Ist der FC Bayern ohne Joshua Kimmich besser?

  • Kimmich fehlte im Klassiker beim BVB gesperrt
  • Duo Laimer/Goretzka brachte Stabilität
  • Büßt Kimmich seinen Status als Mittelfeld-Chef ein?
Joshua Kimmich musste gegen Darmstadt mit Rot vom Platz
Joshua Kimmich musste gegen Darmstadt mit Rot vom Platz / Kevin Voigt/GettyImages
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Die Diskussionen um Joshua Kimmich sind nach dem Klassiker in Dortmund nicht kleiner geworden. Ohne ihn zeigte der FC Bayern die wohl beste Leistung unter Thomas Tuchel. Konrad Laimer und Leon Goretzka überzeugten als Mittelfeld-Duo. Das wirft die Frage auf: Sind die Bayern ohne Kimmich derzeit besser?

Ohne Joshua Kimmich musste der FC Bayern am Samstagabend den Klassiker bei Borussia Dortmund bestreiten. Kimmich hatte eine Woche zuvor gegen Darmstadt nach einer Notbremse die Rote Karte gesehen und muss zwei Bundesliga-Spiele gesperrt zuschauen.

Mit Kimmich erlitt der FCB unter der Woche im DFB-Pokal gegen Drittligist 1. FC Saarbrücken sportlichen Schiffbruch. Ohne ihn gelang ein 4:0-Sieg beim BVB - mit der vielleicht besten Leistung unter Thomas Tuchel.

Laimer überzeugt als Holding Six

Da drängt sich natürlich die Frage auf: Sind die Bayern derzeit ohne Kimmich besser?

Eine Frage, die sich auch Sky-Experte Didi Hamann gestellt hat. Der Ex-Profi befindet sich bekanntlich derzeit im öffentlichen Clinch mit Tuchel. Am Sonntag erklärte er bei 'Sky90': "Ich habe mit einigen Leuten gesprochen und viele Bayern-Fans sagen: Jetzt ist der Kimmich draußen, jetzt läuft's besser."

Beschwichtigend schob er hinterher: "Man würde damit dem Joshua Kimmich unrecht tun." Aber: "Das war mit Abstand das beste Spiel seit Tuchel da ist - und das war ohne Kimmich."

Im Signal-Iduna-Park setzte Tuchel neben Konrad Laimer auf den wiedergenesenen Leon Goretzka. Das Duo harmonierte im Zentrum ziemlich gut. Goretzka in der etwas offensiveren Rolle, Laimer als klarer Sechser, der sich auch im Spielaufbau häufig auf die letzte Linie zwischen beide Innenverteidiger fallen ließ. Der Rekordmeister zeigte sich insgesamt defensiv sehr stabil und ließ kaum eine BVB-Torchance zu. Vor allem das Zentrum war stark.

Was eben für das Duo Laimer/Goretzka spricht. Ersterer interpretierte seine Sechser-Rolle im klassischen 'Holding Six'-Stil und hielt seine Position vor der Abwehr sehr diszipliniert.

"Zwei Innenverteidiger plus Laimer ist für mich im Moment die beste Lösung."

Hamann bei Sky90

Auch wenn man nicht allen Hamann-Thesen zustimmen mag. Mit der Beobachtung von Laimer im Klassiker darf man ihm durchaus recht geben: "Mit einem defensiven Dreieck - zwei Innenverteidigern und einem Sechser - kannst du ganz viele Angriffe aufhalten. Wenn die Sechser-Position nicht besetzt ist und du rollst auf eine Viererkette zu, wo kein Sechser davor ist, bist du extrem anfällig. Und weil Kimmich eben auf vielen Positionen spielt und du eben nicht diesen defensiven Block hast, den du mit dem Wellenbrecher Laimer hast, hat dieser für mich eine totale Berechtigung, über das Dortmund-Spiel hinaus, dieses defensive Dreieck zu bilden. Das schafft bei Bayern extreme Kompaktheit. Zwei Innenverteidiger plus Laimer ist für mich im Moment die beste Lösung", so Hamann.

Der Österreicher verkörpert vor allem eine Eigenschaft, die Kimmich zuletzt häufiger mal abgesprochen wurde: Mannschaftsdienlichkeit.

Diskussionen nagen Kimmich

Insgesamt hat Kimmichs Status in den letzten Wochen und Monaten in der öffentlichen Wahrnehmung stark gelitten. Das hat einige Gründe, dürfte aber vor allem aus einer Kombination aus sportlichen Rückschlägen (vor allem im DFB-Team), Kimmichs enormen Ehrgeiz und Verbissenheit und der Diskussionen um seine beste Position liegen.

Während sich Tuchel deutlich einen defensivstarken Sechser wünscht und Kimmich in einer offensiveren Rolle sieht, beharrt Kimmich darauf, ein defensiver Mittelfeldspieler zu sein. Diese Diskussionen dürften Kimmich nicht nur geschwächt, sondern auch verunsichert haben. Das Selbstverständnis ist ihm abhanden gekommen. Zu sehen war das zuletzt auch bei mehreren haarsträubenden Fehlern im Spielaufbau. Einer davon führte schließlich auch zu seinem Platzverweis gegen Darmstadt.

Legitimer Schluss: Bayern ohne Kimmich besser - aktuell

Nach den Beobachtungen der vergangenen Wochen und den Eindrücken aus dem Klassiker kann man tatsächlich zu dem Schluss kommen: Der FC Bayern ist ohne Kimmich aktuell die bessere Mannschaft.

Man muss aber auch klar festhalten: Kimmich kann ein Weltklasse-Mittelfeldspieler sein, der dann natürlich auch für den FC Bayern ein enorm wichtiger Faktor ist. Dafür bräuchte es aber wieder mehr Selbstvertrauen und Lockerheit. Und auch eine klare Rollenverteilung mit Kimmich im Mittelfeldzentrum. So wie sie eben bei Laimer und Goretzka gegen den BVB der Fall war.

Sowohl bei Kimmich und Goretzka als auch beim Duo Kimmich/Laimer scheint das bislang nicht perfekt abgestimmt zu sein. Immer wieder hatte sich der FC Bayern im Zentrum offen gezeigt und war vor allem gegen Konter anfällig. Das lag auch daran, dass Kimmich gerne in offensivere Räume vorstieß und das Spiel mit dem Ball im mittleren und auch letzten Drittel bestimmen wollte.

Bayern braucht keinen offensiven Sechser

Laimer gegen den BVB hatte sich dagegen mit dem Ball rein auf den Spielaufbau fokussiert. Spätestens in der gegnerischen Hälfte waren andere Spieler für die Offensive verantwortlich. Mit Blick auf die FCB-Besetzung (Sané, Musiala, Coman, Kane) ist mehr auch nicht wirklich nötig. Die Bayern haben so viel individuelle Offensivpower, dass es keinen vorrückenden Sechser braucht.

Wie also kann es mit Kimmich beim FC Bayern weitergehen? Klar ist, Laimer hat deutlich gezeigt, dass er derzeit die stabilste Wahl als Sechser ist. Leon Goretzka kann als Achter daneben ebenfalls Ansprüche anmelden. Er bringt dem FCB Dynamik, ist defensiv robust und kann mit seinen Box-to-Box-Qualitäten immer wieder in gefährliche Räume vorstoßen. Das dann aber - wie in Dortmund gesehen - sehr dosiert.

Für Kimmich wäre derzeit vielleicht sogar die Achter-Rolle neben Laimer die beste Wahl - die Rollenverteilung wäre dann quasi umgedreht. Oder aber, Kimmich schafft es tatsächlich, seine Sechser-Rolle im engeren Sinne der Positionsbeschreibung zu interpretieren.

Da der FCB-Kader recht dünn besetzt ist, wird Tuchel alle seine drei etablierten Zentrumsspieler brauchen. Laimer muss auch immer wieder hinten rechts aushelfen. Dass das nicht seine beste Postion ist, führte er vergangenen Samstag allen deutlich vor Augen. Der Druck auf Kimmich ist jedenfalls nicht kleiner geworden. Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass dieser ihn durchaus hemmen kann...


FC Bayern dominiert den Klassiker in Dortmund. Die Analyse mit Tobias Escher:


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