Coman-Verlängerung: Die Vor- und Nachteile für den FC Bayern
Von Dominik Hager
Der FC Bayern steht unmittelbar vor einer Vertragsverlängerung mit Kingsley Coman. Die französische Zeitung L'Equipe berichtete, dass der Spieler schon in den kommenden Tagen einen neuen Vertrag unterschreiben soll. Sein Gehalt soll von derzeit rund acht Millionen auf 17 Millionen Euro angehoben werden.
Der FC Bayern lässt sich die Dienste des Außenbahnspielers demnach ordentlich kosten. Doch ist eine Verlängerung für den Klub bei diesen Konditionen überhaupt sinnvoll? Es gibt für beide Seiten Argumente.
1. Pro: Bayern muss Top-Stars halten, um international konkurrenzfähig zu bleiben
Der FC Bayern hat als Bundesligist ohnehin ein schweres Los, wenn es darum geht, den Anschluss an die europäische Spitze zu halten. Die Liga wirkt für Stars nicht sonderlich anziehend, was es den Münchnern natürlich immer ein wenig schwerer macht. Zudem erhält der Klub nicht die TV-Einnahmen wie beispielsweise Premier-League-Klubs. Der Abstand zu den Top-Ligen wird eher größer, was auch daran liegt, dass in der Bundesliga derzeit keine Zuschauer erlaubt sind und sich die Situation auch erstmal nicht ändern wird.
All das sind negative Faktoren in einer Zeit, in der sich andere Klubs die Geldscheine der Investoren aus Katar etc. mit einem breiten Grinsen einstecken. Möchte der FC Bayern also weiterhin zu den Top-5-Klubs in Europa zählen, muss man alles daran setzen, die Stars zu halten, die man aktuell in seinen Reihen hat.
Kingsley Coman ist, wenn fit, ein echter Leistungsträger und an guten Tagen auch ein Unterschiedsspieler. Mit seinen 25 Jahren ist er zudem noch immer jung. Der Franzose gehört neben Spielern wie Kimmich, Davies, Upamecano und Sané zu den Spielern, die dafür Sorge tragen können, dass die Münchner auch in fünf Jahren noch um die ganz großen Titel mitspielen.
2. Pro: Entwicklung bei Coman offensichtlich
Kingsley Coman hat den Bayern-Fans in den letzten Jahren nicht nur Freude bereitet, sondern auch für ein Kopfschütteln gesorgt. Immer wieder folgten auf seine grandiosen Tempo-Dribblings hanebüchene Abschlüsse und Flanken.
Coman wird vielleicht nie der allerbeste Spieler in diesen Kategorien werden, hat sich jedoch zumindest stark verbessert. Insbesondere seine Schüsse haben in den vergangenen Monaten an Qualität dazu gewonnen. Vier Bundesliga-Tore in gut 500 Minuten Einsatzzeit dienen hierbei als Beleg. Zwar trat Coman in dieser Saison selten als Vorlagengeber in Erscheinung, jedoch lag dies mitunter auch an der schlampigen Chancenverwertung seiner Kollegen.
Coman ist längst kein Spieler für das Auge mehr, sondern ein Akteur, der entscheidende Impulse setzen kann. Der Außenbahnspieler hat schließlich bereits in den vergangenen Spielzeiten wichtige Treffer im DFB-Pokal- und Champions-League-Finale markieren können.
Setzt sich der positive Trend des Spielers fort, kann er in den kommenden Jahren noch wichtiger werden.
3. Pro: Coman bringt andere Komponenten ins Spiel als Gnabry und Sané
In Sachen Effektivität tut sich Kingsley Coman trotz seiner Entwicklung noch schwer, mit Serge Gnabry und Leroy Sané mitzuhalten. Die beiden Kicker sind schlichtweg Scorer vor dem Herren. Allerdings bringt der Franzose im Vergleich zu den beiden deutschen Nationalspielern auch gewisse Vorzüge mit.
Dank seiner genialen Technik und Ballführung kann Coman Situationen auf engem Raum jederzeit geschickt auflösen und im Dribbling gegen mehrere Gegenspieler bestehen. Der 25-Jährige ist der beste Münchner im Eins-gegen-eins und zieht eine Unmenge an Freistößen. Zudem ist er auch in Bedrängnis überaus ballsicher und verliert das Leder nur höchst selten.
Bei Leroy Sané und Serge Gnabry sind diese Fähigkeiten nicht ganz so ausgeprägt. Insbesondere Gnabry verschludert oft einige Bälle und verrennt sich in erfolglosen Dribblings, ehe er diese Unzulänglichkeiten mit einem genialen Tor oder einer tollen Vorlage wieder wettmacht.
Sowohl Gnabry als auch Sané sind zudem Spieler, die sich direkt an der Außenlinie nicht ganz so wohl fühlen. Die beiden Kicker brauchen den direkten Weg zum Tor und ihre Mitspieler, um ihre Fähigkeiten voll ins Spiel bringen zu können. Coman kann auf seiner Seite auch allein auf weiter Flur sein und liefert noch immer gewissen Input.
4. Kontra: Verletzungsanfälligkeit bleibt ein Problem
Seit Jahren wird Kingsley Coman in einer ziemlichen Regelmäßigkeit von Verletzungen heimgesucht. Sogar das Wort "Karriereende" hatte der Franzose schon mal in den Mund genommen.
Allein in dieser Saison wurde Coman von einer Wadenverletzung, Herzproblemen und einem Muskelfaserriss zurückgeworfen. Demnach konnte der Spieler wettbewerbsübergreifend auch nur 905 Spielminuten absolvieren. Die Muskulatur des Tempo-Dribblers ist anfällig. Zudem wird er aufgrund seiner Spielweise überproportional häufig gefoult.
Der FC Bayern muss sich bei einer Vertragsverlängerung darüber im Klaren sein, dass Coman kein Müller oder Lewandowski ist, sondern immer wieder an kleineren oder größeren Verletzungen leiden wird. Eine Garantie darauf, dass ein Spieler in den entscheidenden Momenten fit ist, hat man nie, jedoch ist die Ausfall-Wahrscheinlichkeit bei Coman definitiv erhöht.
Zudem braucht der Spieler seine volle Fitness, um sein Tempo ideal ausspielen zu können.
5. Kontra: Jede Gehaltserhöhung nährt teuflischen Kreislauf
Der FC Bayern hat in den vergangenen Jahren seine Gehaltszahlungen ordentlich in die Höhe schrauben müssen. Verlängerungen mit Neuer, Müller, Lewandowski und zuletzt auch Kimmich und Goretzka haben den Mannschafts-Etat gewaltig erhöht. Aufzuhalten ist diese Entwicklung nicht mehr. Das Problem ist, dass kein Profi im Vergleich zu seinen Kollegen unterbezahlt sein möchte und sich die Spieler schnell zu wenig wertgeschätzt fühlen, wenn die Kollegen mehr verdienen.
Dies hat man am Beispiel Coman bestens sehen können, der sich bei seinen Gehaltsvorstellungen an Leroy Sané orientiert hat. Nun besteht natürlich auch die Gefahr, dass sich Serge Gnabry wiederum an den Forderungen von Kingsley Coman orientiert. Sollte der Verein dem Franzose 17 Millionen Euro jährlich bieten, wird sich Gnabry kaum mit spürbar weniger zufrieden geben. Mit einer Süle-Verlängerung zu angenehmen Konditionen dürfte es ebenfalls nicht leichter werden.
Zudem sehen die Stars, dass beim FC Bayern offenbar durchaus mehr rauszuholen ist, als der Verein zunächst verlauten lässt. Dies stärkt die Position der Spieler.
6. Kontra: Markt würde spannende Alternativen bereithalten
Es gibt Positionen, auf denen es extrem schwer ist, interessante Spieler auf dem Markt zu finden. Der Markt für starke Außenverteidiger ist beispielsweise kaum vorhanden und auch eine starke Nummer eins zieht man nicht mal so eben an Land.
Im offensiven Mittelfeld und insbesondere auf den Außenbahnen finden sich aber praktisch immer Spieler mit einem enormen Potenzial.
Der FC Bayern soll beispielsweise an den beiden Brasilianern Antony (Ajax Amsterdam) und Raphinha (Leeds United) interessiert sein. Beide Spieler haben in der laufenden Saison bereits mit ihrer genialen Technik und ihrer Torgefahr glänzen können. Zudem kicken sie für Vereine, die unter dem FC Bayern anzusiedeln sind und damit bei einem guten Gebot wohl verfügbar wären.
Ein Coman-Abgang würde also die Chance eröffnen, einen anderen starken Offensivspieler zu verpflichten, der dem Verein neue Impulse liefern kann. Die Münchner müssten sich keinerlei Sorgen machen, hierbei nicht fündig zu werden. Das Verpflichten von grandiosen Flügelspielern ist ja ohnehin eine besondere Münchner Qualität.
Fazit: Verlängerung alles in allem sinnvoll
Der FC Bayern tut sich finanziell keinen großen Gefallen, wenn man Coman 17 Millionen Euro jährlich anbietet. Beschreitet man diesen Weg, werden sich die Kader-Kosten zukünftig weiter erhöhen.
Allerdings weiß der FC Bayern natürlich auch, dass es extrem schwer wird, die internationalen Erfolge der letzten Jahre zu wiederholen. Ein Kingsley Coman kann seinen Beitrag dazu leisten, dass dieses Unterfangen womöglich doch gelingt. Der Franzose gehört zu den absoluten Top-Außenbahnspielern, selbst wenn seine Verletzungsanfälligkeit zum Teil eklatant ist.
In Summe kann man den FC Bayern gut verstehen, sollte er bei Coman wirklich tiefer als erwartet in die Tasche greifen. Schießt der Tempo-Dribbler die Münchner zum nächsten großen Erfolg, spricht niemand mehr über das hohe Gehalt des Kickers.