Julian Brandt und die Überreaktion - "Biegt auf die Toprak-Castro-Straße ab"
Von Stefan Janssen

Julian Brandt saß bei Borussia Dortmunds Auftaktsieg in der Bundesliga am Samstagabend gegen Borussia Mönchengladbach erneut auf der Bank. Manche Fans und auch Medien haben den Mittelfeldspieler beim BVB bereits abgeschrieben, was eine völlige Überreaktion darstellt.
Vor einer Woche ist die US-Amerikanische American-Football-Liga NFL wieder in die Saison gestartet. Der Montag nach dem ersten Spieltag wird oftmals als "Overreaction Monday", also wörtlich "Überreaktions-Montag", genannt. Es bedeutet, dass Ereignisse des ersten Spieltages gerne auf die Goldwaage gelegt werden, obwohl sie auf lange Sicht wahrscheinlich überhaupt nichts bedeuten. Das können überraschende Ergebnisse sein oder Leistungen einzelner Spieler.
Seit vergangenen Dienstag scheinen wir uns - Julian Brandt von Borussia Dortmund betreffend -bereits in einer "Overreaction Week" zu befinden. Seit der Nationalspieler im DFB-Pokal gegen den MSV Duisburg nur auf der Bank saß, wird von allen Seiten auf ihn eingedroschen. "Brandt hat es derzeit schwer beim BVB" titelte der kicker und auch viele andere Medien berichteten ähnlich.
Julian Brandt wird bereits abgeschrieben
Auch in den sozialen Medien ist Brandt nach Meinung von manchen Fans bereits auf dem Abstellgleis. Direkt nach Bekanntwerden der BVB-Startaufstellung am Samstagabend gab es den ein oder anderen Tweet in dieser Richtung:
Julian Brandt biegt gerade auf die Castro-Toprak-Straße ab. #BVBBMG
— Bastian Hahne (@torhamster04) September 19, 2020
Das ist doch diese „Weiterentwicklung“, die #Brandt wollte, oder? #BVBBMG
— BayerFan1904 (@BayerFan1904) September 19, 2020
Das alles ist nach momentanem Stand einfach überzogen und eben eine Überreaktion auf zwei Spiele des BVB, bei denen Brandt nicht in der Startelf stand, sondern in denen ihm die 17-jährigen Giovanni Reyna und Jude Bellingham vorgezogen wurden. Sie scheinen die Nase vorn zu haben. Aber auch das ist ein Trugschluss: Abgesehen von Spielern wie Roman Bürki, Erling Haaland, Mats Hummels und wahrscheinlich noch Jadon Sancho gibt es in Dortmund einfach keine echten Stammspieler. Heißt: Es ist sehr gut möglich, dass Brandt am kommenden Samstag in Augsburg von Anfang an spielt.
Brandt wird beim BVB viele Spiele machen
Abgesehen davon beinhaltet die Saison eine Menge Spiele in kürzester Zeit, Dortmunds Trainer Lucien Favre wird rotieren müssen und Brandt wird am Ende der Saison, sofern es keine Verletzungen gibt versteht sich, wahrscheinlich nicht weniger Spiele auf dem Konto haben als Bellingham. Zumal der, um bei dem Engländer zu bleiben, erst 17 ist. Soll heißen: Momentan hat er eine bärenstarke Phase und spielt völlig zurecht, aber auch er wird einmal schwächere Zeiten durchleben, was ganz normal ist. Und er wird Pausen brauchen; gerade Favre ist jemand, der junge Spieler nicht verheizen will, wie er gestern am Sky-Mikrofon auch nochmal betonte.
Es ist deshalb völlig übertrieben, davon auszugehen, dass Julian Brandt beim BVB überhaupt keine Chance mehr hat und dass die jungen Spieler ihm den Rang abgelaufen hätten. Der auch erst 24-Jährige wird bei den Schwarz-Gelben in dieser Saison noch eine wichtige Rolle spielen und viele Einsätze bekommen. Sollte Brandt dabei wieder seine Top-Form erreichen, ist an ihm erst einmal kaum ein Vorbeikommen.