"The Dschörmen Klassiker" - Ein Blick auf das Spiel der Spiele
Von Simon Zimmermann
Na, steigt die Vorfreude auf den "Dschörmen Klassiker" - wie es Lothar Matthäus so schön zu sagen pflegt bei euch auch schon?
Wie sind schon heiß wie Frittittenfett! Samstagabend 18.30 Uhr, Signal-Iduna-Park, BVB gegen FC Bayern. Zweiter gegen Erster. Nur ein mickriges Pünktchen trennen die beiden größten Klubs der Bundesliga. Sollen wir weiter machen?
Machen wir! Zur Einstimmung auf das Duell der Duelle in Deutschland hauen wir euch alles um die Ohren. Wie gingen die letzten Aufeinandertreffen aus? Wo sind die Schlüsselduelle, wer oder was könnte die Partie entscheiden? Damit vor dem Anpfiff nichts ungeklärt bleibt - natürlich bis auf das Endergebnis: unser Blick auf den German Clasico.
1. Die Bilanz & letzten Spiele
- 104 Mal duellierten sich Borussia Dortmund und der FC Bayern in der Bundesliga. 29 BVB-Siege stehen 50 FCB-Erfolge gegenüber, 29 Duelle endeten unentschieden. Gegen keinen anderen Bundesligisten verlor der BVB häufiger. Aber: kein anderes Bundesliga-Team hielt den FCB so häufig torlos wie der BVB (22 Mal).
- In 57 Bundesliga-Spielen gingen die Bayern übrigens mit 1:0 in Führung. 41 dieser Spiele konnte der Rekordmeister am Ende auch gewinnen. Robert Lewandowski schoss fünfmal das 1:0 im Klassiker (viermal für den FCB, einmal für den BVB).
- A propos Robert Lewandowski: Mit 21 Toren ist er der Rekordtorschütze des Klassikers. Mit 16 Siegen bei 22 Einsätzen ist der Pole auch der Rekordsieger dieses Duells! Die längste Siegesserie ist aber Kingsley Coman vergönnt: Er gewann alle seine sieben Klassiker-Duelle.
- Die letzten drei Duelle in Dortmund konnten die Bayern gewinnen. Zuletzt mit 3:1 im Supercup. Davor 3:2 (7. Spieltag 20/21) und 1:0 (28. Spieltag 19/20). Insgesamt hat der Rekordmeister sogar die letzten sechs Aufeinandertreffen für sich entschieden. Zuletzt gab es einen BVB-Sieg beim Supercup im August 2019 (2:0).
2. Die Ausgangslage
Die Ausgangslage vor dem Duell am 14. Spieltag ist klar: Der FC Bayern reist als Tabellenführer an, hat aber nur einen Zähler Vorsprung auf Verfolger Dortmund. Das Torverhältnis spricht auch für den FCB: +29 (42:13) gegenüber +14 (33:19).
Probleme offenbaren beide Teams im bisherigen Saisonverlauf in der Defensive. Zusammen kommen der BVB und der FC Bayern in der Bundesliga nur auf fünf von 26 möglichen Zu-Null-Spiele. Der BVB hielt nur einmal die Weiße Weste (beim 2:0 gegen Köln). Die Bayern immerhin viermal (gegen Hertha, Bochum, Hoffenheim und Bielefeld).
3. Die Schlüsselduelle
DAS individuelle Duell zwischen dem BVB und den Bayern ist natürlich das Aufeinandertreffen der beiden Super-Torjäger. Auf Erling Haaland und Robert Lewandowski kommen wir noch zu sprechen.
Doch es werden sich weitere wichtige Duelle auf dem Platz ergeben.
- Wer kontrolliert das Zentrum? Dahoud - Can - Bellingham vs. Tolisso - Goretzka
Mit Joshua Kimmich fällt bei den Bayern der Mittelfeld-Anführer aus. Auch Marcel Sabitzer ist verletzt. Neben Leon Goretzka wird demnach Corentin Tolisso erwartet - es sei denn, Nagelsmann setzt mit Jamal Musiala auf volle Attacke. Was eher unwahrscheinlich ist.
Die beiden Bayern-Stars könnten sich je nach BVB-System im Mittelfeldzentrum gegen zwei oder drei Dortmunder duellieren. Axel Witsel saß dort zuletzt auf der Bank, Emre Can und Mo Dahoud machten ihren Job in Wolfsburg gut. Ist Jude Bellingham fit, wird das Superjuwel aber auf jeden Fall in die Startelf zurückkehren. Möglicherweise neben Dahoud und Can.
Ohne Kimmich scheint der Kampf ums Zentrum ausgeglichen zu sein.
- Die Spielmacher: Reus vs. Müller
Auf dem Papier ist Thomas Müller vorne. Schließlich führt er das ligaweite Assistranking mit zehn Torvorlagen an. Marco Reus hat "lediglich" vier Assists vorzuweisen. Doch der BVB-Kapitän zeigte sich in der Bundesliga zuletzt in sehr starker Verfassung. Was aber auch für den "ewigen Müller" gilt. Beide können mir einer Aktion ein Spiel entscheiden.
- Die Duelle auf dem Flügel: BVB-Außenverteidiger vs. FCB-Offensive
Aus Dortmunder Sicht vielleicht DIE wichtigsten Duelle. Wie schafft es Schwarz-Gelb die Eins-gegen-Eins-Situationen auf dem Flügel zu lösen? Oder besser: Wie oft schafft man es Coman, Gnabry, Davies und Sané in Überzahl zu empfangen? Meunier auf der rechten Defensivseite wird klare Geschwindigkeitsdefizite gegen Davies haben. Auf links muss entweder Nico Schulz ran - der auf hohem Niveau oftmals überfordert wirkt. Oder aber Raphael Guerreiro schafft es rechtzeitig. Der Portugiese hat seine Stärken aber vor allem in der Offensive.
Eine Möglichkeit die Situationen besser zu lösen, wäre eine Umstellung auf Dreier-/Fünferkette - was allerdings die Offensivpower lahmen könnte.
- Der Rückwärtsgang der Bayern: BVB-Angriff vs. FCB-Defensive
'Konterabsicherung' und 'Restverteidigung' sind Schlagwörter, auf die Julian Nagelsmann besonders pocht. Im Vergleich zur Flick-Zeit sind leichte Verbesserungen im Bayern-Spiel zu erkennen. Die Anfälligkeit bei Ballverlusten und Kontern des Gegners blieb allerdings bestehen. Gerade für das Dortmunder Spiel bieten diese Situationen die beste Möglichkeit zum Torerfolg. Mit Malen und Haaland verfügt man über extrem dynamische und schelle Stürmer. Reus kann den Ball im Übergangsspiel sehr schnell machen und die entscheidenden Pässe spielen. Hier muss der Gast aus München besonders sorgsam sein.
4. Das Aufeinandertreffen der besten Neuner der Welt
Erling Haaland hat es rechtzeitig gepackt: Das norwegische Torphänomen hat seine Muskelverletzung schneller als gedacht auskuriert und dürfte gegen die Bayern in der Startelf stehen. In Wolfsburg gab er bereits als Joker sein Comeback - samt Bundesliga-Tor Nummer 50 im 50. Spiel (neuer Rekord).
Im Duell der beiden besten Torjägern der Welt bekommt er es mit dem Ballon d'Or-Sieger der Herzen zu tun. Und der hat jetzt schon wieder 14 Bundesliga-Tore auf dem Konto.
Welcher Knipser das Spiel entscheidet, ist offen. Dass einer von ihnen das Spiel entscheidet, ist aber mehr als wahrscheinlich.
Hier gehts zum detaillierten Blick auf das Duell Haaland vs. Lewandowski
5. Darauf kommt es an
- Aus BVB-Sicht:
Egal für welches System sich Marco Rose auch entscheidet. Für den BVB geht es darum, defensiv kompakt zu stehen, vor allem auf dem Flügel immer wieder defensive Überzahlsituationen zu schaffen und den Raum zwischen Abwehrreihe und Mittelfeld gut zu verteidigen.
Dafür braucht man bei Schwarz-Gelb vor allem auch Mut, Leidenschaft und viel Wille. Gerade der "Zehnerraum" wird von den Bayern unter Nagelsmann besonders gut bespielt. Sané rückt von links immer wieder nach innen und bildet so mit Müller eine Art Doppelzehn. Wie gefährlich das für den Gegner ist, hat man beim Siegtor gegen Bielefeld besonders gut sehen können (Video: ab Minute 6:30).
Individuelle Schnitzer müssen so weit es geht vermieden werden. In Duellen mit dem FC Bayern werden diese üblicherweise noch gnadenloser bestraft.
Im Spiel nach vorne tut den Bayern Tempo am meisten weh. Die Voraussetzungen im BVB-Team sind dafür bestens. Besonders gefährlich werden kann es vor dem Bayern-Tor, wenn die Borussia im Mittelfeldpressing Bälle erobert und hinter der FCB-Abwehrreihe der nötige Raum für Haaland und Malen vorhanden ist.
- Aus FCB-Sicht:
Die Bayern wollen auch in Dortmund dominant auftreten. Wahrscheinlich im bislang üblichen 4-2-3-1-System, das bei eigenem Ballbesitz zu einem 3-2-4-1 wird. Damit kann man dem BVB sowohl auf dem Flügel, als auch im Zehnerraum extrem wehtun. In Dortmund könnte das Flügelspiel aber nochmals wichtiger werden - Stichwort: BVB-Schwachstelle Außenverteidiger. Hier sollten häufig Eins-gegen-Eins-Duelle kreiert werden. Am effektivsten geht das mit schnellen Seitenverlagerungen und Angriffen über die Mitte/Halbspur, die im letzten Drittel nach außen geleitet werden.
Defensiv braucht es aus Münchner Sicht eine besonders gute Restverteidigung und sehr viel Ballsicherheit. Schnitzer wie in Augsburg darf man sich gegen Dortmund noch weniger leisten. Das angesprochene Tempo von Haaland und Malen führt dazu, dass die Innenverteidiger Schwierigkeiten bekommen werden, wenn sie einen großen Raum hinter sich verteidigen müssen. Hat der BVB im Mittelfeld dabei keinen Druck auf den Ball, wird es zwangsläufig brandgefährlich.