Jetzt merkt der FC Bayern was er an Hasan Salihamidzic hatte - Ein Kommentar
Von Oliver Helbig
Der FC Bayern München hat in den vergangenen Monaten ein in vielerlei Hinsicht ungewohntes Gesicht gezeigt und gefühlt an Souveränität eingebüßt. Nicht nur, dass der deutsche Rekordmeister erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit eine Saison komplett ohne Titel abschließt, auch in Sachen Transfers scheint man in München derzeit nicht besonders sattelfest zu sein. Das fängt schon auf der Trainerbank an, wo man in München monatelang keine Klarheit schaffen konnte und schließlich nach zahlreichen Absagen das Wagnis mit dem jungen Vincent Kompany einging.
Auch was den Kader des FC Bayern betrifft, zeigten die Münchner in letzter Zeit bisher nicht gekannte Schwächen. Sei es bei der Verlängerung diverser Verträge (z.B. Alphonso Davies) oder bei missglückten Transfers wie dem von Joao Palhinha. Auch in diesem Transfersommer sind die Bayern bislang eher blass geblieben und konnten noch keinen echten Volltreffer vermelden. Stattdessen hat man nach wie vor den Eindruck, dass man sich intern noch nicht im Klaren darüber ist, was man will und wie man das, was man will, erreichen kann. Ähnlich wie bei der monatelangen Trainerfrage.
Auch Brazzo war nicht perfekt - aber konsequent
Natürlich waren auch unter Brazzo nicht alle Transfers der Bayern von Glück und Erfolg gekrönt, aber immerhin gelang es dem ehemaligen Bayern-Profi, namhafte und heiß umworbene Spieler vom deutschen Rekordmeister zu überzeugen.
Neben Transferflops wie Bouna Sarr, Tanguy Nianzou und Tiago Dantas lotste Salihamidzic auch große Namen wie Leroy Sane, Mathijs de Ligt oder Sadio Mane nach München. Dass Letzterer beim FCB nicht überzeugen konnte, lag eher an ihm selbst als an Salihamidzic.
Salihamidzic konnte Feuer entfachen
Salihamidzic ist es zudem gelungen, Spieler mit großer Perspektive an die Säbener Straße zu holen. Spieler wie Ryan Gravenberch oder Marc Roca scheiterten letztlich am fehlenden Vertrauen des Trainers. Auch wenn ein Dayot Upamecano in München noch nicht vollends überzeugen konnte, war es Salihamidzic, der den Franzosen im Transferduell mit großen Namen aus der Premier League von München überzeugte. Genauso wie Toptalent Mathys Tel, der von halb Europa gejagt wurde, aber von Brazzo so für das Thema Bayern München entflammt wurde, dass für den jungen Franzosen nur München in Frage kam. Dass Brazzo nicht nur bei jungen Talenten funktioniert, bewies auch Sadio Mané, der als damaliger Weltstar von Salihamidzic und den Bayern ebenso überzeugt und angetan war wie Tel. Auch Alexander Nübel wechselte zum FC Bayern und wird von vielen wieder oder immer noch als Nachfolger von Manuel Neuer im Bayern-Tor gehandelt.
Kluge Ergänzungen ohne großes Risiko
Hinzu kamen kluge Ergänzungen des Kaders wie Marcel Sabitzer, Daley Blind, Douglas Costa oder Joao Cancelo, die alle ihre Rolle und die Gründe für ihre Verpflichtung erfüllten. Teils als Leihspieler ohne Risiko. Auch Eric Maxim Choupo Moting war ein kluger Schachzug von Salihamidzic. In ihm fand er einen Stürmer, der bereit war, die Nummer zwei hinter Robert Lewandwoski zu sein, und der dennoch immer zur Stelle war, wenn er gebraucht wurde.
Sabitzer verkaufte man später mit Gewinn an den BVB weiter und auch Marc Roca, den man weit unter Markwert nach München holte, verkaufte man gewinnbringend. Blind war trotz weniger Einsatzzeiten eine clevere und erfahrene Absicherung im Kader der Bayern, die den Münchnern unter Tuchel und der Verletztenmisere oft fehlte, nachdem man Spieler wie Benjamin Pavard und Josip Stanisic ohne Not und Alternative ziehen ließ.
Clevere Verträge und Klauseln
Brazzo wurde von Transferexperten für seine klugen Klauseln und Verträge gelobt. So zum Beispiel bei Joshua Zirkzee. Auch die Verhandlungen mit Alphonso Davies waren offenbar weit fortgeschritten, bevor Salihamidzic seinen Hut nehmen musste. Seitdem gibt es gefühlt weder ein Vor noch Zurück.
Vom Zirkzee-Deal, einem der letzten unter Brazzos Leitung, schwärmt Transferexperte Fabrizio Romano in höchsten Tönen. Sollte der Niederländer Bologna verlassen winken den Bayern 50 Prozent der fälligen Ablösesumme. Zudem sicherte Salihamidzic die Möglichkeit Zirkzee zurück zu holen. Ebenfalls verankert sei hier eine 40 Millionen Aussteigsklausel die nur für den FC Bayern gelte. Das bestätigte Bologna. Durch die festgelegte Weiterkaufsklausel halbiere sich der Kaufpreis für Zirkzee dann offenbar. “Dies sind echte, clevere Klauseln für die Bayern in Zirkzees Vertrag – gewollt und gesteuert von Ex-Direktor Hasan Salihamidzic, als er ihn 2022 nach Bologna verkaufte”, schwärmt Romano von dem Deal.
Ob man Brazzo in München bereits vermisst?
Dass nicht jeder Transfer funktioniert, gehört seit jeher zum Geschäft des Profifußballs, doch der FC Bayern und Salihamidzic wirkten in diesen Fragen weitaus souveräner und kreativer, als es seit seinem Abgang den Anschein hat. Man hatte wohl lange Zeit mit einem Machtvakuum zu kämpfen, aber es stellt sich die Frage: Wenn man schon so lange weiß, wo die Probleme liegen, warum kommt man dann von Transferphase zu Transferphase ohne adäquate Lösung daher, sondern eher mit dem Eindruck, Nottransfers in letzter Minute tätigen zu müssen, weil alles andere über Wochen nicht funktioniert?
Wahrscheinlich weiß man beim FC Bayern erst jetzt, was man wirklich an Hasan Salihamidzic hatte. Das dürfte inzwischen auch manchem Bayern-Fan aufgefallen sein, der lange auf sinnhafte Transfers wartet.