Juventus Turin und Maurizio Sarri - eine erfolgreiche Zukunft ist nicht möglich
Von Florian Bajus
Dieses Spiel werde nicht über seine Zukunft entscheiden, sagte Maurizio Sarri nach dem Aus in der Champions League gegen Olympique Lyon. Vielmehr verwies er auf seinen bis 2022 gültigen Vertrag, den er vor einem Jahr bei Juventus Turin unterzeichnete. Rückblickend müssen die entscheidenden Personen aber zu der Erkenntnis gelangen, dass Sarri den Ansprüchen nicht genügt. Über diese Saison hinaus sollte es nicht weitergehen.
Bei der SSC Neapel hat sich Maurizio Sarri einen Namen gemacht. Von 2015 bis 2018 trainierte er die Partenopei, führte die Mannschaft an die Spitzengruppe der Serie A heran und etablierte den Klub als zweite italienische Kraft hinter Serienmeister Juventus. Sarri gewann 98 von 148 Spielen, ließ offensiven und extrem attraktiven Fußball spielen, wollte nun aber den Sprung zu einem Spitzenklub wagen. 2018 beerbte er Antonio Conte beim FC Chelsea, nach nur einem Jahr kehrte er jedoch aus England nach Italien zurück.
In London hatte der 61-jährige Kettenraucher mit Anpassungsschwierigkeiten zu kämpfen. Italienische Trainer können auf der Insel durchaus Erfolg haben - immerhin wurden Claudio Ranieri, Roberto Mancini, Carlo Ancelotti und Antonio Conte Meister - doch Sarri gelang einzig der Gewinn der Europa League. In der Premier League belegte Chelsea mit 25 Punkten Rückstand auf das Spitzenduo FC Liverpool und Manchester City den dritten Tabellenplatz, nur zwei Punkte hinter den Blues lag der Fünftplatzierte FC Arsenal. Die Champions League wurde also nur knapp erreicht, denn sowohl ergebnistechnisch als auch fußballerisch bot Sarri den Bossen nicht das, was sie sich nach seiner Verpflichtung erhofft hatten.
Dennoch durfte er den nächsten Schritt auf der Karriereleiter machen. Massimiliano Allegri hatte sich nach fünf erfolgreichen Jahren bei Juve zurückgezogen, Sarri übernahm das Kommando. In seinem ersten Jahr feierte er die Meisterschaft - seine erste, Juves neunte in Folge -, musste sich im Finale der Coppa Italia allerdings gegen Ex-Klub Neapel geschlagen geben und am Freitagabend das Champions-League-Aus gegen Olympique Lyon verkraften. Ein durchschnittliches Ergebnis - mehr aber nicht.
Eine merkwürdige Meisterschaft
Nicht nur aufgrund der Corona-Krise war diese Saison eine merkwürdige für die erfolgsverwöhnten Bianconeri. Der 36. Scudetto wurde mit nur einem Punkt Vorsprung auf Inter Mailand gewonnen, mit 76 Toren stellte Juve die zweitschwächste Offensive der Top-Sechs; nur die AC Mailand (63) traf noch seltener. Extrem auffällig ist dabei die Abhängigkeit von Cristiano Ronaldo: 31 Tore erzielte der Portugiese in der Serie A, er allein rettete in dieser Saison 27 Punkte.
Auch unabhängig von Ronaldos Toren fällt auf: In dieser Saison waren viele Spiele verdammt knapp. 26 Siege erlang Juve in der Liga, 14 davon gelangen mit nur einem Tor Vorsprung. Selbiges war in der Champions League gleich viermal der Fall - wie jüngst im Achtelfinal-Rückspiel gegen Lyon. In der Liga hätte der 2:1-Erfolg zu drei Punkten gereicht, aufgrund der Auswärtstorregel muss Juve nun aber die Segel streichen und den Flug nach Lissabon canceln.
Eine erfolgreiche Zukunft mit Sarri? Unwahrscheinlich
Mit 83 Zählern feierte Juve die schwächste Meisterschaft seit dem Beginn der Dominanz in der Saison 2011/12. Auch kassierte die Mannschaft in dieser Saison die meisten Gegentore seit 2011 (43). Die Zahlen verdeutlichen: So, wie es in vielen Spielen gerade noch für einen Sieg gereicht hat, hat es in dieser Saison gerade noch für den Scudetto gereicht. Für mehr aber auch nicht.
Will Juve wieder so erfolgreich sein wie unter Allegri, der 2015 und 2017 das Champions-League-Finale erreichen konnte, wird Sarri gehen müssen. Bis heute haben die Spieler seine Ideen noch nicht verinnerlicht, auf diesem Niveau darf so etwas aber schlicht und ergreifend nicht passieren. Der FC Bayern, Real Madrid und der FC Barcelona leisteten sich in der jüngeren Vergangenheit mit Niko Kovac, Julen Lopetegui und Ernesto Valverde jeweils einen Fehlgriff, der sich noch in dieser Saison bemerkbar gemacht hat. Auch Juve hat eine falsche Personalentscheidung getroffen. Nun gilt es, diesen Fehler zu korrigieren.