Klostermann und Can als Außenverteidiger: Die beste Wahl für die EM?
Von Dominik Hager
Über die Probleme in der Außenverteidigung der Nationalmannschaft machen sich nicht nur Joachim Löw und der Trainerstab, sondern auch zahlreiche Experten und Hobby-Trainer Gedanken. Nach dem Karriereende von Philipp Lahm und der Versetzung von Joshua Kimmich fehlt es auf dieser Position an internationaler Klasse. Bei den Qualifikationsspielen gegen Island und Rumänien brachte der Bundestrainer Lukas Klostermann und Emre Can. Sind die beiden schon der Weisheit letzter Schluss?
In Leipzig spielt Lukas Klostermann in dieser Saison vorrangig auf der Innenverteidiger-Position, im Nationalteam ist der 24-Jährige dagegen auf der rechten Seite eingeplant. Bei den beiden letzten WM-Qualifikationsspielen merkte man dem Leipziger jedoch an, dass er sich in der Offensive nicht (mehr) so recht wohlzufühlen scheint. Vor allem beim Spiel gegen Rumänien fiel der Abwehrspieler durch seinen fehlenden Mut auf. So scheute er über 90 Minuten sowohl Risikopässe, Offensivläufe als auch Flanken.
Stattdessen sah man ihn fast ausschließlich dabei, wie er zum Neben- oder Hintermann weitergab. Zwar stand am Ende eine sensationelle Passquote von 96,5 Prozent auf dem Statistikbogen, dennoch brachte er dem deutschen Spiel offensiv keinen Mehrwert.
Alles in allem kann man sagen, dass vom Leipziger viel mehr hätte kommen müssen. Wer einen Platz in der deutschen Startelf haben will, muss einfach mehr Mut zeigen und alles auf die Strecke bringen, was er in sich hat.
Dies ist eigentlich eine ganze Menge: So ist Klostermann der wohl schnellste Akteur im deutschen Kader und bringt körperlich alle Voraussetzungen für jede Menge Offensivpower mit. Jedoch braucht er eben auch Aktionen im Spiel nach vorn, um sich von möglichen Konkurrenten wie Matthias Ginter und Niklas Süle abzusetzen. Alles, was Klostermann in den letzten beiden Spielen in der Offensive produziert hat, hätten die beiden gelernten Innenverteidiger auch hinbekommen. In der Defensive fehlt im dagegen das nötige Geschick in den Zweikämpfen, zudem setzt er seinen Körper nicht ausreichend ein.
Bei der EM wird es wohl vor allem auf das Match-up ankommen, wenn man sich die Frage stellt, welcher Kandidat am besten geeignet sei. Gegen Frankreich spricht beispielsweise einiges für Klostermann, weil dieser mit seiner Schnelligkeit gute Anlagen gegen die flinke und quirlige Offensive mitbringt.
Emre Can auf ungewohntem Terrain: Ist der Dortmunder eine langfristige Option?
Nach der verordneten Quarantäne für Marcel Halstenberg und der Verletzung von Robin Gosens war das Experiment von Emre Can als Linksverteidiger eher aus der Not geboren. So sieht sich der Dortmunder selbst mehr im Zentrum. Allerdings ist der 27-Jährige ein Spieler, der sich immer voll reinhaut und versucht, der Mannschaft zu helfen, wo er gebraucht wird.
In den letzten beiden Spielen zeigte er die eine oder andere sehenswerte Aktion und spielte insgesamt sehr solide. Für die entscheidenden Offensivaktionen sorgte der Borusse jedoch auch nicht. Im Gegensatz zu Klostermann kann man ihm hierbei allerdings keinen Vorwurf machen. Denn Can besitzt nicht die Schnelligkeit, um seine Gegner auf der Außenbahn zu übersprinten und agierte als Rechtsfuß zudem auf der falschen Seite.
Im Hinblick auf die EM zeigt das aber auch, dass er insgesamt zu beschränkt ist, um die Rolle konstant auf hohem Niveau auszufüllen. Ein Robin Gosens bringt vor allem in der Offensive weitaus mehr Fähigkeiten mit. Sollte rechts hinten ein eher defensiv eingestellter Außenverteidiger spielen, wäre auf links offensive Power durchaus wünschenswert.
Trotz allem hat Emre Can gezeigt, dass man sich im Notfall auf ihn verlassen kann. Das ist schon mal gut zu wissen, zumal man nicht weiß, wie dick die Personaldecke bei der EM sein wird. Joachim Löw hat außerdem erklärt, dass er Spieler benötigt, die Erfahrung auf Top-Niveau haben. Darüber verfügt der BVB-Star reichlich.
Festzuhalten bleibt, dass Klostermann und Can zwar akzeptable Optionen, aber nicht die Antwort auf alle Sorgen sind. Demnach kann man davon ausgehen, dass Joachim Löw noch das eine oder andere ausprobieren wird. Ob wir einen der beiden oder sogar beide beim EM-Auftakt gegen Frankreich (15. Juni) in der Startelf sehen werden, wird erst der weitere Verlauf zeigen.