Kehrtwende bei Bentaleb? Chancen und Gefahren für Schalke
Von Yannik Möller

Mit Nabil Bentaleb ist ein Spieler mit ins Schalke-Trainingslager nach Österreich gefahren, bei dem man es am ehesten ausgeschlossen hätte. Der Mittelfeldspieler soll und möchte Königsblau eigentlich verlassen - neben den derzeit nicht gegebenen Möglichkeiten dafür hinterlässt er im Training einen sehr soliden Eindruck. Ist eine Kehrtwende doch noch möglich?
Nach seinem Urlaub, der wegen der noch länger ausgespielten Premier-League-Saison noch bis in die ersten zwei Wochen der Saisonvorbereitung bei Schalke 04 lief, wurde Nabil Bentaleb zunächst ein paar Tage freigestellt, um sich um seine sportliche Zukunft zu kümmern. Seine Rückkehr ins Training erfolgte somit nicht wie zunächst geplant am 12. August - da es aber nach wie vor keine ernsten Gespräche mit interessierten Klubs gibt, reiste er mit ins Trainingslager nach Österreich.
Dass es doch überraschend ist, dass Bentaleb mit nach Längenfeld reiste, ist nicht zu verheimlichen. Nach mehrmaligen Trennungen und Auseinandersetzungen zwischen dem Mittelfeldspieler und dem Klub - und das bei mehreren Trainern -, schien eine halbwegs gewöhnliche Rückkehr in die Mannschaft und ins Training kein Thema zu sein. Vielmehr ist sein Abschied weiterhin das Ziel, an dem hinter den Kulissen gearbeitet wird - sowohl vom Spieler, als auch vom Klub aus, wie in der letzten Woche noch zu hören war.
Newcastle-Transfer kein Thema: Bentalebs ungeplante Rückkehr ins Schalke-Training
Dennoch scheint der seit mittlerweile anderthalb Jahren fokussierte Wechsel nach den ersten Tagen im Trainingslager so weit weg zu sein, wie seit langer Zeit nicht mehr. Das liegt zum einen daran, dass es noch immer keinen Interessenten gibt, mit dem Schalke ernsthafte Gespräche führt. Newcastle United, für das Bentaleb die Rückrunde auflief, hätte ihn für zehn Millionen Euro verpflichten können - auch aufgrund der geplatzten finanziellen Übernahme des Klubs zerschlug sich diese Option. Auch wenn die Ablöse mittlerweile frei zu verhandeln und somit spürbar niedriger wäre, so spielt der 25-Jährige laut Bild keine Rolle in den Plänen von Newcastle-Coach Steve Bruce.
Ohnehin seien die Gehaltsvorstellungen ein Problem gewesen, berichtet der kicker. Das Magazin rechnet mittlerweile sogar damit, dass Königsblau bei einer potenziellen Ablöse von etwa fünf Millionen Euro schwach werden könnte. Dazu käme zwar noch eine Gehaltseinsparung von rund vier Millionen Euro - gemessen am damaligen Preis (2017 für ca. 20 Millionen Euro gekommen) und seinem eigentlichen Können an guten Tagen dennoch ein Schnäppchen, wäre da nicht die komplizierte Vergangenheit im Verein.
Ein Spieler, der normalerweise wechseln möchte und das auch soll, jedoch keine Interessenten auf den Plan ruft. Ein Spieler, der bei einer etwaigen Kehrtwende doch noch helfen könnte, wenn er seinen Spielstil und die Kreativität aus dem Mittelfeld heraus ins Schalker Spiel bringen würde? Denkbar ist das sportlich gesehen durchaus und - wie gesagt - zurzeit so realistisch wie seit vielen Monaten nicht mehr. Das macht es aber längst nicht wahrscheinlich.
Bentaleb mit guten Eindrücken - Schneider hält sich alle Optionen offen
Aus dem S04-Trainingslager berichtet so mancher Reporter, dass Bentaleb einen bislang sehr guten Eindruck hinterlassen konnte. Vor allem in Spielformen soll er durch wichtige Zuspiele und Vorlagen überzeugen. So manches Einzelgespräch mit Trainer David Wagner, der ihm im letzten Sommer keine Chance gab, sich zu beim neuen Coach zu zeigen, wurde ebenfalls gesichtet.
Trainingsspiel auf einem kleineren Feld. Bisher ne Bentaleb-Show - zwei tolle Pässe auf Boujellab, zwei Tore. Kicken kann er ja. #S04
— Andreas Ernst (@AndiErnst) August 22, 2020
Interessant: Wagner nimmt Nabil Bentaleb kurz zur Seite, spricht mit ihm. pic.twitter.com/m4MhqpvmT4
— Kilian Gaffrey (@kilian_ga) August 22, 2020
Sportvorstand Jochen Schneider hält sich weiterhin bedeckt - nicht überraschend, bedenkt man die Ausgangslage und die finanzielle Situation (via Bild): "Er ist unser Spieler. Stand heute [Anm.: Aussage vom Samstag] gehe ich davon aus, dass er die Saison bei uns spielen wird, weil nichts anderes vorliegt." Dieser Zusatz ist dabei besonders wichtig: Tut sich noch eine Möglichkeit auf, Spieler und Klub von einem Transfer zu überzeugen, kann sich das Blatt schnell drehen.
Das weiß Schneider selbstverständlich, weshalb er selbst ein Hintertürchen weit öffnet und somit eine ungewisse Zukunft des Algeriers betont: "Er bereitet sich bestmöglich auf die neue Saison vor oder wenn noch etwas anderes kommt, muss man sich damit auseinandersetzen." Für den Fall der Fälle, sollte Bentaleb tatsächlich noch Pflichtspiele für den S04 absolvieren (ungeachtet eines bis in den Oktober möglichen Abschieds), mahnt der Sportvorstand aber auch an (via kicker): "Er ist lange genug Profi, um zu wissen, wie er sich zu verhalten hat."
Zukunft offen: Bentaleb-Wechsel anvisiert, aber nicht zwingend machbar
Wie die Zukunft des bis 2021 gebundenen Mittelfeldspielers aussieht, ist also völlig offen. Gibt es die Möglichkeit für einen Wechsel, wird diese fokussiert. Gibt es sie nicht, kommt es vielleicht zur Zweck-Ehe. Dass es dieses Szenario überhaupt geben könnte, ist eine nicht zu unterschätzende Entwicklung. Sollte er allerdings bleiben, muss Schalke sowohl auf die Ablöse, als auch auf die Gehaltseinsparungen verzichten - im nächsten Sommer würde er dann ablösefrei gehen. Eine Vertragsverlängerung ist offensichtlich kein Thema.
Was sich viele S04-Fans fragen: Könnte Bentaleb denn tatsächlich sportlich helfen? Wenn er (nach wie vor) zwar nicht regelmäßig, aber durchaus immer mal wieder so gut, so kreativ spielen soll, warum gibt es dann keine Interessenten? Fragen, mit denen sich primär Wagner und Schneider auseinandersetzen müssen. Möglich, dass er schon am heutigen Montag im Testspiel gegen die Würzburger Kickers aufspielen wird. Es wäre eine weitere und gemeinsame Annäherung mit Aussagekraft und der Chance, sich zu präsentieren - für Schalke und für Interessenten.