Klassenerhalt statt Europa: Werders Ziele sind nicht mehr "sexy"
Von Marc Knieper
Mit dem enttäuschenden Lustlos-Auftritt am Samstagnachmittag im heimischen Weserstadion gegen Union Berlin hat der SV Werder Bremen seine Chance, sich in der Tabelle zu stabilisieren, fahrlässig vertan. Statt eines Aufschwungs im neuen Jahr richten sich die Blicke nun erneut gen Abstiegszone. Der Klassenerhalt bleibt für die Grün-Weißen auch in dieser Saison das neue Europa.
An der Weser hat man es dieser Tage weiter nicht leicht. Nach der vergangenen Seuchensaison kämpft die verjüngte Elf von Cheftrainer Florian Kohfeldt auch in dieser Spielzeit Woche für Woche um die nötigen Punkte für eine hoffentlich entspanntere Saison und den frühzeitigen Klassenerhalt. Die gebeutelten Hanseaten befinden sich finanziell in der heftigsten Notlage seit ihrer Gründung. In Krisenzeiten gilt es, irgendwie den Spagat zwischen wirtschaftlichen Notwendigkeiten und sportlichem Erfolg zu bewerkstelligen.
Sportdirektor Frank Baumann steht nach seiner kürzlichen Vertragsverlängerung bis 2022 vor einer ähnlichen Hürde, die er bereits bei seinem Amtsantritt 2016 meistern konnte. Denn auch damals kriselte der Klub - sogar so sehr, dass angeblich die Insolvenz drohte. Doch Werder gelang die Reform und baute mit einigen Glücksgriffen auf dem Transfermarkt (Beispiel: Thomas Delaney) sogar stetig neues Eigenkapital auf. Sowohl 2017 als auch 2019 scheiterte man hauchdünn an der Qualifikation für die Europa League.
Das Saisonziel der abgelaufenen Spielzeit lautete folgerichtig ebenfalls Europa League. Nach einigen wenigen Spielen wurden die Bremer allerdings auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Insbesondere der Abgang von Leistungsträger Max Kruse im Sommer 2019 schmälerte die Qualität des Kaders enorm. Einen ähnlichen, nur schwierig kompensierbaren Abgang verzeichnete der Klub zuletzt im Sommer, als man Mittelfeldmotor Davy Klaassen schweren Herzens des Geldes wegen nach Amsterdam ziehen ließ.
Tschüss Europa, hallo Abstiegskampf: Werders Ziele sind nicht mehr "sexy"
Mittlerweile wäre es am Osterdeich bereits ein Erfolg, "Werder unter diesen Bedingungen stabil in der Bundesliga zu halten", entgegnete Kohfeldt dem Weser-Kurier. Denn der Bremer Übungsleiter muss nach der im Sommer angekurbelten Verjüngungskur aus einem qualitativ schlechteren Kader eine bundesligareife Einheit formen. Alte Europapokalträume müssen dabei ad acta gelegt werden.
"Wir müssen ein Team aufbauen, in dem wir junge Spieler oder auch andere Spieler weiterentwickeln, um Werte für Werder Bremen zu schaffen. Dabei müssen wir uns in der Liga halten", so Kohfeldt. "Das sind Ziele, die zwar nicht so sexy klingen wie 'Wir wollen nach Europa', aber von den Rahmenbedingungen her sind diese Ziele genauso ambitioniert, wie sich vor drei Jahren hinzusetzen und zu sagen, Europa sei das Ziel."
Der Klassenerhalt ist für Werder das neue Europa - zumindest aktuell. Dass sich die Zeiten wieder ändern, wünscht sich in Bremen natürlich jeder. Langfristig höhere Ziele anzupeilen ist und bleibt auch der Wunsch von Baumann, Kohfeldt und Co. Doch ein Umbruch - gerade mit vielen talentierten, jungen Spielern - benötigt eben seine Zeit. Von den Europagedanken wolle man sich in Zukunft somit nicht gänzlich verabschieden, aber erst wieder daran denken, "wenn wir Werder wirtschaftlich und sportlich stabilisiert haben", so Baumann via Weser-Kurier.