Jürgen Klopp übt heftige Kritik an Entwicklung des Fußballs: "Es ist verrückt, was wir da machen"
Von Simon Zimmermann
Jürgen Klopp ist bekannt dafür, bei seinen kritischen Äußerungen gerne Mal die Keule zu schwingen. Der Liverpool-Coach hat nun erneut gegen die Verbände und die Nations League geledert und die zu hohe Belastungen für die Spieler angemahnt. Weniger meinungsfreudig zeigte er sich hingegen zur umstrittenen Übernahme von Newcastle United.
"Diese Gier wird auf dem Rücken der Spieler ausgetragen."
- Jürgen Klopp, via Sky
Jürgen Klopp hält die Nations League für Unsinn
Im Interview mit Sky nahm Klopp mal wieder die Verbände in den Fokus. "Es ist verrückt, was wir da machen. Im Sommer sind auch wieder vier Spiele der Nations League, was ja auch Wahnsinn ist. Wir hatten damals gesagt, als die Nations League eingeführt wurde, dass das ein komplett unsinniger Wettbewerb ist. Der Grund dafür war, dass es zu viele bedeutungslose Spiele gibt, es so viele Freundschaftsspiele gibt. Aber da der Wettbewerb da ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, mal ein Spiel rauszunehmen. Alle Verbände haben sich da reinmanövriert. Der Spieler muss es ausbaden, das ist absoluter Wahnsinn", so der 54-Jährige.
"Es ist nicht in Ordnung, dass es so gemacht wird. Diese Gier wird auf dem Rücken der Spieler ausgetragen. Ich wusste nicht, dass es ein Spiel um Platz drei in der Nations League gibt. Das macht keinen Sinn. Mit den Anforderungen für die Spieler ist das nicht möglich", legte er nach.
Keine Pausen im Fußball: Langfristig die falsche Entwicklung
Die Belastungen im Fußball verglich Klopp mit denen in den großen US-Profiligen. Dort sei sie zwar auch extrem hoch, es gebe aber einen gravierenden Unterschied:
"Wir haben keine Zeit mehr zu trainieren, das gibt es in keiner anderen Sportart. Beim Fußball wird viel Geld umgesetzt, bei den amerikanischen Sportarten noch mehr. Die haben alle vier Monate Pause plus eine Vorbereitung. Die spielen auch bum, bum, bum, bum - aber die haben eine Pause. Wir haben weder eine Pause noch eine richtige Vorbereitung und während der Saison auch keine Zeit zum Trainieren. Das muss man sich mal durch den Kopf gehen lassen, da stimmt etwas nicht. Dass die Jungs trotzdem auf so einem hohen Niveau performen, dann unglaublich oft, ist den Jungs zuzuschreiben. Langfristig kann das nur in eine Richtung führen - und das ist die falsche."
Klopp zur Newcastle-Übernahme: "Im Grunde wie die Super League - halt nur für einen Verein"
Mit seiner deutlichen Kritik an den Verbänden und den hohen Belastungen dürfte Klopp vielen Spielern und Trainern aus der Seele sprechen. In der Premier League gab es zuletzt aber noch ein anderes ganz großes Thema: Die umstrittene Übernahme von Newcastle United durch ein Konsortium, das vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman geführt wird. Dieser soll ein Privatvermögen von knapp 380 Milliarden Euro besitzen.
"Auch da können wir eine ganze Menge zu sagen oder auch gar nichts. Ich möchte es nicht zu meiner Sache machen, weil es auch nicht meine Sache ist", hielt sich Klopp zu diesem Thema bedeckt. Immerhin deutete der Liverpool-Coach Kritik an. "Es gibt keine zwei Meinungen über die offensichtlichen Bedenken bezüglich der Menschenrechte in Saudi-Arabien. Das ist ja keine Frage", so Klopp weiter.
"Das ist der dritte Verein im Weltfußball, von dem ich weiß, der einem Land gehört."
- Jürgen Klopp, via Sky
"Aber wie es dann dazu kommen konnte, dass das trotz vieler Bedenken trotzdem zugelassen wurde, das kann ich nicht einschätzen. Das müssen ein paar andere Leute sein. Wenn wir nur über den Fußball sprechen, dann ist das langfristig natürlich schon so, dass man sagen muss, das wird eine Supermacht. Das ist der dritte Verein im Weltfußball, von dem ich weiß, der einem Land gehört und das offensichtlich der wohlhabendsten Familie auf dem ganzen Planeten."
Klopp sieht deshalb in den Magpies eine neue dominierende Macht im europäischen Fußball: "Die Möglichkeiten, die sich auftun, sind natürlich immens. Bei der Super League hat sich berechtigterweise die ganze Welt darüber aufgeregt. Das ist jetzt im Grunde genommen so was wie die Super League - halt nur für einen Verein. Dann wird Newcastle garantiert die nächsten 20, 30 Jahre im Weltfußball eine dominierende Rolle spielen."
"Man kann mit Geld viel Mist bauen, aber langfristig rennen zu viele gute Leute im Fußball herum und die wird auch Newcastle finden. Dementsprechend ist das jetzt, wie es ist. Es ist nicht meine Entscheidung gewesen und wir leben jetzt ganz einfach mit den Tatsachen. Anders kann man es nicht machen. Aber da sich noch niemand so großartig geäußert hat, bin ich auch nicht bereit, jetzt so richtig meine Meinung abzugeben, ob ich das gut oder schlecht finde. Es gibt die Bedenken, die alle haben, da bin ich nicht allein mit und den Rest haben offensichtlich andere Leute entschieden."
Klopp erwartet Vierkampf um Premier-League-Titel
Natürlich sprach der Reds-Coach auch über die aktuelle Situation in der Premier League und den Kampf um die Meisterschaft. Es werde "sehr wahrscheinlich sehr eng werden" im Kampf um Platz eins. Aktuell liegt Chelsea nach sieben Spieltagen vorne. Die Reds kommen mit einem Zähler dahinter auf Rang zwei, Man City und Man United liegen wiederum nur einen Punkt hinter Liverpool.
"United ist United, die werden nicht aufhören zu investieren, bis es irgendwann einmal klappt."
- Jürgen Klopp, via Sky
Auch Klopp rechnet daher mit einem Vierkampf um den Titel: "City ist sicher nicht schlechter geworden als letztes Jahr, was die für einen Fußball spielen, ist brutal. Wir sind ganz gut drauf. Chelsea hat eine Top-Mannschaft und einen Riesenkader. United ist United, die werden nicht aufhören zu investieren, bis es irgendwann einmal klappt. Den Kader, den sie jetzt beisammen haben, ist auch stark."