Gündogan: "Das Finale von 2013 verfolgt mich bis heute"
Von Dominik Hager
Es könnte die Saison von Ilkay Gündogan werden. Der deutsche Nationalspieler erlebt bei Manchester City wohl die beste Zeit seiner Karriere. Insbesondere der Traum vom Henkelpott steht dabei besonders im Fokus, zumal der frühere Dortmunder bereits ein Finale bestritten und verloren hat. Im Gespräch mit The Players' Tribune spricht der frühere Bundesliga-Star über das verlorene Finale 2013 und eine prägende Begegnung mit Jürgen Klopp.
Einmal im Leben die Champions League zu gewinnen, ist wohl der Traum eines jeden Profifußballers. "Für mich war es immer das größte Turnier der Welt. Es gibt etwas, das über die Trophäe und die Hymne hinausgeht und auf meine Kindheit zurückgeht", erklärt der Mittelfeldspieler.
Im Jahr 2013 stand Gündogan schon einmal kurz davor, den Henkelpott in die Höhe zu stemmen. Nach dem Last-Minute-Treffer von Arjen Robben platzten jedoch die Hoffnungen der wacker kämpfenden Dortmunder.
Gündogan über Schicksalsspiel 2013: "Das Finale verfolgt mich immer noch"
"Es gibt ein Spiel in meiner Karriere, über das ich immer noch viel nachdenke. Vielleicht erinnern Sie sich an das Finale der Champions League 2013. Dortmund gegen Bayern. Wir fühlten uns so gut. Ich hatte eine meiner besten Spielzeiten überhaupt und habe sogar in diesem Spiel getroffen. Es wäre die Kirsche auf der Sahne gewesen, aber wir verloren 1:2", hadert der 30-Jährige bei The Players' Tribune. "Es fühlte sich wie ein Albtraum an. Selbst nach dem Spiel konnte ich es nicht verstehen", erinnert er sich.
So ganz verarbeiten konnte der 30-Jährige diese Niederlage bis heute noch nicht: "Um ehrlich zu sein, verfolgt mich dieses Finale immer noch. Ich will diese Trophäe so sehr."
Gündogan gibt zu, dass ihn Negativ-Erlebnisse durchaus auch mal länger beschäftigen und es ihm schwer fällt, positiv nach vorne zu schauen. "Gedanken wie diese können mich nachts tatsächlich wach halten. Ich weiß, ich sollte all diese Zweifel und Niederlagen hinter mich bringen, aber es ist nicht einfach. Natürlich könnte ich Ihnen nur sagen, dass ich ein super selbstbewusster Typ bin, der niemals Unsicherheiten hat. Vielleicht wäre das normal, oder?", fragt er sich. "Aber wenn ich das sagen würde, wäre ich weder Ihnen, noch mir selbst gegenüber ehrlich."
Klopp-Wutanfall belehrte Gündogan
Wie wichtig das Thema Ehrlichkeit und Direktheit im Fußball ist, hat Gündogan auch in einem speziellen Moment mit Jürgen Klopp gesehen. Beim BVB galt zu Klopp-Zeiten die Regel, dass Spieler gesundheitliche Probleme beim Ärztestab sofort meldeten, damit dieser Jürgen Klopp davon unterrichten kann. Als der Mittelfeldspieler eines Morgens aufwachte und seine Kniesehne spürte, verschwieg er seine Probleme jedoch erstmal.
Kurz vor der nächsten Trainingseinheit bat er die Ärzte dann doch noch, die Blessur kurz zu begutachten. Ab hier nahm das Unheil seinen Lauf. "Der Arzt sagte: 'Ich muss es den Chef wissen lassen. Wir können kein Risiko eingehen'," erinnert sich Gündogan. "Ich wartete ein paar Minuten und dann kam Jürgen herein. Er war nicht glücklich."
Der ehemalige BVB-Coach hielt seinem Schützling sofort eine Predigt, zumal er seine Probleme längst hätte kundtun sollen. Zwar versuchte sich Gündogan noch herauszureden, merkte jedoch schnell, dass es bei der Angelegenheit kein Endkommen gab. Emotional, wie wir Klopp kennen, verlor er in Sekundenbruchteilen die Beherrschung.
"Und dann schnappte er. Wissen Sie, wenn er diese intensiven Augen bekommt und seine Zähne zusammenbeißt? Er sah mich an und rief: 'TU DAS, WAS auch immer du tun willst' ", beschreibt der Nationalspieler die Szene. Klopp knallte daraufhin die Tür zu und ließ einen verdatterten und leicht erbosten Gündogan zurück.
Von 0 auf 100 und wieder zurück: "Sprach wie ein Vater zu seinem Sohn"
Nach der heftigen Standpauke betrat der Ex-Borusse konsequenter Weise mit Sorge erfüllt den Trainingsplatz. Dann passierte jedoch etwas, mit dem er am wenigsten gerechnet hatte. "Er sagte: 'Mein Freund, weißt du, warum ich so wütend war? Du bist mir nur wichtig. Und ich möchte nicht, dass du verletzt wirst.' Dann hat er mich umarmt", blickt er zurück.
Eine Szene, die den Typen Jürgen Klopp passend zusammenfasst. "Ich war schockiert. Wir hatten diesen Kampf gehabt, und jetzt sprach er mit mir so, wie ein Vater mit seinem Sohn sprechen könnte. Das hat mir gezeigt, was für ein Mensch er ist: natürlich sehr emotional, aber auch sehr offen und ehrlich", verrät er.
Rückblickend gibt Gündogan zu, viel aus der Sache gelernt zu haben. "Jürgen hat mir an diesem Tag eine Lektion erteilt: Versuch immer, ehrlich zu sein. Sowohl mit anderen als auch mit dir selbst", erklärt er. Von da an versuchte der 30-Jährige, diese Lektion Tag für Tag aufs Neue umzusetzen. Dies habe ihm, wie er zugibt, auch dabei geholfen, mit offenen Karten zu spielen, als er einen Wechsel von Dortmund nach Manchester City anvisierte. Wer weiß, vielleicht war die Szene mit Klopp letztendlich mit endscheidend dafür, dass der begnadete Akteur schon bald mit Manchester City seinen großen Traum erfüllt.