Junge Offensive der Lionesses stark: Die Einzelkritik von Englands 3:1 gegen Australien
Von Helene Altgelt
England hat sich im Halbfinale mit 3:1 gegen Australien durchgesetzt und steht im Finale der Frauen-WM 2023 gegen Spanien. Die junge Offensive der Lionesses um Hemp und Russo überzeugte, auch defensiv waren sie solide - ein sehr reifer Auftritt von Sarina Wiegmans Team. Für Australien waren Sam Kerrs Chancen zu wenig - die Einzelkritik.
Die Einzelkritik für England
Mary Earps (Tor): 6/10
Lange Zeit war Earps wenig beschäftigt, nach einer frühen Chance von Kerr kam wenig von Australien. Kerr gilt als Angstgegnerin von Earps, hatte vor dem Match neun Tore in neun Spielen gegen die England-Keeperin erzielt. Und diese Serie setzte sich fort, bei Kerrs Traumtor stand Earps vielleicht etwas zu weit vorne. Ansonsten aber fehlerlos.
Jess Carter (rechte Innenverteidigung): 7/10
Carter trug ihren Teil dazu bei, dass Australien über weite Strecken des Spiels harmlos war. Die Chelsea-Spielerin war aufmerksam und klärte viele Bälle, im Passspiel solide. Eine tolle WM der 25-Jährigen.
Millie Bright (Innenverteidigung): 6/10
Im Spielaufbau war die Abwehrchefin nicht ganz sicher, leistete sich einige schwache Pässe. In der Luft aber wie immer eine wichtige Stütze, offensiv wie defensiv, und auch zweikampfstark. Wurde immer souveräner, aber beim 1:1 hätte sie Kerr mehr stören müssen.
Alex Greenwood (linke Innenverteidigung): 8/10
Greenwood zählt schon lange zu den besten englischen Verteidigerinnen, bei der EM saß sie aber noch auf der Bank. Durch die Umstellung auf einer Dreierkette steht die City-Spielerin bei der WM nun in der Startelf. Ihre größte Waffe sind ihre präzisen langen Bälle, mit denen sie auch als Defensivspielerin wichtig für die Offensive ist - das zeigte sie auch gegen die Matildas. Gute Ecken kann sie auch schlagen, defensiv war Greenwood aufmerksam.
Lucy Bronze (rechtes Mittelfeld): 7/10
Bronze ist bekannt für ihren Offensivdrang, davon war gegen Australien wenig zu sehen. Da war vermutlich taktisches Kalkül von Sarina Wiegman, um Caitlin Foord im Schach zu halten. Bronze hielt die Arsenal-Spielerin gut im Schach. Nach der Pause offensiver, gewann viele wichtige Zweikämpfe.
Georgia Stanway (Mittelfeld): 6/10
Die Bayern-Spielerin hatte in der neunten Minute die erste Chance für England, scheiterte aber an der gut aufgelegten Mackenzie Arnold. Generell spielte Stanway etwas offensiver als in den Spielen zuvor, sollte im Sturm die Bälle festmachen. Mit ihren Pässen aber eher unauffällig, ihre Distanzschüsse sorgten für keine Gefahr. Nach hinten diszipliniert.
Keira Walsh (Mittelfeld): 6/10
Walsh wurde eng bewacht und konnte so weniger Einfluss auf das Spiel nehmen als gewünscht. Wenn Walsh doch mal an den Ball kam, hatte sie viele gute Ideen, konnte sich im Laufe des Spiels besser befreien.
Rachel Daly (linkes Mittelfeld): 8/10
Rachel Daly ist das, was man einen "jack of all trades" nennt, die Villa-Spielerin kann fast überall auf dem Platz eingesetzt werden. Zu Beginn der WM spielte sie noch in der Sturmspitze, jetzt links zwischen Abwehr und Sturm. Mit ihrer Zweikampfstärke und Kopfbällen war sie wichtig für England, auch nach vorne setzte sie viele Akzente.
Ella Toone (offensives Mittelfeld): 7/10
Toone war zunächst nicht sehr in das Spiel eingebunden, aber ihre erste große Aktion war direkt ein Tor. In der 36. Minute lief sie sich im Strafraum gut frei und schloss souverän ab. Danach wurde sie nochmal sicherer, leitete die Bälle gut weiter - trotzdem etwas unauffälliger als die anderen Lionesses in der Offensive.
Alessia Russo (Sturm): 8/10
Russo hatte gegen Kolumbien ein wichtiges Tor geschossen, war in dem englischen Team bei der WM aber noch nicht perfekt integriert. Gegen Australien spielten die Lionesses mehr in die Tiefe und suchten dort Hemp und Russo, was ihr entgegenkam. Vor dem 1:0 legte sie clever auf Toone zurück und bewies dabei ihre Spielintelligenz. Fast hätte der Arsenal-Neuzugang das 2:1 geschossen, Arnold hielt aber. Bei Russos 3:1 war sie dann chancenlos. Russo hat die Stärke, nur genau so wenige Ballkontakte zu nehmen wie nötig, das zeigte sie auch gegen Australien.
Lauren Hemp (Sturm): 8/10
Hemp war gut in die agile englische Offensive eingebunden. Die City-Spielerin, kombinierte gut mit den anderen und hatte einige tolle Einzelaktionen. Schöner Distanzschuss in der 56., aber Arnold war auf ihrem Posten. In der 69. Minute setzte sie Russo sehr gut in Szene. Und eine Minute danach war Hemp da, um Carpenters Fehler auszunutzen - eiskalter Abschluss. Im Laufe des Spiels wurde die Youngsterin immer besser, sie und Russo bildeten ein unwiderstehliches Duo.
Chloe Kelly (89. für Russo): keine Bewertung
Englands EM-Heldin kam erst spät ins Spiel, das diente wohl vor allem dem Zweck, Zeit von der Uhr zu nehmen. Für Zeitspiel bekam sie noch die gelbe Karte.
Niamh Charles (90. für Toone): keine Bewertung
Gleiches gilt für Charles.
Die Einzelkritik für Australien
Mackenzie Arnold (Tor): 6/10
Arnold wurde im Elfmeterschießen gegen Frankreich zu Australiens Heldin, ist in den letzten Tagen sehr populär geworden. Sie bestätigte ihre guten WM-Leistungen mit einem sicheren Auftritt. Beim 0:1 konnte sie nichts machen. Danach aber in einer Situation unsicher, bei dem 1:2 hätte sie vielleicht noch drankommen können.
Ellie Carpenter (Rechtsverteidigung): 5/10
Carpenter ist ein großes Talent von Australien. Für Olympique Lyonnais wie auch für das Nationalteam interpretiert sie ihre Rolle sehr offensiv, drang mehrmals in das Mittelfeld ein. Besonders auffällig war, dass Carpenter die Bälle nicht einfach wegholzte, sondern direkt die australischen Angriffe einleitete. Bei einigen Aktionen war die 23-Jährige aber zu überhastet. Trotzdem eigentlich eine gute Leistung, die ihr Riesen-Bock vor dem 1:2 überschattet - das Gegentor geht auf ihre Kappe.
Clare Hunt (Innenverteidigung): 6/10
Hunt spielt mit Australien ihr erstes großes Turnier, die 24-Jährige ist eine der Entdeckungen der WM. Hunt machte es besser als Polkinghorne neben ihr, aber es war den beiden anzusehen, dass sie bei dieser WM noch nicht nebeneinander gespielt haben.
Claire Polkinghorne (Innenverteidigung): 5/10
Polkinghorne rückte für die angeschlagene Alanna Kennedy in die Innenverteidigung. Die Viererkette gegen eine gefährliche englische Offensive umbauen - kann das gut gehen? Polkinghorne war nicht hundert Prozent sicher, zeigte bei einigen Flanken Schwächen.
Steph Catley (Linksverteidigung): 6/10
Catley war weit weniger auffällig als ihr Pendant Carpenter auf der rechten Seite, beschränkte sich vor allem auf das Verteidigen. Dadurch ging über Englands rechte Seite wenig, aber für Australien wäre es vermutlich doch vorteilhaft gewesen, Catleys Flanken zu nutzen.
Hayley Raso (Mittelfeld): 6/10
Raso kombinierte auf der rechten Seite viel mit Carpenter, die beiden harmonierten wieder gut. Carpenter zog gerne nach innen und suchte dann Raso, die versuchte zu flanken. Nicht jede Aktion kam durch, aber Raso holte einige Ecken heraus und war in der Anfangsphase ein Aktivposten. Danach zu unsauber.
Katrina Gorry (Mittelfeld): 8/10
Katrina Gorry zeigte, warum sie als eine der besten Spielerinnen Australiens bei der WM gilt. Die 31-Jährige gewann viele Bälle und zeigte zudem mit langen Pässen, wie dem auf Kerr in der 7. Minute, eine gute Übersicht. Unglaublich gute Zweikampfquote von 70%, dazu der Assist zum 1:0 - eine der besten Matildas.
Kyra Cooney-Cross (Mittelfeld): 5/10
Australiens Mittelfeld konnte in der ersten Halbzeit kaum das Spiel lenken. Wenn es mal Chancen gab, resultierten die meist aus einem Konter. Wie die anderen Mittelfeldspielerinnen blieb Cooney-Cross recht blass. Der 21-Jährigen wird eine große Zukunft prophezeit, aber an diesem Abend konnte sie ihre Stärken - Flanken, Steckpässe, Technik - nicht wirklich ausspielen.
Caitlin Foord (Mittelfeld): 6/10
Foord war bisher eine der Schlüsselspielerinnen für Australien, wurde wegen ihrer Dribbelkünste immer wieder auf der linken Seite gesucht. Gegen England setzte Australien vor allem auf lange Bälle, die konnte Foord aber zunächst nicht gut verwerten - teils wegen mangelnder Präzision, teils wegen schlechter Annahmen. Über ihre linke Seite ging weniger als rechts. Zur zweiten Halbzeit besser, hatte die erste Chance für Australien nach der Pause.
Mary Fowler (Sturm): 6/10
Fowler war gegen England mit der wichtigen Aufgabe betraut, Keira Walsh zu bewachen. Die Barcelona-Spielerin ist für England Taktgeberin und essenziell für das Aufbauspiel, daher haben bisher alle Teams versucht, sie aus dem Spiel zu nehmen. Auch Fowler war damit sehr beschäftigt und kam so zu weniger Offensivaktionen als noch gegen Frankreich, wo die 20-Jährige sehr auffällig war. Im Laufe des Spiels wurde Fowler besser und konnte mehrmals nur unfair gestoppt werden.
Sam Kerr (Sturm): 8/10
Alle Augen lagen auf Sam Kerr: Zum ersten Mal bei dieser WM stand Australiens Star-Stürmerin in der Startelf. Kerr hatte in der siebten Minute eine Wahnsinns-Chance auf dem Fuß, stand aber knapp im Abseits. Die Szene zeigte aber: Wenn Australien lange Bälle auf die Nummer 20 spielt, kann es direkt gefährlich werden. Von Anfang an wurde sie hart angegangen, Alex Greenwood kassierte für ein taktisches Foul an der davonstürmenden Kerr früh die gelbe Karte.
Nach einer auffälligen Anfangsphase tauchte Kerr zunächst ziemlich ab - und dann erfüllte sie mit einer Wahnsinns-Aktion alle Hoffnungen, die Australien in sie gesetzt hatte. Sie sprintete über das halbe Feld, um dann von der Strafraumkante in den Winkel abzuziehen - vielleicht das Tor des Turniers, aber sicherlich das bisher emotionalste. Danach roch Kerr offensichtlich Blut, hatte direkt danach einige weitere Chancen. Eine der größten davon in der 85. Minute, als sie nach einer Ecke aus kürzester Distanz über die Latte zielte. Aber man kann von Kerr eben auch nicht erwarten, dass sie jedes australische Tor schießt.
Cortnee Vine (eingewechselt für Raso in der 71.): 7/10
Vine war im Viertelfinale diejenige gewesen, die den entscheidenden Elfmeter gegen Frankreich verwandelte. Sie kam auch gegen England wieder von der Bank, brachte frischen Wind ins Spiel und zog viel nach innen. Ihr Schuss in der 83. wurde gerade so nach vorne abgewehrt, fast konnte van Egmond das ausnutzen.
Emily van Egmond (81. für Polkinghorne): keine Bewertung
Van Egmond kam nach Vines Schuss fast an den Ball, konnte aber daraus kein Kapital schlagen. Ansonsten keine nennenswerten Aktionen.
Alex Chidiac (89. für Gorry): keine Bewertung
Konnte keine Akzente mehr setzen.