MLS-Profi Kai Wagner im Interview: "Man wird mich in naher Zukunft in Europa sehen"

90min-exklusiv: Kai Wagner (24) von Philadelphia Union im Interview
90min-exklusiv: Kai Wagner (24) von Philadelphia Union im Interview / Douglas P. DeFelice/GettyImages
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Kai Wagner spricht im 90min-Exklusivinterview unter anderem über die MLS, seinen Lieblingsklub Schalke, eine Rückkehr nach Europa, die skurrilen Fans in Amerika und das deutsche Essen, das er jenseits des Atlantiks am meisten vermisst.


Dienstagabend, 19 Uhr. Kai Wagner nimmt sich spontan die Zeit für ein Telefongespräch während seiner Autofahrt durch Philadelphia. Der 24-Jährige kommt vom Training. An der Ostküste der USA ist es 13 Uhr. Sechs Stunden Zeitverschiebung und über 6.100 Kilometer trennen uns.

Das Gespräch soll reflektierend starten. "Wer ist dieser Kai Wagner?", frage ich. Drei Wörter hätt' ich gern, mehr nicht. Die Antwort kommt aus der Pistole geschossen: "Ganz groß auf Platz eins: Familienmensch." Noch dazu: "Einsatzfreudig und lebensfroh." Eine schnelle Antwort, die zu der Karriere des in Baden-Württemberg geborenen Abwehrspielers passt.

Wagner lernte als kleiner Bub beim SSV Ulm das Fußballspielen. Nach einem kurzen Zwischenstopp in der U19 des FC Augsburg wechselte er im Sommer 2016 schließlich zur Reservemannschaft von Schalke 04. Nur ein Jahr später dann der Schritt in die dritte Liga nach Würzburg. Hier mauserte er sich zum Stammspieler, suchte nach anderthalb Jahren aber die Ferne. Sein Abenteuer in Amerika startete.

Wagner zu Schalke-Rückkehr: "Ich würde niemals Nein sagen"

Ein kleiner Wunsch ging aber bereits vor seiner Amerika-Reise in Erfüllung. "Für mich war es damals ein Riesentraum nach Schalke zu wechseln", verrät der bekennende S04-Fan und erklärt: "Ich musste überhaupt nicht überlegen, habe es direkt gemacht. Ich wollte schon immer die Schalker Farben tragen."

Anfang des Jahres sorgte Wagner mit einer Instagram-Story des Schalker Trainingsgeländes für Aufsehen. Königsblaue Fans vermuteten bereits einen potenziellen Winter-Wechsel des MLS-Profis nach Gelsenkirchen. Aber: "Ich habe nur meinen alten Physio besucht und wollte mir das Trainingsgelände mal wieder anschauen."

Seine Liebe zum Ruhrpott-Klub hat weiter Bestand. "Schalke habe ich immer im Herzen und verfolge es auch sehr. Es war mal wieder schön zurück zu sein." Vorerst als Gast, doch vielleicht schon bald als Spieler? "Ja, ich würde niemals Nein sagen."

Wagner: "Ich glaube, Corona hat ein bisschen meine Karriere gestoppt"

Einen Wechsel nach Europa kann Wagner noch nicht absehen, zurück möchte er aber irgendwann. "Ich hoffe, dass Corona bald vorbei ist. Dann würde es vielleicht auch ein bisschen einfacher werden. Ich glaube, Corona hat ein bisschen meine Karriere gestoppt, weil viele Vereine erst einmal schauen müssen, wo sie bleiben – wegen der Zuschauerbegrenzungen und Co. Aber ich glaube und hoffe, dass man mich in naher Zukunft wieder in Europa sieht. Einen Zeitpunkt kann ich noch nicht nennen."

"Ich glaube und hoffe, dass man mich in naher Zukunft wieder in Europa sieht."

Kai Wagner gegenüber 90min

Seit Februar 2019 kickt Wagner mittlerweile für Philadelphia Union. Nach drei Jahren blickt er auf 74 Einsätze in der Major League Soccer und gewann mit seinem Team 2020 sogar das MLS Supporters' Shield für das beste Team der Regular Season. Wagner gilt als einer der besten Linksverteidiger der Liga. Sein Marktwert wächst stetig und liegt derzeit bei drei Millionen Euro.

Kai Wagner von Philadelphia Union
Kai Wagner gehört zu den absoluten Leistungsträgern in der MLS / Tim Nwachukwu/GettyImages

Sein Wechsel nach Europa erscheint also nur als Frage der Zeit. Gegenüber 90min verriet Wagner bereits 2020: "Mein Ziel ist es, der Beste zu werden, der ich sein kann, und um das zu erreichen, muss ich mich auch in Europa weiterentwickeln."


Wagners Leistungen pro Verein:

  • Philadelphia: 91 Spiele, 4 Tore, 12 Assists
  • Würzburg: 47 Spiele, 0 Tore, 3 Assists
  • SSV Ulm: 34 Spiele, 1 Tor, 7 Assists
  • Schalke II: 33 Spiele, 0 Tore, 1 Assist
  • U19 Augsburg: 10 Spiele, 0 Tore, 0 Assists

Die Bundesliga und 2. Bundesliga verfolgt er noch regelmäßig. Es ist quasi sein Spieltagsritual. "Samstagmorgens Bundesliga zu gucken ist echt cool. Hier in Amerika läuft sie um 9.30 Uhr. Das macht richtig Spaß, sich das beim Frühstück ein bisschen anzuschauen." Nachmittags oder abends muss er dann häufig selbst ran.

Der Subaru Park, die Heimspielstätte von Philadelphia Union, bietet Platz für 18.500 Zuschauer. Die Stimmung der Fans ist ordentlich. "Mit den großen Stadien in Deutschland kann man es nicht vergleichen. Es herrscht trotzdem eine gute Stimmung in den Stadien", erzählt Wagner. "Da war ich damals selbst überrascht."

"Die packen ihre Grills aus und grillen erstmal"

"Was ganz lustig zu erzählen ist und viele nicht wissen, ist, dass gefühlt fünf Minuten vor Spielbeginn noch kein Mensch im Stadion ist und genau zu Spielbeginn ist dann das ganze Stadion voll. Das ist in Amerika gang und gäbe."

"Die Fans sind oft schon drei oder vier Stunden vor Spielbeginn da. Auf den Parkplätzen werden erstmal die Grills ausgepackt. Sie grillen, trinken Bier und spielen Spiele. Manche bringen ihren Tischkicker mit. Man sieht wirklich alles Mögliche auf den Parkplätzen", lacht Wagner.

Amerika: Fans grillen vor dem Stadion
Vor dem Stadion entspannt grillen: In Amerika keine Seltenheit / Tom Pennington/GettyImages

Ein cooles Ritual, das sicherlich einige weitere Ausländer in der MLS anfangs zum Schmunzeln brachte. Neben Wagner spielen derzeit sieben Deutsche in der amerikanischen Profiliga. Gut befreundet ist er mit Julian Gressel, Fabian Herbers und Hany Mukhtar. "Wir schreiben uns öfter. Julian habe ich direkt im ersten Jahr kennengelernt, zu ihm habe ich den besten Draht."

Abseits des Fußballs ist Wagner - wie eingangs erwähnt - vor allem Familienmensch. Seine Frau Jenny ist die Schwester von Pierre-Michel Lasogga (Al-khor SC). Gemeinsam haben sie zwei Kinder. "Der Große wird im März zwei, der Kleine ist 14 Wochen", berichtet Wagner. Am liebsten verbringt er seine Freizeit mit der Familie. "Wenn abends nochmal Zeit ist und die Kinder im Bett sind, spiele ich gerne eine Runde PlayStation - am liebsten Call of Duty Warzone."

Auf dem Platz geht es für Wagner und seine Kollegen am 26. Februar weiter. Zum Saisonauftakt der MLS empfängt Philadelphia das 1.800 Kilometer entfernte Minnesota United.