Jubelverbot für Spieler: Wie baden, ohne sich nass zu machen!

Manche Teile des Konzepts sollte man noch mal überdenken
Manche Teile des Konzepts sollte man noch mal überdenken / STUART FRANKLIN/Getty Images
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Zwei komplette Spieltage unter Corona-Bedingungen hat der deutsche Profi-Fußball nun also hinter sich. Und weiterhin stehen die Bundesliga und ihre Protagonisten unter weltweiter Beobachtung. Nicht zuletzt auch bezüglich der Umsetzung des vielgelobten Hygienekonzeptes der DFL. Doch über eine Sache muss mal geredet werden.

Und zwar über diesen Schwachsinn (sorry!), den Torjubel der Spieler reglementieren zu wollen. Das ist in etwa so logisch, wie zu sagen:"Ja, wir erlauben einer Poker-Runde, dass sie sich zusammen an einen Tisch setzt, dicht an dicht (sozusagen im Dunstkreis der jeweils anderen), und gemeinsam pokert. Aber bitte ohne Karten." An denen (Stichwort: Schmiereninfektion) könnte man sich ja infizieren. Dass das Tröpfcheninfektionsrisiko hier mindestens genauso hoch zu bewerten ist - geschenkt! Pokern ohne Karten. Oder singen ohne Melodie. Oder baden, ohne nass zu werden. Man kann sicherlich noch andere derartiger Vergleiche finden - und alle weisen sie die Absurdität dieses Teils des DFL-Konzeptes aus.

Umarmen verboten: Mark Uth und Anthony Modeste beim Corona-Torjubel
Umarmen verboten: Mark Uth und Anthony Modeste beim Corona-Torjubel / TILO SCHMUELGEN/Getty Images

Und mittlerweile nervt es einfach nur noch, wenn in jedem Spiel unmittelbar nach dem schönsten Ereignis, das dieser Sport bieten kann (ein Tor), sofort ein Jeder die Aktionen und Bewegungen der jubelnden Spieler unter die Lupe nimmt, um womöglich mit stolzgeschwellter Brust eine Infraktion der bestehenden Regeln (oder Empfehlungen) denunzieren zu können und somit wieder eine panikgesteuerte Debatte über den vorzeitigen Abbruch der Saison vom Zaun zu treten.

Wohlgemerkt: Nicht, weil das Konzept in sich nicht greifen würde. Denn, das zeigen die Bilder, es greift. Sondern weil aus rein formalistischen Gründen (nach dem Motto: Regeln sind dafür da, sie einzuhalten - egal wie schwachsinnig sie sind!) an einer offensichtlich absurden Vorschrift festgehalten wird.

Wie will man einem vernunftbegabten Menschen, sagen wir mal mit einem Mindestalter von acht Jahren, schlüssig erklären, dass es zwar erlaubt ist, dass sich Spieler während mancher Spielsituation bisweilen ineinander verschlingen oder verkeilen, oder sich im Kopfballduell, Wange an Wange reibend, duellieren, womöglich sogar mit den Schädeln gegeneinanderrasseln, in Summa also den unmittelbarsten Körperkontakt haben, den man nur haben kann - aber bei einem Torjubel sich nicht mal kurz umarmen dürfen? Dieser Passus macht den ganzen Restart - ohne Not - einfach nur komplizierter, und gibt, wenn sich die Spieler nicht an ihn halten, all denen Nahrung, die sowieso von Anfang an gegen einen Neustart des Fußballs waren. Laut der ARD-Corona-Spezialsendung vom vorvergangenen Freitag (also noch vor dem ersten Geisterspieltag) sind das wohl gute 60 Prozent.

Frankreich und der Abbruch der Liga wirklich ein Modell?

Überhaupt hat mich an jenem Abend, als ich besagte Sondersendung im Ersten sah, eine Sache überrascht. Etwas, das ich bis vor kurzem nicht für möglich gehalten hätte. Nämlich tendenziösen Journalismus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Schon zu Beginn wurde genüsslich das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage bekannt gegeben, der zufolge etwa "zwei Drittel der Deutschen" (großzügig aufgerundet!) einen Abbruch der Saison bevorzugt hätten. Und dann wurde auch schnell deutlich, dass es eine Sendung werden sollte, die der Sache dieser zweien von dreien aus der repräsentativ befragten Bevölkerung das Wort redet.

Nur so ist zu erklären, dass auf einmal Frankreich (mit seinem vorzeitigen Abbruch der Liga) als leuchtendes Beispiel dargestellt wurde. Wo alles so harmonisch und solidarisch abgelaufen sei. Und es wurde von der Moderatorin tatsächlich die Frage gestellt, warum dies nicht in Deutschland möglich gewesen sei.

Und ich dachte mir: So, Wehrle, jetzt gib mal Contra! (DFL-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer des 1. FC Köln, Alexander Wehrle, warnämlich zu Gast). Jetzt erzähl mal, dass von Klubs wie Amiens und Lyon schon angekündigt wurde, rechtliche Schritte gegen die Entscheidung des Verbands prüfen zu wollen, und dass die Sache alles andere als beigelegt ist! Und dass deshalb von Harmonie überhaupt keine Rede sein. Ganz abgesehen davon, dass man Frankreich und Deutschland vielleicht auf einigen Gebieten sehr gut miteinander vergleichen kann, es jedoch gerade im Fußball auch gravierende Unterschiede bezüglich der Verwurzelung dieses Sports in der Breite der Bevölkerung gibt. Zuschauerzahlen deutlich unter 20.000, die in der Ligue1 gang und gäbe sind, sieht man hier erst ab Liga 2. Manch deutscher Drittligist bringt gar im Schnitt mehr Leute ins Stadion als der eine oder andere Erstligist im Nachbarland. So weit zu der Vergleichbarkeit der gesellschaftlichen Stellung des Fußballs in beiden Ländern.

Anhaltspunkte für tendenziösen Journalismus

Aber es hat mich auch in einem Subtext nachdenklich gemacht, was in jener Sendung vom 15. Mai abgelaufen ist. Dass ein öffentlich-rechtliches Medium offenbar eine vorgefasste Meinung über ein generelles, die gesamte Breite der Öffentlichkeit betreffendes Thema hat - und diese Meinung dann auch offensichtlich um jeden Preis (auch um den der Wahrheitstreue) durchboxen will. Mit Sorge musste ich an die ganzen Durchgeknallten von Pegida und Corona-Diktatur-Verschwörungstheoretikern denken. Solche Sendungen sind letzten Endes nur Wasser auf deren Mühlen.

Wehrle hat es am Ende leider verpasst, mit weitaus mehr Deutlichkeit und Vehemenz die angeblich so harmonisch getroffene Entscheidung in Frankreich zu widerlegen. Man könnte auch sagen: Er hat aktuellen Bedingungen Rechnung getragen - und den momentan angezeigten Mindestabstand mehr als großzügig eingehalten.