekordmeister im Estadio Jose Alvalade aber nicht.
Schwachstelle Außenverteidigung
Einerseits haben die Außenverteidiger erneut ihre Schwachstellen offenbart. Joshua Kimmich und Alphonso Davies waren wie schon im Viertelfinale gegen den FC Barcelona zu häufig zu hoch positioniert, konnten dadurch mit hohen Bällen leicht überspielt werden. Weil die Bayern sich gerade in der Anfangsphase leichtsinnige Ballverluste geleistet haben und Lyon in vielen Zweikämpfen die Oberhand behielt, wurde es im letzten Drittel immer wieder gefährlich. Speziell Toko Ekambi hat mit seinen Laufwegen zwischen David Alaba und Davies regelmäßig für Gefahr gesorgt, doch in vielen Fällen haben die Franzosen zu wenig aus ihren Möglichkeiten gemacht.
Leeres Mittelfeld
Ein weiteres Problem war die Staffelung im Mittelfeld. Wie üblich ließ sich Thiago im Aufbau zwischen die Innenverteidiger fallen, die daraus resultierende Lücke im Mittelfeld muss dann aber geschlossen werden. Diese Aufgabe würde in diesem Fall Leon Goretzka zuteilkommen, der deutsche Nationalspieler suchte über weite Strecken des ersten Durchganges aber zu häufig Räume in der Tiefe. Aufgrund dieses Vakuums blieb den Bayern nur der Aufbau über die Außenverteidiger oder ein Chipball in Richtung Flügelspieler. In Szenen wie diesen hätte beispielsweise Kimmich als einrückender Außenverteidiger Unterstützung für Goretzka, der sich folglich tiefer hätte positionieren müssen, bieten können.
Lyons Abwehrbollwerk hat standgehalten - Flicks Erkenntnis
Auch das Flügelspiel blieb ob der 5-3-2-Staffelung Lyons blasser als sonst. Wie schon gegen Barcelona und Chelsea rückten Ivan Perisic und Serge Gnabry situativ zu Lewandowski und Thomas Müller in die Zentrale, wodurch der jeweilige Außenverteidiger in der Regel nahe der Seitenlinie in die Tiefe laufen und das voll besetzte Zentrum bespielen kann. Im eigenen Strafraum blieb Lyon aber stets in Überzahl, wirklich unsortiert war das Abwehrbollwerk lediglich in der 33. Minute: Perisic blieb auf der Außenbahn, wurde von Gnabry bedient und spielte eine scharfe Hereingabe auf Lewandowski. Der Pole verstolperte den Ball, im Nachsetzen beförderte Gnabry den Ball selbst über die Linie.
Es war kein perfektes Spiel der Bayern, das war gegen diesen Gegner aber auch nicht zu erwarten. Lyon war gewohnt schwer zu bespielen, stark in den Zweikämpfen und über lange Bälle gefährlich. Hansi Flick und sein Trainerteam wissen, dass ihre Mannschaft am Sonntag wacher und robuster sein muss, dass sie sich keine einfachen Ballverluste erlauben darf und dass Kylian Mbappé, Neymar und Angel Di Maria Lücken wie die gestern gebotenen eher bestrafen als Lyon - wenngleich Flick nach dem Spiel betonte, dass er keinen riesengroßen Qualitätsunterschied zwischen den beiden französischen Offensivreihen erkennt: "Ich bin nicht der Meinung, dass die Offensivkräfte von Lyon so viel schlechter sind als die von Paris", sagte Flick laut kicker. Allerdings erzielte Paris St. Germain 25 Tore im laufenden Wettbewerb, Lyon dagegen 14. Über allem stehen aber die Münchner Bayern mit nun 42 Treffern.